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Was war. Was wird.

Ja, der Bundestrojaner ist ein Haufen gefährlicher Mist. Nein, weder hat Bob Dylon den Literaturnobelpreis noch Helmut Kohl den Friedensnobelpreis bekommen. Hal Faber sucht aber immer noch nach Worten - aus anderem Anlass.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich – und diesmal eine besondere Rück- und Vorschau, aus besonderen Anlass.

Was Jobs war.

*** Ja, der Bundestrojaner ist ein Miststück von Software, das in jeder Hinsicht das vom Bundesverfassungericht postulierte Computer-Grundrecht verletzt. Aber darum geht es heute nicht. Und nein, Bob Dylan hat es nicht geschafft. "Ich kann dich nicht mehr spüren, kann nicht mal mehr die Bücher anfassen, die du gelesen hast," ist eine andere Lyrik, preisunverdächtig. Immerhin ging Abba leer aus, als ein alter Schwede gewann. Aber darum geht es heute auch nicht.

One of my role models is Bob Dylan. As I grew up, I learned the lyrics to all his songs and watched him never stand still. If you look at the artists, if they get really good, it always occurs to them at some point that they can do this one thing for the rest of their lives, and they can be really successful to the outside world. (Steve Jobs, 1997)

*** Der Buddhist Steve Jobs hat eine weitere Phase seines Lebens gemeistert. Sein Weg ist für uns nicht mehr verfolgbar, ob es ein engelsgleicher Deva mit Flügeln seine Güte aufnimmt, weiß nur Franz-Josef Wagner. Man muss den Wanderungen eines großen Geistes keinen weiteren dieser von Fehlern strotzenden Nachrufe hinterherschicken, die Jobs verklären. Auch die Freude eines Richard Stallman über das Ende seines Einflusses bei Apple hat eine schäbige Note und ist von einer Kleinkariertheit, die Freie Software nicht nötig haben sollte. Ob damit die FSF am Ende ist, ist freilich eine andere Frage. Ein guter Freiheits-Freund hat es weit besser auf den Punkt gebracht: Wir alle haben die Freiheit, unser Bestes zu geben oder auch nicht.

When I went to school, it was right after the Sixties and before this general wave of practical purposefulness had set in. Now students aren’t even thinking in idealistic terms, or at least nowhere near as much. They certainly are not letting any of the philosophical issues of the day take up too much of their time as they study their business majors. The idealistic wind of the Sixties was still at our backs, though, and most of the people I know who are my age have that ingrained in them forever. /../ That was a time when every college student in this country read Be Here Now and Diet for a Small Planet – there were about ten books. You’d be hard pressed to find those books on too many college campuses today. I’m not saying it’s better or worse; it’s just different – very different. In Search of Excellence [the book about business practices] has taken the place of Be Here Now. (Steve Jobs, 1985)

*** Neben dem Whole Earth Catalogue und seiner auf der Rückseite gedruckten Mahnung "Stay hungry, stay foolish" war das Buch Be Here Now (Sei hier jetzt) die prägendste Erfahrung für Steve Jobs. Unter seinem Eindruck kauften er und Dan Kottke Flugtickets nach Indien, um ihre eigene Baba-Experience, ihre Erleuchtung zu erleben. Anstelle des Babas erlebten sie einen Betrüger, einen homosexuellen Baba-Imitator. Der eigentliche Kulturschock traf die Reisenden erst nach ihrer Rückkehr in Amerika: Sie bemerkten, dass die 60er vorbei waren.

As it was clear that the Sixties were over, it was also clear that a lot of the people who had gone through the Sixties ended up not really accomplishing what they set out to accomplish, and because they had thrown their discipline to the wind, they didn’t have much to fall back on. Many of my friends have ended up ingrained with the idealism of that period but also with a certain practicality, a cautiousness about ending up working behind the counter in a natural??food store when they are 45, which is what they saw happen to some of their older friends. It’s not that that is bad in and of itself, but it’s bad if that’s not what you really wanted to do. (Steve Jobs, 1985)

*** Es ist nicht das Schlechteste, hinter dem Tresen in einem Bioladen zu stehen, wenn man dies wirklich möchte. Es ist das Schlimmste, wenn man seine Träume begraben hat, die Disziplin nicht hatte und dem idiotischen Wind der Zeiten nachgegeben hatte. Steve Jobs war ambitioniert und fand das Mittelmäßige schrecklich, die Selbstbeschränkung im Juste-Milieu die Hölle. Seine Ambition, das Herumgehen als Bittsteller zu den Ingenieuren und Designern, das Beste aus sich herauszuholen, machte ihn zu einem Unbequemen.

Come writers and critics who prophesize with your pens And keep your eyes wide the chance won't come again And don speak too soon for the wheel's still in spin And there's no tellin' who that it's namin' For the loser now will later to win For the times they are a-changin' (Bob Dylan, 1963)

*** Mit diesen Zeilen, in dieser Form von Steve Jobs aufgeschrieben, sollte nach seinen Vorstellungen der Apple Macintosh eingeführt werden, als Produktionstool für die neue Klasse der "Knowledge Worker", wie es Apples Werbetexter und Drucker-Fan Mike Murray formulierte. Doch was dann 1983 auf einer Konferenz für Apple-Verkäufer im Sheraton Waikiki nach einer umgedichteten Version von Flashdance (We are Apple, Leading the Way, We are Apple, And we're making a better new day!) von Jobs präsentiert wurde, war der Hammer schlechthin und präsentierte Apple als die einzige Hoffnung, die Freiheit der Computerhändler gegen IBM zu verteidigen.

