Streitgespräch: Ist der Mond ein Planet?

Seite 2: "Die Monde sind da nur ein Kollateralschaden."

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Aber hat diese Definition einen Wert?

MB: Nein. Genau diese Argumente hörten wir vor 13 Jahren und wiesen sie damals schon zurück. Man beachtet sie nur, weil viele Leute es heldenhaft finden, dass sich jemand für den Pluto einsetzt. Aber die neue Definition ist wertlos, weil sie das Sonnensystem ignoriert. Für manche spielen Klassifikationen generell keine Rolle, doch ich halte das Gegenteil für richtig: Durch die Klassifikation von Objekten definieren sich erst die Fragen, die man über diese Objekte stellt.

Die Frage, die wir uns im Sonnensystem stellen, lautet: Wie entstanden die Planeten? In dieser Frage geht es nicht um Monde oder winzige Himmelskörper, sondern wir trennen die Planeten bewusst von den kleinen Körpern. Und dann fragen wir uns: Warum gibt es Planeten und kleine Körper? Warum gibt es Monde? Kein Mensch fragt sich, warum es runde Objekte gibt, weil wir die Antwort auf diese Frage längst kennen – nämlich wegen der Gravitation. Aber Alan hat jetzt immerhin endlich zugegeben, dass die neue Definition auch den Mond einschließt. Jahrelang wollten sie ja beides haben und sagten: "Alles Runde ist ein Planet, abgesehen von Monden." Und ich entgegnete immer: "Wenn es egal ist, was es ist – warum ist der Mond dann kein Planet?" Jetzt müssen sie eingestehen, dass der Mond ihrer Definition nach ein Planet ist. Damit wird die Sache lächerlich. Niemand auf unserem Planeten ist traurig, weil der Mond vor 500 Jahren nicht zum Planeten erklärt wurde. Es wäre verrückt, darüber weiter zu diskutieren.

Collage von Pluto mit seinem seinem Mond Charon, aufgenommen von New Horizons

(Bild: NASA)

AS: In Wahrheit ähnelt die neue Definition sehr der von Sternen, Asteroiden, Galaxien und anderen Objekten im All. Es gibt Satellitengalaxien, die Galaxien sind, es gibt Begleitasteroiden, die wir Asteroiden nennen, und Doppelsterne, die beide Sterne sind. Auch wenn einer den anderen umrundet und vielleicht kleiner ist als der andere, sind beide für uns Sterne. Und diese großen runden Welten mit weiten Oberflächen gelten eben als Planeten. Am besten an dieser Definition gefällt mir, dass sie so gut mit anderen Klassifikationsschemata abgestimmt ist: Asteroiden können Asteroiden umkreisen, Sterne können Sterne umkreisen, und – siehe da! – Planeten können Planeten umkreisen.

Was halten Sie von dem Argument, dass für die Hochstufung eines Mondes entscheidend sein könnte, ob er andere Planeten und nicht nur die Sonne umkreist?

MB: Auch das würde den Mond einschließen, ebenso wie vier Jupitermonde und zumindest Titan, wenn nicht überhaupt viele der Saturnmonde. Es gäbe plötzlich ein Dutzend oder mehr Monde, die man Planeten nennen muss. Komisch – wenn es so wichtig wäre, dass Monde Planeten sein sollen, warum kam man dann erst nach der Herabstufung Plutos darauf? In Wirklichkeit geht es gar nicht darum, dass Monde Planeten sind, das ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Und der ergibt sich aus dem ebenso nostalgischen wie verzweifelten Versuch, den Pluto wieder zu einem Planeten zu machen. Die Monde sind da nur ein Kollateralschaden.

Eines der Argumente gegen die Definition von 2006 lautet, dass sie nur Objekte anerkennt, die um die Sonne kreisen…

AS: Ja, weil diese Definition Planeten um andere Sterne und frei im All kreisende Objekte ausschloss. Unsere Definition bezieht all das auf sehr einfache Art ein.

