Förderprogramm: Wissing hat seinen politischen Werkzeugkasten nicht verstanden

Bis zu 10.200 Euro soll bekommen, wer schon ein E-Auto hat und eine PV-Anlage kauft. Falsche Anreize und ein fatales Signal, findet c’t-Redakteur Jan Mahn.

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Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Hier hat Volker Wissing monatelang über seinem Förderprogramm für heimische Ladeinfrastruktur gebrütet.

(Bild: BMDV)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jan Mahn
Inhaltsverzeichnis

Was musste Verkehrs- und Digitalminister in den vergangenen Wochen nicht alles einstecken. Erst bekam er Druck, weil der von ihm verantwortete Verkehrssektor die Klimaziele der Regierung verfehlt hat, dann nörgelten verschiedene Gruppen an der von ihm verantworteten Digitalstrategie der Bundesregierung herum. Und dann gab es wieder Kritik, als er verkündete, nicht mehr Bundesmittel für das 49-Euro-Ticket ausgeben zu wollen. Begleitet von der ständigen Forderung nach einem Tempolimit. Da muss es dem Minister irgendwann gereicht haben und so hat er zum Befreiungsschlag angesetzt. Am 1. September startete i-Kfz, die digitale Zulassung für Kraftfahrzeuge. Und nur einen Tag später gab er in einem TV-Interview Details zu einem neuen Förderprogramm für Besitzer von E-Autos bekannt, die jetzt Sonnenstrom nutzen wollen. Sie haben richtig gelesen: Ein Programm, das denen finanziell hilft, die schon ein E-Auto besitzen. Und ein Haus. Das haben die Kritiker jetzt davon: Sie haben den armen Minister soweit unter Druck gesetzt und in die Ecke gedrängt, dass er panisch reagiert und mit den Werkzeugen seines politischen Werkzeugkastens ziellos um sich schlägt. Denn nichts an dieser Förderung ist sorgfältig überlegt.

Das Werkzeug, für das sich der Minister entschieden hat, ist die Förderung. Ein schönes Instrument eigentlich – angenehmer als das Verbot zum Beispiel, das sein Ministerkollege Habeck einzusetzen gedachte. Und richtig eingesetzt, kann man mit einer Förderung zum Beispiel eine schleppende Nachfrage ankurbeln oder einer neuen Technik, die sich wegen hoher Kosten noch nicht am Markt behaupten kann, einen Schub geben. Falsch eingesetzt, kann man mit einer Förderung aber auch Nachfrage abwürgen. Glauben Sie nicht? Genau dieses Kunststück hat Volker Wissing vollbracht, indem er im Juni im Rahmen seiner Ladeinfrastruktur-Konferenz nebulös ankündigte, im Herbst dieses Jahres ein Förderprogramm aufzulegen, in dem es um Photovoltaik, Speicher und E-Autos gehen solle. Details später, hieß es damals! Es kam, wie es kommen musste: Hausbesitzer, die zu der Zeit schon über eine Photovoltaikanlage nachdachten, kamen ins Grübeln – sollten sie wirklich jetzt zuschlagen, wo doch die Gefahr besteht, dass es im Herbst plötzlich Geld vom Staat geben könnte. Nichts ist doch ärgerlicher, als zu erfahren, dass man ein paar Tage zu früh dran war. Einige stellten ihre Entscheidung zurück und jede Anlage, die wegen dieser Unsicherheit nicht gebaut wurde, geht aufs Konto von Volker Wissing.

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Die katastrophale Kommunikation war damit noch nicht zu Ende. Anstatt die Automesse IAA am 5. September abzuwarten und sein Förderprogramm dort anständig und mit paralleler schriftlicher Pressemitteilung bekanntzugeben, begleitet von einer Internetseite, die Detailfragen beantwortet, gab er Häppchen vorab im ARD-Interview bekannt und ließ technische Fragen offen – zum Beispiel, wie technisch sichergestellt werden soll, dass der "Strom aus der Photovoltaik-Anlage [...] zudem vorrangig zum Laden des Fahrzeugs verwendet" wird, wie die Tagesschau schreibt. Vermutlich findet der FDP-Mann für dieses Problem eine technologieoffene Lösung. Bekannt ist jetzt: Ab 26. September kann man Anträge bei der KfW stellen. Die Voraussetzungen: Man muss bereits ein E-Auto besitzen, außerdem ein Haus und keine PV-Anlage. Die 10.000 Euro gibt es nur, wenn man auf einen Schlag Photovoltaik, Speicher und Wallbox kauft.

