Ende des 9-Euro-Tickets: Jetzt ist der Ticketkauf wieder ein Abenteuer!

Das 9-Euro-Ticket ist abgelaufen. Nun darf man sich wieder mit den Glücksspielautomaten der lokalen Verkehrsverbünde beschäftigen. Eine Glosse.

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Landkarte mit Waben eines Verkehrsverbunds in der Region Karlsruhe

Für Fahrten innerhalb der Waben 560 bis 591 gilt der VRN-Tarif. Für Fahrten in das KVV-Gebiet und aus dem KVV-Gebiet gilt der KVV-Tarif. Ausnahmen gelten natürlich für Fahrten von den KVV-Waben 540, 550, 555, 557, 565, 575 und 585 in die VRN-Waben 580, 581, 588, 590 und 591, dann gilt der VRN-Tarif.

(Bild: Tarifwabenplan des Karlsruher Verkehrsverbunds)

Lesezeit: 4 Min.

Endlich ist das 9-Euro-Ticket-Geschichte. Damit war's viel zu einfach, in Deutschland mit Bus und Bahn herumzukommen. Jetzt herrscht wieder dieses leichte Kribbeln beim Ticketkauf, ob man denn wirklich die richtige Karte für die Strecke ergattert hat. Oder war die Zielhaltestelle etwa schon die zweite Station in der Anschlusszone, für die man kein Ticket hat?

Die vielen, vielen Verkehrsverbünde in Deutschland unterstützen diesen Nervenkitzel: Sie haben die Bundesrepublik in Zonen, Umkreise, Gebiete, Bereiche, Waben, Flächen, Streifen, Bezirke, Abschnitte, Sektoren, Territorien oder Ringe aufgeteilt. Je mehr davon der Bus oder die Bahn durchqueren, desto teurer wirds. Die Spannung steckt im Detail: Denn manchmal lohnt sich auch eine Einzelkarte. Und bei mehreren Fahrten ist eine Tageskarte passend, oder gleich eine Streifenkarte, jedenfalls in bestimmten Waben.

Für Pendler ist oft die Monatskarte am günstigsten, aber nur, wenn man sie im Abo nimmt oder gleich zur Jobjahreskarte wechselt, nachdem man ein biometrisches Passbild und eine Bestätigung des teilnehmenden Arbeitgebers mit doppeltem Durchschlag per Fax an die Verkehrsbetriebe geschickt hat, wobei die Jobkarte nur montags bis freitags gilt, Feiertage ausgenommen, zu den Stoßzeiten von 6 bis 9 und 16 bis 18 Uhr, da sind auch keine Fahrräder erlaubt, aber Hunde mit einer Kinderkarte (Kinder unter 13, 13-Jährige nicht eingeschlossen, Hundealter egal), die kostet die Hälfte, ist aber immer noch etwas teuer als die Seniorenkarte, dafür muss man über 60 sein, nicht mehr arbeiten und eine Kundenkarte besitzen – das gilt auch für Beamte im vorzeitigen Ruhestand – während Azubis ein vergünstigtes Jobticket erhalten, das man allerdings nicht mit dem Sozialtarif verwechseln sollte und Touristen nehmen am besten eh die TouriWelcomeCardtm, die gilt nämlich drei Tage lang in bestimmten Sektoren und man kann damit sogar in 18 Museen 10 Prozent auf den Eintrittspreis sparen, außer man bleibt länger, dann ist die Wochenkarte die klügere Wahl, jedenfalls wenn man nicht 14 der 18 Museen besucht.

Allein schon diese lokale Ticketwahl macht den Fahrkartenautomaten zum Pachinko-Spiel. Spannung pur! Und jetzt versuchen Sie mal, von einem Verbundgebiet ins andere zu kommen – russisch Roulette ist dagegen so langweilig wie Looping Louie ohne Alkohol. In den letzten drei Monaten haben die Leute einfach nur das 9-Euro-Ticket gezogen. Da gähnt jeder Kontrolleur und selbst die Schwarzfahrer fahren aus Unterforderung weiß.

Deutschland war schon immer ein Aufteilerland: Bundesländer, Landkreise, Gemeinden, Postleitzahlengebiete, Besatzungszonen, Aldi Nord und Aldi Süd. Dieser Föderalismus sichert die Demokratie. Und die Verkehrsverbünde sind mit ihren Tarifzonen die letzten verbliebenen Nachfahren der unzähligen Fürstentümer und Königreiche, die Deutschland geprägt haben. Wir brauchen daher noch mehr Verbünde, noch mehr Gebiete, noch mehr Nervenkitzel. Warum nicht mal eine Straße anhand des Mittelstreifens teilen? Oder Tarife nach Höhenmeter der Station berechnen? Und liegt nicht jedes Reihenhaus eigentlich in einer eigenen Tarifwabe? Da geht noch was.

Der Verkehrsminister plant nun ein Nachfolgeticket. Der ist aber von der FDP. Und er möchte mit allen 16 Ländern die Finanzierung klären. So kann natürlich nur Murks rauskommen – sehr gut! Denn wohin dieser sozialistische Vereinheitlichungswahn führt, haben ja die 52 Millionen verkauften 9-Euro-Tickets schon gezeigt: Punks mit Dosenbier nach Sylt. Und das Ticket hat Pendler finanziell entlastet. Und Sehenswürdigkeiten günstig erreichbar gemacht. Und die Inflation gebremst. Und 1,8 Millionen Tonnen CO₂ gespart.

Wie langweilig. (str)