*** Wer die IT-Geschichte kennt oder alternativ diesen Blick auf die erste Serie fehlerhafter Nachrufe geworfen hat, weiß um den Rausschmiss von Jobs bei Apple, nachdem dieser den Pepsi-Manager John Sculley an Board geholt hatte, angeblich mit den Worten: "Do you want to spend the rest of your life selling sugared water or do you want a chance to change the world?" Sculley wollte weiter Zuckerwasser verkaufen, entsprechend war das Management: Die Pläne von Jobs und Fred Smith von Federal Express, den Mac direkt auszuliefern, mit Mac-Fabriken mit eigener Landebahn, auf der jeden Mittag eine 747 eintrudelte, um die bestellten Rechner direkt in das Verteilzentrum nach Memphis zu fliegen, fand Sculley alarmierend. Er wollte den Frito-Lay-Weg gehen, die mit ihren Kartoffel-Chips die dominierende Marke in den Regalen der Supermärkte waren. Nicht einmal zwei Wochen brauchte Frito-Lay, um einen neuen Chip-Geschmack zu produzieren, zu testen und in der ganzen USA zu verteilen. Unter Sculley gab es bald bis zu 19 verschiedene Apple-Rechner im Angebot. Apple verzettelte sich.

*** Bekanntlich wurde Jobs zurückgeholt, als Special Advisor, komplettiert mit dem Kauf von Next. Das Leben im Reality Distortion Field ging weiter, und es war schön:

It was like the first adult love of your life, something that is always special to you, no matter how it turns out. /../ 'Joining Apple fulfills the spiritual reasons for starting Next. (Steve Jobs, 1997 im Interview)

*** Die Rückkehr hatte ihre Vorteile wie Schattenseiten. Steve Jobs vernichtete den Newton, der eine Herzensangelegenheit von John Sculley gewesen war. Gleichzeitig bildete die Newton-Technik, die Anteile an der ARM-Entwicklung und das Knowhow zum Stromsparen das Fundament, das Apple zum iPhone ausbauen konnte, dem erklärten nächsten Wurf von Steve Jobs. Als Jobs Apple 1985 verlassen musste, hatte er gerade Gespräche mit AT&T geführt, wie ein Mac mit einem Telefon so integriert werden konnte, dass das Telefon und nicht der Mac überflüssig wird. Die alte Idee wurde von einem kreativen Team neu belebt, während Jobs für schick designte Sachen wie den iMac Lob einfuhr, die lange vor seinem Wiedereinstieg entwickelt worden waren. Das Lob nutzte er weidlich, um gar nicht zimperlich auf ungeliebte unkreative Konkurrenten loszugehen, wofür ihm heute noch die Computerwelt dankbar ist. Der Kaiser ist nackt, das klang in Jobs' Version so:

The only problem with Microsoft is they just have no taste, they have absolutely no taste, and what that means is - I don't mean that in a small way I mean that in a big way. In the sense that they they don't think of original ideas and they don't bring much culture into their product ehm and you say why is that important - well you know proportionally spaced fonts come from type setting and beautiful books, that's where one gets the idea - if it weren't for the Mac they would never have that in their products and ehm so I guess I am saddened, not by Microsoft's success - I have no problem with their success, they've earned their success for the most part. I have a problem with the fact that they just make really third rate products. (Steve Jobs 1996 in Triumph of the Nerds)

*** Microsoft hat ähnlich wie Google und Samsung diesmal stilsicher reagiert und die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Bill Gates mag etwas kurz angebunden klingen, weil eine jüngst erlittene Niederlage sein Anliegen torpedierte: Steve Jobs weigerte sich bis zum Schluss, der Menschheit Gutes im Stil von Gates und Buffet zu tun. Entsprechend knallig fallen nun die Meldungen aus, während sich die Wissenschaft über die von Jobs propagierte Alternativmedizin einen hübschen Infight liefert.

Was Jobs wird.

No one wants to die. Even people who want to go to heaven don’t want to die to get there. And yet death is the destination we all share. No one has ever escaped it. And that is as it should be, because Death is very likely the single best invention of Life. It is Life’s change agent. It clears out the old to make way for the new. Right now the new is you, but someday not too long from now, you will gradually become the old and be cleared away. Sorry to be so dramatic, but it is quite true. (Steve Jobs 2005 in Stanford)

Jeder Tod macht Platz für Neues: "Unser Tod ist der letzte Service, den wir der Welt leisten können: würden wir nicht aus dem Weg gehen, würden die uns folgenden Generationen die menschliche Kultur nicht wieder frisch erstellen müssen." Ist es bemerkenswert, dass der Gedanke des Buddhisten Steve Jobs dem des Juden Joe Weizenbaum ähnelt oder ist es der allfällige Normaltrost, den alle Religionen und selbst die Atheismen bereithalten? Philosophen werden sich an dieser Stelle fragen, warum die großartigste Antwort vom großen Samsara aus dem durch und durch säkularisierten China kommt, dass eigentlich jeden Lama bekämpft und nur die kommende Wiedergeburt des Dalai Lama fördert. In China geht es um die ewigen Wiederkehr des Apfels. Eva, Newton, Jobs, es wird nicht der letzte Apfel der Menschheit sein:

There are only three apples in the world, one with Eve, one with Newton, and the last one with Jobs

Das letzte Wort aber gehört hier dem großartigen Stephen Fry:

If the unprecedented and phenomenal success of Steve Jobs at Apple proves anything it is that those commentators and tech-bloggers and "experts" who sneered at him for producing sleek, shiny, well-designed products or who denigrated the man because he was not an inventor or originator of technology himself missed the point in such a fantastically stupid way that any employer would surely question the purpose of having such people on their payroll, writing for their magazines or indeed making any decisions on which lives, destinies or fortunes depended. (jk)