Kommentar: Wasserstoffstrategie – kein "Ja" ohne "aber"

Die Koalition hat ihre Wasserstoffstrategie fortgeschrieben – ein Dokument voller Widersprüche.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 125 Kommentare lesen

(Bild: r.classen / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

In der Fortschreibung der Wasserstoffstrategie soll nun nicht nur wie bisher "grüner", sondern auch Wasserstoff aus fossilem Erdgas gefördert werden. Hat sich hier wieder einmal die FDP mit ihrer "Technologieoffenheit" durchgesetzt, wie etwa die Klimareporter argwöhnen?

Gemach. Liest man sich das Dokument durch, spürt man, dass hier alle Beteiligten solange am Text herumgezerrt haben, bis sich jeder irgendwie wiederfinden konnte. In der Strategie findet sich kaum ein "Ja" ohne "aber", "eventuell", "nach genauer Prüfung", "ausnahmsweise", "unter gewissen Umständen" oder "wenn’s gar nicht anders geht".

Doch zunächst ein paar positive Dinge. Gleich zu Anfang heißt es: "Die direkte Nutzung von Strom (z. B. Elek­tromobilität, Wärmepumpen) ist im Vergleich zur Nutzung von Wasserstoff mit geringeren Umwand­lungsverlusten verbunden und sollte nach Möglich­keit zum Einsatz kommen." Das ist zwar trivial, aber trotzdem schön, dass die Regierung das mal so deutlich hinschreibt.

Auch die Leitlinien für den Wasserstoff-Import (€) gehen in die richtige Richtung: "Der steigende Bedarf an Wasserstoff darf nicht dazu führen, dass lokale Wertschöpfung sowie Klima- und Umweltschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern erschwert oder verhindert werden, oder dass bei Erzeugung und Transport Menschenrechte verletzt werden", heißt es in der Strategie. Natürlich wird sich in der Praxis zeigen müssen, wie standfest diese hehren Ziele sind. Aber es ist schon mal ein gutes Zeichen, die möglichen Konflikte klar zu benennen.

Kommen wir zu den kritisierten Punkten. Zur Verwendung von nicht-grünem Wasserstoff heißt es: "Um die erwarteten Bedarfe zu decken und so die technologische Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen, werden, zumindest bis ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, auch andere Farben von Wasserstoff genutzt werden" – also auch "blauer" und "türkiser". Allerdings wolle man sie nur in "begrenztem Umfang unter Berücksichtigung von ambitionierten THG-Grenzwerten, einschließlich der Emissionen der Vorkette sowie der Erhaltung des gesetzlichen Ziels der Kli­maneutralität" fördern. Das klingt nicht so, als würde dem Erdgas-Wasserstoff nun Tür und Tor geöffnet.

Ähnliches auch beim Thema E-Fuels. Diese seien "insbesondere im Bereich des Luft- und Schiffverkehrs und für Spezialanwendungen, etwa im militärischen Bereich, erforderlich", heißt es im Regierungspapier. Wenn Bundesautoverkehrsminister Volker Wissing daraus ableiten will, dass E-Fuels auch für PKW eine Option bleiben wird, wird er dafür ziemlich viel Fantasie brauchen.

Das Gleiche gilt für Wasserstoff bei Hausheizungen. "Im Wärmebereich wird bis 2030 keine breite Anwendung gesehen, allerdings soll auch die Umnutzung von Gasverteilnetzen auf Wasserstoff sowie der Einsatz dezentraler H2-Kessel rechtlich und technisch ermöglicht werden", heißt es einer Stelle. Eine weitere Passage klingt noch deutlich vager: "Ob die Umrüstung von Erdgasverteilnetzen auf Wasserstoff und deren Betrieb für diese Nachfragemengen wirtschaftlich sinnvoll ist, ist zu prüfen." Und: "Allgemein wird der Einsatz von Wasserstoff in der dezentralen Wärmeerzeugung nach derzeitigem Erkenntnisstand eine eher nachgeordnete Rolle spielen." Das alles hört sich an, als habe man die Anwendung nur des lieben Friedens willen im Paper erwähnt.

Natürlich lässt eine Strategie, die in derart viele Richtungen offen ist, kluge wie dumme Schritte gleichermaßen zu. Nimmt man sie aber beim Wort, dürfte es schwer werden, daraus eine Rechtfertigung für die Verschwendung von Wasserstoff bei PKWs oder Hausheizungen zu konstruieren.

Trotzdem ist es nicht ungefährlich, solche Anwendungen zumindest als hypothetische Option immer wieder mitzuschleppen. Dies suggeriert den Bürgerinnen und Bürger, dass sie sich beim Heizen oder beim Autofahren nicht allzuviel umstellen müssen, denn früher oder später kommt der Wasserstoff um die Ecke, und alles wird gut. Doch dazu wird es nicht kommen. Daran ändert auch die neue Wasserstoffstrategie nichts.

(grh)