Internet-Abschaltung: Libyen hat von Ă„gypten gelernt
Libyen ist, wie vor einigen Wochen Ägypten, seit Tagen vom Internet abgeschottet. Aber die technischen Maßnahmen unterscheiden sich grundsätzlich. Die libysche Vorgehensweise war, Zufall oder nicht, wesentlich "geschickter".
Libyen ist, wie vor einigen Wochen Ägypten, seit Tagen vom Internet abgeschottet. Doch hat dies während der laufenden Aufstände in dem arabischen Land international viel weniger Aufsehen erregt. Die libyschen Internet-Abschalter haben aus dem Fall Ägypten gelernt. Auch die technischen Maßnahmen unterscheiden sich grundsätzlich. Wie Renesys erläutert, ist Libyen formal gesehen eigentlich nicht offline, aber kaum etwas funktioniert noch. Die libysche Vorgehensweise war, Zufall oder nicht, wesentlich "geschickter". Obwohl seit einer Woche fast nichts mehr geht, ist das gewaltige Medienecho wie im Falle Ägyptens ausgeblieben.
Die ägyptischen Machthaber hatten auf einen Schlag fast alle BGP-Routen (Border Gateway Protocol) zurückgezogen, womit nur noch wenige ägyptische Systeme erreichbar waren. Das fiel auf, und die weltweite Internet-Nutzergemeinde sympathisierte schlagartig mit den unterdrückten Ägyptern. Nach einigen Tagen wurde die Abschottung perfektioniert, dann waren alle fünf internationalen Verbindungen offline; nur noch reine Transitstrecken funktionierten.
Libyen ist indes nur über eine einzige Unterseekabel-Station mit dem Internet verbunden. Sie wird von der Firma LTT (Libya Telecom & Technology) betrieben, welche 1997 von der Familie Gaddafi gegründet und 2004 von der staatlichen Post (GPTC) gekauft wurde. LTT-Chef ist der älteste Sohn des Diktators. All dies erleichtert die Steuerung des Datenverkehrs erheblich.
Am Wochenende des 19. Februar gab es die ersten "Störungen". In zwei auf einanderfolgenden Nächten verschwanden die BGP-Daten, um am nächsten Morgen wieder aufzuscheinen. Beobachter in aller Welt, die Hinweise über ein offline gegangenes Libyen überprüfen wollten, fanden funktionierende Verbindungen vor und verloren spätestens nach dem zweiten Anlauf das akute Interesse. In den Tagen danach gab es immer wieder kleinere Probleme, viele Systeme waren erreichbar, andere zeitweise nicht.
Am Mittwoch den 23. gab es noch einmal einen kurzen Teilausfall, dann kehrte geschäftige Ruhe ein. Der Datenverkehr wuchs wieder, auch aus jenen Gebieten, in denen Gaddafi keine Befehlsgewalt mehr ausüben konnte. Am 4. März, einem Freitag, meldeten (verhinderte) Internet-Nutzer erneut einen Ausfall Libyens. Doch die BGP-Daten waren nicht beeinträchtigt.
Trotzdem ist der Datenverkehr von und nach Libyen seit einer Woche nicht mehr möglich, mit wenigen Ausnahmen. An einem zentralen Punkt, wahrscheinlich nahe der Landestation des Unterseekabels, wird der Verkehr so stark gebremst oder ganz blockiert, dass nichts mehr funktioniert. Einige wenige Systeme sind allerdings ausgenommen. Hier wird offenbar von Hand selektiert.
Dies könnte auch erklären, warum in den öffentlichen Verkehrsstatistiken etwa von YouTube die Aufrufe aus Libyen zwar fast auf Null, aber eben nicht ganz auf Null eingebrochen sind. "Jemand in Libyen schaut noch YouTube, obwohl der Rest des Landes im Dunkeln liegt", formuliert es Renesys-Mitgründer und CTO James Cowie. In Zukunft würden Regierungen, die sich einem von Internet-Kommunikation unterstützen Aufstand gegenübersehen, vermutlich dieselben Entscheidungen wie Ägypten und Libyen treffen, meint er. Das Internet werde dann dem (als Feind wahrgenommenen) Volk entzogen. "Deshalb ist das Internet zu wichtig, um in den Händen einer Zentralmacht zu liegen", kommentiert Cowie abschließend. "Daher sollten Sie sich für mehr verschiedene Internet-Verbindungen einsetzen, wo immer Sie leben." (jk)