Pro & Contra: Sollte Apple die AirTags einstellen?

In letzter Zeit häufen sich Berichte über den Missbrauch der kleinen Bluetooth-Tracker. Mancher meint, Apple müsse die Büchse der Pandora wieder schließen.

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Pro & Contra AirTags
Lesezeit: 4 Min.

Mit AirTags lässt sich der verlorene Schlüssel oder der verlegte Geldbeutel schnell orten. In Städten funktioniert das meist metergenau: AirTags nutzen iPhones in der Umgebung, um den Standort verschlüsselt an Apples Server zu übermitteln. Die Tags sind klein, billig und autark, die Batterie hält mehr als ein Jahr lang durch. Polizei- und Medienberichten zufolge haben auch Stalker und Diebe die Vorzüge erkannt und setzen AirTags missbräuchlich ein.

Das räumte zuletzt auch Apple selbst ein, die Vorfälle seien aber „selten“. Zugleich musste der Hersteller bei den Anti-Stalking-Funktionen bereits zweimal nachjustieren, weitere Verbesserungen wurden in Aussicht gestellt. Aber kann das ausreichen oder ist das Missbrauchspotential zu groß und sollte Apple deshalb die Notbremse ziehen?

Ben Schwan meint, dass Apple sich die weitere Verbreitung der AirTags grundsätzlich überlegen sollte.

Als ich das erste Mal mit den AirTags zu tun hatte, fand ich sie wunderbar. Das Konzept und die Umsetzung: praktisch und magisch, sie funktionieren einfach. Das Design, das sogar eine Austauschbatterie vorsieht: cool und nützlich. Der Preis: für ein Apple-Produkt geradezu unfassbar günstig. Also kaufte ich mir selbst eine kleine Sammlung AirTags, versah sie sogar mit schicken Anhängern. Dennoch beschlich mich kurze Zeit später ein mulmiges Gefühl.

Daran ist Apple schuld. Denn der Konzern scheint nicht bedacht zu haben, was es bedeutet, ein derart ausgeklügeltes Gerät zum Spottpreis in einen Massenmarkt zu werfen: Er hat ein in Städten metergenaues Stalking-Tool geschaffen, das fast nichts kostet. Das scheint den Machern in Cupertino erst langsam aufgegangen zu sein. Fast panisch rüsteten sie technische Maßnahmen nach, mit denen Nutzer unerwünschte AirTags in ihrer Umgebung auffinden konnten. Trotzdem wurde ein Stalking-Vorfall nach dem anderen bekannt – vom böswilligen Ex bis zum Autodieb, der seinen Opfern immer auf den Fersen blieb.

Dass Apple kürzlich die Warndialoge auf dem iPhone nachgeschärft und für Android eine Erkennungs-App veröffentlicht hat, reicht nicht aus. Die Maßnahmen werden bald relativ nutzlos sein, wenn sich die AirTags derart rasant weiterverbreiten, wie sie es aktuell tun: Wie soll ich denn bitte in der Stadt den AirTag erkennen, der gerade mich stalkt, wenn es viele um mich herum gibt? Hinzu kommt, dass die erleichterte Auffindbarkeit nicht nur Stalking-Opfern hilft, sondern auch technisch fitten Dieben das Deaktivieren von AirTags erleichtert. Damit reduziert sich die Sinnhaftigkeit als Tracker auf null, die Gefahr überwiegt – denn als reine „Ich hab’ da was verloren“-Helferlein sind die Geräte schlicht zu mächtig. (bsc)

Sebastian Trepesch findet, dass Apple sein „Wo ist?“-System sogar noch ausbauen sollte.

Küchenmesser sind für das Kochen gedacht. Dennoch wurden sie schon als Mordwerkzeug missbraucht. Haben Sie deshalb mal gefordert, deren Verkauf einzustellen? Sicher nicht. Wenngleich ein Messer zweckentfremdet werden kann, liefert seine eigentliche Bestimmung die Daseinsberechtigung. Nicht das Messer, sondern der Täter mordet. Nicht der Drucker, sondern der Betrüger bringt Falschgeld in Umlauf. Nicht der Laptop, sondern der Hacker schleust Trojaner in fremde Netze ein.

Sicher kann man eine derartige Argumentationslinie nicht auf alles anwenden. Dennoch übernehmen auch die AirTags im Auffinden von verloren gegangenen und gestohlenen Gegenständen eine sinnvolle Funktion (siehe AirTags im Test: Wie sich Apples Schlüsselfinder im Alltag schlägt ). Schutzmechanismen gegen Stalking sind vernünftig: Den Besitzer informieren, dass Stalking eine Straftat ist. Nach wenigen Tagen einen Warnton auf dem AirTag ausgeben. Behörden unterstützen, über die Seriennummer eines Trackers den Täter ausfindig zu machen. Das alles macht Apple. Und das ist weit mehr, als Konkurrenzhersteller (deren Produkte allerdings weit schlechter funktionieren) unternehmen.

Wenn Sie mich fragen, sollte Apple die Produktpalette eher noch ausbauen und die „Wo ist?“-Technik anderen Firmen angepasst zur Verfügung stellen. Einen Fahrradflaschenhalter, E-Roller-Akku oder Reisekoffer mit fest integriertem AirTag kann kein Stalker einer Person unbemerkt unterjubeln. Derartige Produkte müssten nie einen Warnton ausgeben und leisten dadurch noch mehr Gutes, nämlich Diebe besser zu überführen. Weitere Restriktionen schränken die AirTags unnötig ein. Es wird immer Menschen mit krimineller Energie geben, die Produkte missbrauchen. Deshalb muss man die Technik nicht gleich einstellen. Nicht der AirTag, sondern der Stalker überwacht. (tre)

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