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Was war. Was wird. Mit Lob der niedersächsischen Tiefebene - und des Wählens

Wie niedlich! Da sind sich aber nicht alle Niedersachsen einig, gibt Hal Faber zu. Dafür erfreuen sie sich am Wählen - und an der lebenswertesten Stadt der Welt

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Welches Schäflein hätten's denn gerne? Die Qual der Wahl ist ja in Wirklichkeit eine Freude, man muss sich den Wähler als glücklichen Menschen vorstellen. Was sich alle hinter die Ohren schreiben sollten, die mal wieder auf den starken Mann hoffen.

(Bild: AB Photographie / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** In der norddeutschen Tiefebene, organisatorisch als Niedersachsen benamst, wird heute gewählt. Aus diesem Anlass finden sich viele Artikel in den Zeitungen, die sich über Hannover lustig machen, die Hauptstadt der Ballflachhalter.

Auch das ist Hannover, ja, ja.

Da ich unweit der Eilenriede (größter Stadtwald Europas mit 640 Hektar, hach) geboren wurde, muss ich ein paar Vergleiche anstellen, wie aufregend Hannover ist. So im Vergleich zu Berlin. In Berlin gehört dem windigen Finanzier Lars Windhorst mehrheitlich ein Fußballverein, der unten in der Tabelle krebst. Noch, denn Windhorst will seine Anteile verkaufen, nachdem bekannt wurde, dass er den Verein von einer israelischen Firma ausspionieren ließ. In Hannover gehört ihm das schicke Ihme-Zentrum, ein Bau im Geiste der 70er-Jahre. Und was heißt schon "gehört", da hat der Spiegel (wie die c't und heise online in Hannover gegründet, hach) hinter seiner schicken Paywall viele Zweifel angemeldet. Unentschieden, also muss ich eine Schippe drauflegen. In Hannover hat Leibniz das binäre Zahlensystem entwickelt, mit dem Computer werkeln und das Querdeppen komplett um den Verstand bringt. Ok, auch in Berlin gab es ein Binär-System, das der Mathematiker Abel Burja für seinen optischen Telegraphen entwickelt hatte. Es setzte sich nicht durch. Unentschieden? Jetzt aber kommt's: In Hannover wählt man mit Erst- UND Zweitstimme zwischen Weil und Althusmann und wird pünktlichst um 18:00 die Wahllokale schließen. Sagenhaft. In Berlin wählen sie bald nur in 300 Wahllokalen und nur mit der Zweitstimme, weil zuvor ausgekungelt wurde, dass alle Stimmen bei der ersten Wahl bis 18:45 "gültig" sind. Und niemand schämt sich über das Verfahren, das zeigt, warum Politikerinnen und Politiker nicht über ihre eigene Wahl befinden sollen. Vorteil Hannover, hoffentlich. Und dann noch diese steile These aus der gastronomischen Feldforschung: Niedersachsen hat mehr Griechen als Berlin Döner-Buden! Am Ende wird es doch auf ein Unentschieden herauslaufen, wie bei der seltsamen Bahn-Sabotage. In Hannover und Berlin standen die Züge still, angeblich sogar in ganz Norddeutschland, wenn man Meckpomm ausblendet, wie es häufig geschieht. Angeblich reichte es aus, zwei Kabel zu zertrennen, um den Großschaden zu produzieren. Das nennt man wohl eine redummdante Installation einer wirklich kritischen und klimafreundlichen Infrastruktur.

*** Was nun herauskommt bei diesen Wahlen in Niedersachsen, wissen wir heute Abend. In Hannover, der, wie ich nicht müde werde zu betonen, lebenswertesten Stadt der Welt und Perle der norddeutschen Tiefebene, haben wir ja schon einen grünen Oberbürgermeister. Für einen grünen Ministerpräsidenten wirds aber wieder nicht reichen, diese Prognose wage ich mal. So hat die Wahl was von der Frage: "Irgendwas mit Drachen" oder "Sturm und Drang ganz ohne Klassiker"? Darauf gibt's ja eh nur eine richtige Antwort: "Lower Decks"! Was immer das nun metaphorisch für den Ausgang der Niedersachsenwahl bedeuten mag.

*** Doch hat dieser schöne Sonntag viel mehr zu bieten. Schließlich ist heute der Weltposttag, mithin ein Datum, das gebührend gewürdigt werden muss mit einem Brief an, hmm, hmm, öch. Darf es doch lieber ein Tweet sein, in dem es um Liebe geht? Schließlich wurden in dieser Woche beim vorläufig gestoppten Prozess die Tweets von Elon Musk veröffentlicht, die er mit seinem Mit-Milliardären wie Larry Ellison teilte. Der wollte sich am Kauf von Twitter mit einer Milliarde beteiligen und bekam prompt von Musk die Antwort, ob es nicht noch ein Milliärdchen mehr sein könnte. Und alles liest sich wie ein Schrei nach Liebe des Mannes, der kein guter Vater ist: "Ich werde überall geliebt werden, denn es ist so einfach, jedem auf Twitter zu gefallen." In der Dokumentation finden sich zahlreiche Vorschläge, die Wokeness auf Twitter zu zensieren, die diesen Social-Media-Dienst umflort. Twitter wird von Musk-Fans so beschrieben: "But it's very easy to exploit and is being used by radicals fpr social engineering on a large scale. And this shit is infecting the world. Please do something to fight woke-ism." Natürlich fehlt auch der Verlags-Stratege Mathias Döpfner nicht, der Musk den Kauf von Twitter schmackhaft macht und dazu schreibt: "We run it for you. And establish a true platform of free speech. Would be a real contribution to democracy." Ja, das wurde geschrieben, bevor der Verlag "vor der unerträglichen Tyrannei der woken Aktivisten" einknickte. Apropos Einknicken: nach Musks Vorschlag einer Verhandlungslösungslösung zwischen Russland und der Ukraine ist die propagierte Freizone von Taiwan die nächste Idiotie eines überschätzten Mannes.

