Intels Katastrophen-Quartal: Die Luft wird dünn

Das Timing könnte kaum schlechter sein für Intels Chef Pat Gelsinger. CPUs verspäten sich, die Arc-GPUs laufen schlecht, hinzu kommt die Rezession.

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(Bild: Mark Mantel / heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Bei Intel läuft es derzeit alles andere als rund. Die boomende PC-Nachfrage der letzten zwei Jahre kaschierte schon lange bestehende Versäumnisse – und dass Intel auf zu wenigen Standbeinen steht. In der beginnenden Wirtschaftsrezession geht es nun jedoch ans Eingemachte. Im zweiten Quartal 2022 fuhr Intel ein Minus von 500 Millionen US-Dollar ein, was vorher noch undenkbar war.

Eine Analyse von Mark Mantel

Mark Mantel ist seit 2019 Redakteur bei heise online und c't. Er kümmert sich hauptsächlich um die Online-Berichterstattung rund um PC-Hardware, Prozessoren und Halbleiter-Technik.

Das ist Intels drittes Minus-Quartal in diesem Jahrtausend, allerdings das erste, für das die eigenen Produkte hauptverantwortlich sind: Im vierten Quartal 2017 verursachte die US-Steuerreform ein Minus von 687 Millionen US-Dollar, die Intel langfristig jedoch Geld spart. Im zweiten Quartal 2009 musste der Konzern eine Milliardenstrafe wegen einer Benachteiligung AMDs an die EU zahlen, was zu einem Minus von 398 Millionen US-Dollar führte. Der Fall wird derzeit neu aufgerollt.

Im Frühling 2022 litt hingegen Intels Kerngeschäft rund um Prozessoren für Desktop-PCs, Notebooks und Rechenzentren. Die "Client Computing Group" brach um 25 Prozent ein, die Sparte "Datacenter and AI" um 16 Prozent.

Dabei kommen gerade alle Versäumnisse zusammen: Die vierte Xeon-SP-Prozessorgeneration Sapphire Rapids wollte Intel eigentlich schon Anfang 2021 ausliefern; jetzt sieht es bestenfalls nach Ende 2022 aus. Gerüchten zufolge hat Intel das CPU-Design schon sage und schreibe 12 Mal mit neuen Steppings ausgebessert, bevor die Xeons überhaupt in den Verkauf gehen.

Ebenfalls unter massiven Verspätungen leidet die erste Arc-Grafikkartengeneration, die ersten Vorabtests zufolge in Spielen nicht gerade prächtig läuft – auch wegen unausgereifter GPU-Treiber. Im Jahr 2021 wären Krypto-Mining-Farmen noch ein dankbarer Abnehmer für die ganzen Grafikkarten gewesen. Nach den Kursabstürzen im Jahr 2022 muss Intel nun jedoch zusehen, wie man die GPUs loswird. AMDs und Nvidias neue Grafikkartengenerationen Radeon RX 7000 und GeForce RTX 4000 werden das Problem nur weiter verschärfen.

Währenddessen ging Intels letzte Speichersparte rund um Optane den Bach runter. Der Ausbau der eigenen Chipauftragsfertigung für Drittfirmen ist genauso wie die Arc-Grafikkarten eine Wette auf die Zukunft. Der Bau neuer Halbleiterwerke verschlingt erst einmal Dutzende Milliarden von US-Dollar, bevor die Sparte nennenswerte Gewinne generieren kann. Das klappt auch nur durch die großen staatlichen Fördertöpfe der USA und der EU.

Die Investitionen hat Intel laut seinem letzten Geschäftsbericht jetzt zunächst zurückgeschraubt – von geplanten 27 Milliarden US-Dollar auf 23 Milliarden im Jahr 2022. Der Finanzchef David Zinsner spielte das in der Analystenkonferenz herunter: "Es handelt sich fast ausschließlich um eine Reduzierung auf der Equipment-Seite und ein Teil davon ist einfach dem Timing beim Erhalt der Ausrüstung geschuldet."

Selbst Pat Gelsinger – Ingenieur und eingefleischter Geek, wie er sich selbst nennt, und erst Anfang 2021 an die Spitze von Intel zurückgekehrt – schafft es offenbar nicht, die Investoren bei Intel vom ersten Platz zu verdrängen. Denn während die Investitionen sinken, steigen die ausgeschütteten Dividenden kontinuierlich weiter an, selbst im vergangenen roten Quartal – auf 1,5 Milliarden US-Dollar binnen dreier Monate.

Gelsinger steht jetzt ordentlich unter Druck, den aktuellen Fahrplan gegenüber der Firma und den Investoren zu rechtfertigen. Zwar kann er nicht viel für die Verspätungen bei Sapphire Rapids & Co., die Verantwortung muss er aber trotzdem tragen – hoffentlich ohne großen Knall in den nächsten Jahren.

Update

Der vorletzte Absatz wurde zum besseren Verständnis angepasst.

(mma)