Kommentar: Goodbye, kleiner Diesel
In Kleinwagen ist der Diesel fast verschwunden, was nicht verwunderlich scheint, denn so richtig überzeugend war die Kombination nie.
Einen Versuch, Kleinwagen mit Dieselmotoren am Markt zu platzieren, starteten die meisten Hersteller Anfang der 1980er-Jahre: Ganz vorn mit dabei waren die Franzosen und die Italiener, auch Ford bot im zweiten Fiesta ab 1983 einen Selbstzünder an. Opel und VW folgten erst ab 1987 und 1988. Dass sie es überhaupt taten, kann überraschen, denn keinem Hersteller gelang mit dieser Kombination ein Publikumsmagnet - zumindest hierzulande nicht. Am angenehmsten fuhr sich noch der vergleichsweise großvolumige 1,8-Liter-Diesel im Peugeot 205, der später etwas mehr Hubraum bekam.
In der Theorie hatte die Idee einen gewissen Charme, zumindest für Pragmatiker. Schließlich versprach die Kombination aus kleinem Auto und Dieselmotor einen geringen Treibstoffbedarf. Das erfüllten alle: Reale Verbrauchswerte von zum Teil deutlich weniger als 5 Litern waren machbar, was zwei wesentliche Ursachen hatte. Kleinwagen von damals waren noch tatsächlich welche, und das in jeglicher Hinsicht. Sie waren klein und leicht und für heute Verhältnisse dürftig motorisiert. Mit etwa 40 bis 60 PS waren auf der Autobahn enge Grenzen gesetzt. Was nicht weiter schlimm war, denn die Geräuschdämmung, bestehend aus dünnem Blech und manchmal etwas Teppich, legte allen Nicht-Masochisten ein Dauertempo weit diesseits der Richtgeschwindigkeit überdeutlich nahe.
Steuer als Hemmnis
Doch die Tür zum Erfolg schlug vor allem die Politik bald rüde zu. Die sparsamen Dröhn-Gnome wurden ab Ende der 1980er-Jahre mit Steuern belegt, die den Betrieb ziemlich teuer machten, sofern das nicht mit hohen Laufleistungen ausgeglichen wurde. Die sich mangels Komfort kaum jemand antat, wenn er es nicht musste. Daran änderte sich auch später nur wenig: Wer mit einem Auto regelmäßig weite Strecken zurücklegt, wählt nicht vorzugsweise einen Kleinwagen, wenngleich die heutigen komfortabler sind als Mittelklasseautos in den 1980er-Jahren.
Mini Cooper D
Vor zwei Jahren spülten traurige Umstände einen jungen Mini Cooper D in unseren familiären Fuhrpark. Ein seltsames Auto, intern nur "der Rumpelzwerg" genannt. Beim Kaltstart summt der 1,5-Liter-Dreizylinder geschmeidig wie eine Rüttelplatte zum Bodenverdichten, später wird es weniger schlimm. 85 kW sind in der Mini-Hierarchie eher unten einzustufen, doch die Fahrleistungen sind erstaunlich lebhaft. Ein Nachbar meinte gar, er hätte mit seinem üppig motorisierten Ford Kuga Mühe gehabt, der Rumpelzwerg-Hauptnutzerin zu folgen. Was sicher auch der Kombination aus Mini und Fahrerin geschuldet war. Nach zwei Jahren kann ich sagen, die regelmäßig chauffierten Kinder sind in dieser Hinsicht nun vollumfänglich abgehärtet, wer weiß, wofür es gut ist. Der Nachfolger animiert weit weniger zum Sausen, was den Vater beruhigt.
Auf langen Strecken überland lag der Verbrauch des Cooper D zum Teil bei 4 Litern, doch die Langstrecke mag man sich eigentlich kaum antun. Das liegt hier freilich nicht nur an dem stetigen Gebrumm. Unser Mini wurde ab Werk mit einem Sportfahrwerk und einer 205/45 R17-Bereifung versehen. Verbleibendes Federelement im Fahrzeug ist der Sitzbezug. Mancher wird das auf Kurzstrecken unterhaltsam finden, schließlich lässt sich die Büchse damit erstaunlich geschwind um die Ecke schmeißen, sofern die Straße eben ist. Doch schon nach wenigen Kilometern fängt man an, das Zusammenspiel aus Fahrwerk und Rumpel-Diesel als Missklang zu empfinden. Für die Langstrecke ist die Mehrheit aller anderen mir bekannten Autos die geschicktere Wahl.
Teure Nachbehandlung
Der Diesel im Kleinwagen ist aber auch diesseits des einst teuren Minis weitgehend Geschichte. Für die paar Kunden, die das haben wollten, lohnt sich der Aufwand für Entwicklung und Produktion bei der Abgasnachbehandlung nicht mehr. Und der ist beträchtlich, denn ohne Harnstoff-Einspritzung ist die Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM praktisch kaum zu einzuhalten, von der kommenden Euro 7, deren Rahmenbedingungen gerade so aufgeregt diskutiert werden, ganz zu schweigen.
Hinzu kommt, dass der Dieselmotor außerhalb von Westeuropa ohnehin nie ein relevantes Maß an Beachtung bekommen hat. Es findet sich also niemand, der sich für ihn ins Zeug legen würde. Der Abgas-Betrug von Volkswagen hat das Ende des Selbstzünders allgemein – und im Kleinwagen ganz besonders – sicher beschleunigt, gekommen wäre es aber ohnehin. Stellantis gehört zu den Wenigen, die aktuell noch einen Diesel in diesem Segment anbieten, aktuell in Peugeot 208 und Opel Corsa. Die anderen Großen im Segment der Kleinen – Volkswagen mit all seinen Marken, Renault, Ford, Hyundai, Toyota – haben alle resigniert und stellen um. Denn für das Fahrprofil, in dem Kleinwagen oder das, als was heute als solcher bezeichnet wird, meistens bewegt werden, hat der Diesel gegen den E-Motor keine Chance.
Zu teuer schon beim Kauf
Das gilt selbst beim Kauf: Wer einen ähnlichen Ausstattungsumfang wählt, zahlt für einen Corsa-Diesel mehr als für einen Corsa-e. Die Politik, die den batterieelektrischen Antrieb mit gewaltigen Subventionen versieht, betätigt sich also wieder als Bestatter. Es dürfte im Sinne einer Mehrheit sein, nachhaltig ist es ganz gewiss nicht.
Der Rumpelzwerg, meist eingesetzt zwischen Kindergarten und Einkaufsmeile, verpflegte sich in diesem Profil mit rund 5,7 Litern/100 km. Dieser Umstand half, die emotionale Mauer um ihn herum einzureißen und ihn an den Nächsten weiterzureichen, der ihn dann hoffentlich nicht mit ausschließlichen Kurzstrecken quält. Denn trotz aller Härte hat das nicht mal er verdient.
(mfz)