*** Was bloß mit diesem Woke-ismus los ist. Die einen verabscheuen das Ideologem, die anderen finden es dufte. Nehmen wir nur Carlo Masala, laut taz einer der bekanntesten Twitterer Deutschlands, der als Militärfachmann formuliert: "Ich will eine Bundeswehr, die woke im besten Sinne des Wortes ist, wehrhaft und bis an die Zähne bewaffnet. Ich will eine wehrhafte Demokratie, und ich will auch eine Armee, die die Diversität dieser Gesellschaft widerspiegelt." Eine Armee, die die Diversität widerspiegelt, aber auch kämpfen kann, ist nach Ansicht von Masala nicht mit dem "Durchlauferhitzer Wehrpflicht" zu bekommen, deshalb macht er einen anderen Vorschlag: "Ich bin dafür, dass diejenigen, die hier geboren wurden, aber keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, rekrutiert werden können. So eine Art Modell wie in den USA. Verpflichte dich für X Jahre, und du gehst raus mit einem deutschen Pass. Das ist der richtige Weg. Wir würden die Bundeswehr zu einer wesentlich größeren Integrationsmaschine machen, als sie ist." Man kann schon hören, wie in einem demokratieverteidigenden Verlag die Messer gewetzt werden. Auch nett: Das Interview mit dem Bundeswehr-Professor ist in der Ausgabe abgedruckt, die sich ausführlich mit den Preisträgern des Friedensnobelpreises beschäftigt und, um einen Tag verspätet, Wladimir Putin zum 70. Geburtstag gratuliert. Was wiederum ganz passend ist, weil das Putin-Geburtstagspäckchen an der Krim-Brücke leicht verspätet zu einer verkehrsarmen Uhrzeit ausgeliefert werden wurde. Da hatte die Katze, das Maskottchen der Krim-Brücke, Putin gratuliert und eine Gesundheit gewünscht, so stark und kräftig wie die Krim-Brücke. Davor gab es Früchte und einen Gutschein für eine Traktorfahrt.

Ein Geburtstagsgeschenk der anderen Art hatte US-Präsident Joe Biden für seine datensammelnden Landsleute parat. Er unterzeichnete eine Order für einen neuen Privacy Shield zum Datenaustausch zwischen der EU und den USA. Liest man die präsidiale Order, so soll die "signals intelligence" im Sinne der Massenüberwachung von Daten sich strikt an die Erfordernisse der nationalen Sicherheit halten und die bürgerlichen Rechte aller Personen unabhängig von ihrer Nationalität und dem jeweiligen Aufenthaltsland garantieren. Doch das Datenschutzgeschenk ist problematisch, weil nach wie vor "bulk surveillance" erlaubt ist, wenn sie "verhältnismäßig" ist. Wie dieser Begriff mit Leben gefüllt wird, ist unklar. Es wird wohl auf eine Schrems-III-Klage hinauslaufen, wie es bereits angedeutet wird: "Es scheint, als hätten sich die EU und die USA zwar darauf geeinigt, das Wort 'verhältnismäßig' in ein US-Dokument zu kopieren, aber nicht darauf, dass es dieselbe rechtliche Bedeutung haben soll. Laut US-Vertretern sollen die Worte nun eine (nicht weiter definierte) 'amerikanische Bedeutung' haben. Hätte der Begriff tatsächlich die europäische Bedeutung, müssten die USA ihre Massenüberwachungssysteme grundlegend einschränken - was nicht geplant ist." Wo Europa von unverhältnismäßiger "bulk surveillance" ausgeht, kann ein US-Dienst von einem verhältnismäßigen Subset an Daten sprechen, die man abgreifen möchte. Ob damit wirklich ein ordentlicher Pivacy Shield aufgezogen wird, ist noch nicht absehbar, auch weil eine präsidiale Order kein Ersatz für ein richtiges Gesetz ist. So ist der dritte Akt im Datenschutz-Theater recht unbefriedigend zu Ende gegangen. Nach einer kleinen Umbaupause geht es weiter. Wer mehr Spannung sucht, kann übrigens ein anderes Stück angucken, dass bald am VD-Corral stattfinden wird: "Es dürfte auf einen Showdown zwischen Nancy Faeser und ihrem Kabinettskollegen Marko Buschmann (FDP), dem Bundesjustizminister hinauslaufen.

Hat erstmal nicht viel genutzt.

(jk)