MB: Dieser Teil der Definition wird oft falsch zitiert – meiner Meinung nach bewusst. In der IAU-Definition geht es nur um Planeten in unserem Sonnensystem, weil wir über Himmelskörper in anderen Systemen einfach zu wenig wissen. So vernünftig das ist, so vorsätzlich wurde es missverstanden: "Die behaupten ja, dass es nur Planeten um unsere Sonne gibt und nicht um andere Sterne!" Damit will man die Menschen nur verwirren.

Die erste Mondlandung (15 Bilder)

Der Start

Am 16. Juli 1969 hatte eine Saturn V die drei Astronauten in Richtung Mond geschossen.
(Bild: NASA)

Ein weiteres Argument gegen die IAU-Definition besagt, dass kein Planet im Sonnensystem seinen Bahnbereich räumen kann, weil es dort immer wieder auch kleine kosmische Körper gibt. Ist das berechtigt?

MB: Auch das ist wieder nur Verwirrungstaktik. Die Astronomen, die über die Definition von Planeten abstimmten, wussten klarerweise, wovon sie sprachen. Mit der Räumung des Orbits bezogen sie sich eindeutig nur auf größere Körper – dass es immer auch kleinere geben wird, ist ja logisch. Ich gebe zu, dass die Definition schlecht formuliert ist, aber das Konzept dahinter ist grundsolide. Man versucht jetzt nur, die Definition zu zerlegen, damit Pluto wieder als Planet anerkannt wird.

AS: Wie man weiß, wird die Erde von erdnahen Asteroiden umgeben. Der Jupiter hat seine Trojaner, und Pluto kreuzt die Bahn von Neptun. Wenn man die IAU-Definition wörtlich nimmt – was wir in der Wissenschaft tun, weil wir genau sein müssen –, zeigt sich ihr großer Mangel schon hier: Sie schließt alle Planeten im Sonnensystem aus, weil es nicht einen gibt, in dessen Umgebung keine anderen Objekte existieren. Wir versuchen nur, die schlechte Arbeit der IAU auszubügeln.

Vor der Entscheidung im Jahr 2006 gab es den Vorschlag, zwölf Planeten anzuerkennen. Damit wäre Pluto ein Planet geblieben, und man hätte Ceres, Eris und Charon hochstufen müssen. Hatte dieser Vorschlag etwas für sich?

MB: Das war nichts als ein seltsamer und verworrener Versuch einer Definition, um den Planetenstatus von Pluto zu erhalten. Ich war schon deshalb unglücklich damit, weil man so getan hat, als bedeute diese Definition keine große Veränderung. Sie behaupteten, dass runde Objekte Planeten seien – dies aber nur Pluto, Charon und Eris betreffe. Damit ignorierten sie die anderen 200 bekannten runden Objekte im Sonnensystem, weil die Menschheit das dann doch etwas schockierend gefunden hätte. Sie hatten also eine Definition, an die sie nicht genug geglaubt haben, um die Konsequenzen daraus zu ziehen. Der Entscheidungsprozess hätte ganz anders laufen können, wenn man nicht so viele Fehler dabei gemacht hätte, ihn zu beeinflussen. Im Endeffekt waren die zuständigen Leute einfach von den verzweifelten Versuchen genervt, Pluto einen Planeten bleiben zu lassen. Sie wollten nur noch eine wissenschaftlich korrekte Definition festlegen und sich endlich von dieser lästigen Pluto-Nostalgie verabschieden.

AS: Die IAU hat ganz einfach ein Komitee von Experten auf ihrem Gebiet zusammengestellt, die hart arbeiteten. Sie mussten sich nicht verbiegen oder falsche Schlüsse vertreten, sondern gelangten zu einer Definition, die im Endeffekt sehr der geophysikalischen Definition eines Planeten ähnelt, die wir vorschlagen.