20C3: Ein Fazit zum UN-Gipfel der Informationsgesellschaft

Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zeigen sich halbwegs zufrieden mit dem in Genf beim Weltgipfel zur Informationsgesellschaft Erreichten und geben einen Ausblick auf Tunis 2005.

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Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zeigten sich auf dem 20. Chaos Communication Congress (20C3) in Berlin halbwegs zufrieden mit dem in Genf beim Weltgipfel zur Informationsgesellschaft Erreichten. "Das Ergebnis ist nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten, aber auch nicht das, was wir wollten", erklärte Markus Beckedahl, Mitgründer des Netzwerks Neue Medien und Sprecher des Koordinierungskreises der deutschen Zivilgesellschaft für den World Summit on the Information Society (WSIS). Der größte Erfolg habe darin bestanden, dass sich knapp 7000 Akteure der Zivilgesellschaft, also der jenseits von offiziellen Verbänden und Parteien engagierten Gruppen, erstmals die Integration in einen Gipfelprozess der Vereinten Nationen erkämpften und sich untereinander vernetzten. So habe man erstmals "die Politiker besser mit den Bürgern konfrontieren können".

Davor standen laut Beckedahl "zwei Jahre voller Schadensbegrenzung". Man habe den Regierungsvertretern erst die Funktionsweise des Internet und der darauf aufbauenden Netzwerkgesellschaft von Grund auf erklären müssen. Bis zum Treffen in Genf Mitte Dezember habe es einen harten Kampf vor allem um die Behandlung des "geistigen Eigentums" in der offiziellen Abschlusserklärung gegeben. Hauptsächlich dank der Hilfe der Open-Source-freundlichen Regierung Brasiliens sei es dann gelungen, zumindest einen Interessensausgleich festzuschreiben: Jetzt halte das Dokument nicht mehr nur -- wie ursprünglich vorgesehen -- fest, dass Urheber-, Patent- und Markenrechte Kreativität und Innovation fördern. Sondern auch, dass der Austausch von Wissen die Bedingung einer funktionierenden Informationsgesellschaft ist. Ferner habe die Zivilgesellschaft durchgesetzt, dass freier Software zumindest der gleiche Stellenwert wie proprietärer Software zuerkannt werden soll.

Permanente Schadenskontrolle stand auch im Bereich Informationssicherheit an, wusste Rikke Frank Joergensen zu berichten. Die Repräsentantin der dänischen WSIS-Regierungsdelegation beklagte, dass die Vertreter von Nichtregierungsorganisationen ständig gegen die "Sicherheitsparanoia" und Terrorfurcht der Politiker nach dem 11. September 2001 zu kämpfen gehabt hätten. Schließlich sei dem Thema Datenschutz aber eine wichtige Rolle zuerkannt worden. Insgesamt habe die Zivilgesellschaft den ersten Erklärungsentwurf der Uno "stark re-interpretiert in Richtung Menschenrechte", so die Beraterin des Institute for Human Rights in Kopenhagen. Weitgehend abgeschmettert wurden etwa Versuche, die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Schwierig sei es gewesen, merkte Ralf Bendrath, Leiter der Arbeitsgruppe "Privacy and Security" der internationalen Zivilgesellschaft, an, beispielsweise Afrikanern zunächst "die europäische Vorstellung von Privatsphäre grundsätzlich zu vermitteln". Denn wer teilweise "zu siebt" auf engstem Raum in einer Hütte zusammenlebe, könne mit dem Recht, auch einmal allein gelassen zu werden, wenig anfangen.

Langsam richten die Aktivisten nach dem Verdauen der Wochen in Genf nun ihre Blicke auf den Ende 2005 anstehenden Fortsetzungsgipfel in Tunis. Es werde in der Vorbereitungsphase vor allem darum gehen, die Überschriften und Themengruppen aus der bisherigen Deklaration als Aufhänger für eigene Forderungen zu nehmen, glaubt Joergensen. Davon ausgehend sei eine neue "strategische Agenda" zu formulieren. Die in Genf bereits präsentierte Gegenerklärung zur Gipfeldeklaration sei noch nicht das Gelbe vom Ei gewesen und verbesserungswürdig. Mehr bedacht werden müssten etwa Fragen von Zensur, Selbstregulierung, Medienkonzentration und Filtern im Bezug auf das Internet.

Experten aus dem Publikum regten an, dass sich die Zivilgesellschaft insgesamt ihrer neuen Position als "Regierung der Zukunft" bewusst machen müsse. Zudem seien Geschlechter- und Geldfragen zu stark ausgeklammert worden. Ob die Zivilgesellschaftler insgesamt den Anfang machen wollen in der Debatte zur zweiten Runde, sei aber noch offen, sagte Bendrath. Zwei Arbeitsgruppen für die Bereiche Internet-Regulierung und Finanzierung seien aber bereits ins Leben gerufen worden.

Zum UN-Weltgipfel für die Informationsgesellschaft siehe auch:

Zum 20. Chaos Communication Congress siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)