10 Jahre Reality Labs: Metas 50-Milliarden-Grab könnte noch wertvoll werden

50 Milliarden Dollar versenkte Meta bislang in seiner Metaverse-Sparte Reality Labs. Im KI-Zeitalter könnte sich die Wette verspätet noch auszahlen.

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Der Eingang zum Sitz von Meta. ​

Der Eingang zum Sitz von Meta.

(Bild: Michael Vi/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Nils Jacobsen

Auch Mark Zuckerberg liegt mal daneben. "Mobil ist die Plattform von heute, und jetzt bereiten wir uns auch auf die Plattformen von morgen vor", erklärte der Facebook-Gründer vor ziemlich genau zehn Jahren. Der Anlass: Die Übernahme des VR-Brillen-Anbieters Oculus VR für zwei Milliarden Dollar. "Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform aller Zeiten zu schaffen und die Art und Weise zu verändern, wie wir arbeiten, spielen und kommunizieren."

Bislang ist die Chance ungenutzt verstrichen. Die erste Generation der Oculus Rift, die im Januar 2016 in den USA für 599 Dollar an den Start ging, läutete das kommende VR-Zeitalter eher leise ein. Es war ein Nerd-Produkt, das sich im ersten Jahr nicht einmal 500.000 Mal verkaufte. Insgesamt wurden 1,4 Millionen Einheiten abgesetzt.

Zwei Jahre später folgte mit der Oculus Go, das erste Standalone-VR-Produkt, das eine verbesserte visuelle Klarheit bot. 2019 folgte mit der ersten Generation der Quest die Einführung des ersten eigenständigen VR-Headsets, das die neue Freiheit bot, virtuelle Welten kabellos zu erkunden. Quest 2 und später Quest Pro führten fortschrittliche Funktionen wie Handtracking und Mischrealität ein. Im vergangenen Herbst launchte der Social Media-Pionier mit der Meta Quest 3 sein erstes Massenmarkt-Mixed-Reality-Headset, das es ermöglichen soll, virtuelle und physische Welten nahtlos zu verschmelzen und mit neuen Erlebnissen wie dem Erlernen des Klavierspiels am heimischen Küchentisch wirbt.

Wie überzeugt Zuckerberg vom Produkt ist, machte ein ungewöhnliches Video vor zwei Monaten deutlich. Anlässlich des mit Spannung erwarteten Launchs der Apple Vision Pro rührte Zuckerberg noch einmal kräftigt die Werbetrommel für das eigene Produkt. In einem Video auf Instagram sagte der Meta-CEO, er habe jetzt erst Zeit gefunden, das neue Mixed-Reality-Headset des iPhone-Produzenten auszutesten. Schon zuvor habe er gedacht, die Meta Quest 3 habe das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis ("better value"). "[Doch nun] glaube ich auch, dass die Quest das bessere Produkt ist, Punkt."

Doch die weitaus günstigere Datenbrille von Meta ist eine Wette, die bislang Geld kostet. Eine halbe Million Einheiten der Quest 3 wurde mutmaßlich im vierten Quartal abgesetzt – insgesamt sollen es rund 20 Millionen Einheiten aller Quest-Modelle sein, schreibt The Verge.

Noch weitaus kostspieliger ist jedoch die Wette auf das Metaverse, der sich Zuckerberg so Hals über Kopf verschrieben hat, dass das US-Unternehmen 2021 dafür sogar den Konzernnamen von Facebook auf Meta änderte. Die Vorstellung einer neuen virtuellen Welt galt lange als spleenig, wurde dann jedoch, als die Kosten komplett aus dem Ruder liefen, zur immer größeren Belastung für die Meta-Aktie. In der Spitze verlor die Reality Labs-Sparte, die sowohl die VR-AR-Headset-Aktivitäten als auch die Bemühungen im Metaverse bündelt, fast 5 Milliarden Dollar – allein im jüngsten Quartal.

Insgesamt hat Metas Zukunftssparte bis heute astronomische Verluste von über 50 Milliarden Dollar eingefahren – doch Metas Aktie kennt seit dem Tiefpunkt 2022, als das Papier für wenige Handelstage unter 100 Dollar zu haben war, nur eine Richtung: steil nach oben. Weil das Werbegeschäft des Social-Media-Giganten floriert wie nie zuvor und dem Internetpionier im Weihnachtsquartal operative Gewinne von 21 Milliarden Dollar bescherte, toleriert die Wall Street die Milliardenverluste bei Reality Labs.

Mittelfristig, so das Narrativ Zuckerbergs, würden die Bemühungen auch auf dem Zukunftsmarkt KI einzahlen. Die Grenzen dürften irgendwann verfließen: Die Konvergenz von Metaverse und AI-Technologien, wie sie in Produkten wie Quest 3 oder auch in den im vergangenen Herbst vorgestellten Ray-Ban Meta Smart Glasses zu sehen ist, deutet auf die Entwicklung hin zu AR-Brillen, die das Beste aus beiden Welten bieten könnten. Zuckerberg hat eine solche voll funktionsfähige AR-Brille für 2027 in Aussicht gestellt und rechnet damit, dass sie die Produktklasse Smartphones langfristig ablösen dürfte.

"Virtuelle Realität war einst der Traum der Science-Fiction. Aber auch das Internet war einst ein Traum, ebenso wie Computer und Smartphones. Die Zukunft kommt, und wir haben die Chance, sie gemeinsam aufzubauen", erklärte Zuckerberg vor zehn Jahren zur Oculus-Übernahme. Der Anspruch gilt auch für die nächste Dekade von Reality Labs. Geht die AR- und KI-Wette auf, hat Zuckerberg mit Reality Labs als Brutkasten alles richtig gemacht. Wenn nicht, hat es der laut Bloomberg mit einem Vermögen von 187 Milliarden Dollar inzwischen drittreichste Mann der Welt halt versucht: Entscheidend für Metas Status (in der Börsenwelt) bleiben in den nächsten Jahren weiter die Werbedollars und -euros.

(emw)