Mit dieser Entscheidung offenbart der Minister, dass er die Funktionsweise einer Förderung nicht verstanden hat. Er ignoriert schlicht, dass diese Bedingungen Menschen fördert, die bisher eine wirtschaftlich und ökologisch fragwürdige, wenn nicht gar widersinnige Entscheidung getroffen haben: Belohnt wird, wer bisher E-Auto mit Strom aus der Steckdose gefahren ist, obwohl das eigene PV-taugliche Dach nicht genutzt wurde. Das allein ist schon schwer vermittelbar, mal abgesehen davon, dass die Förderung vor allem dem wohlhabenden Teil der Verkehrsteilnehmer zugutekommt: mein Haus, mein Auto, meine PV, mein Speicher. Da hatte sich die FDP in den vergangenen Jahren mühsam aus ihrem Image als Partei der Besserverdiener herausgearbeitet, bevor der Minister in alte Muster verfiel.

Falsch ist auch der Zeitpunkt für das Programm. Denn Wissing fördert mit den bis zu 10.200 Euro vor allem Photovoltaik und Batteriespeicher (die Wallbox macht den kleinsten Teil der Investition aus) und wirft das Fördergeld in einen Markt, der wahrlich kein Nachfrage-, wohl aber ein Angebotsproblem hat. Auch hier hat der Minister sein Werkzeug unzureichend verstanden, denn bei Photovoltaik gibt es aktuell keine schleppende Nachfrage und damit auch nichts zu fördern. Laut Marktstammdatenregister sind im Jahr 2023 über 674.000 Photovoltaikanlagen in Deutschland ans Netz gegangen. Die Fachbetriebe klagen über Personalmangel, nicht über leere Auftragsbücher. Wer jetzt noch 10.000 Euro aus der Staatskasse in den Markt wirft, riskiert schlicht, dass die Anbieter die Preise anziehen.

Falsch ist aber auch das Signal, das das Ministerium mit dieser Förderung sendet: Photovoltaik sei eine förderbedürftige Technik. Dieser Mythos stammt noch aus der Zeit um 2010, als die Einspeisevergütung vom Gesetzgeber hoch angesetzt wurde, um der teuren und jungen Technik den Weg in den Markt zu ebnen. 2023 ist das nicht mehr der Fall – Strom aus Photovoltaik ist im Vergleich zu anderen Energiequellen billig und absolut konkurrenzfähig. Und das haben auch viele Hausbesitzer bereits verstanden: Wer heute eine solche Anlage kauft und den Eigenverbrauch mit einem Speicher erhöht, kauft heute zum Festpreis einen Großteil seines Stroms für die nächsten 25 Jahre.

Photovoltaik ist keine Spielerei für Umweltbewusste, sondern wirtschaftlich sinnvoll. Dass noch nicht alle Dächer von Einfamilienhäusern mit Modulen gedeckt sind, hat zwei Gründe: Auf der einen Seite sind da ältere Hausbesitzer, die sich im Rentenalter gut überlegen müssen, ob sie zum Amortisationszeitpunkt der Anlage noch im Haus wohnen werden. Das zweite Problem sind Hausbesitzer, die aktuell keine 15 bis 20.000 Euro auf der hohen Kante haben und Geld zu aktuell hohen Zinsen bei der Bank besorgen müssen. Für die hätte Volker Wissing ganz ohne Fördergeld etwas tun können: Aktuell bietet die KfW einen "Förderkredit" unter anderem für Photovoltaikanlagen an, jedoch mit Zinsen von 4,72 Prozent zu den Konditionen eines besseren Dispokredits. Wie wäre es mal mit einem echten Förderkredit?

(jam)