AMD und Mindfactory streiten um Gewährleistung für defekte CPUs

Der Wilhelmshavener Versandhändler Mindfactory will AMD-Prozessoren ab sofort nur noch als originalverpackte Einzelhandelsware verkaufen.

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Der Wilhelmshavener Versandhändler Mindfactory will AMD-Prozessoren ab sofort nur noch als originalverpackte Einzelhandelsware verkaufen (Boxed Prozessor). Mit den preiswerteren Athlons in Sammelverpackung gebe es zu viele Probleme, heißt es. In einem Statement erhebt Mindfactory massive Vorwürfe gegen AMD, was die Abwicklung der Gewährleistung für defekte Prozessoren betrifft. Der Versandhändler gibt an, bei einem Absatz von rund 15.000 so genannter "Tray"-Prozessoren pro Monat eine Reklamationsquote von rund 10 Prozent zu haben. Die Bezeichnung Tray stammt von den Transporttabletts, in denen sammelverpackte Prozessoren üblicherweise geliefert werden.

Laut Mindfactory weigere sich AMD prinzipiell, Prozessoren mit mechanischen Beschädigungen zu ersetzen. Gleichzeitig habe die Versandfirma aber mit Klagen von über 300 Kunden zu kämpfen, im Laufe der letzten drei Monate habe man einen Schaden "in sechsstelliger Höhe" erlitten. Als Konsequenz verkauft Mindfactory ab sofort nur noch "Boxed"-Prozessoren von AMD, die einzeln verpackt und mit passendem Kühler ausgeliefert werden. Für diese Prozessoren gewährleistet AMD in umfassenderer Form.

Der technische Hintergrund der Beschwerden ist, dass bei AMD-Athlon- und Duron-Prozessoren der Kühler direkten Kontakt mit dem nackten Silizium-"Die", also dem glasharten und spröden Chip haben muss. Zwar bieten Wärmeleitpads bei der Montage einen gewissen Schutz und AMD sieht auch vier Puffer auf dem Chipträger vor, die ein Verkanten des Kühlers beim Aufsetzen verhindern sollen. Doch trotzdem kommt es vor allem bei der Montage durch ungeübte Kunden immer wieder zu mechanischen Beschädigungen des Siliziums in Form von Absplitterungen.

Nach Erfahrungen an der c't-Hotline sind die Probleme mit mechanisch beschädigten Prozessoren seit Einführung des Organic-Pin-Grid-Array-Gehäuses (Kunststoffplatine statt keramischem Träger) deutlich seltener geworden. Allerdings klagen immer noch viele Einzelhändler über hohe Reklamationsraten von AMD-Prozessoren. Viele Intel-Prozessoren sind durch einen Integrated Heat Spreader (IHS) geschützt, der Montagefehler vermeiden hilft.

AMD weist die Vorwürfe von Mindfactory in der vorliegenden Form zurück: "Einzelhändler, die bei offiziellen AMD-Distributoren kaufen, erhalten für berechtigt reklamierte Ware innerhalb von ein bis zwei Wochen Ersatz." Allerdings stellt Pressesprecher Jan Gütter auch klar: "Wir gewährleisten nicht für Prozessoren, die vom Anwender mechanisch beschädigt wurden." Man könne mit Prüfgeräten in der deutschen Niederlassung und bei verschiedenen großen Händlern und Distributoren sehr genau feststellen, ob eine mechanische Beschädigung schon bei Auslieferung vorgelegen habe oder danach entstanden sei.

Bei den Boxed-Prozessoren verhalte man sich im Einzelfall kulanter, wobei der beigepackte Kühler und die genaue Anleitung solche Schäden recht sicher vermieden. Die Preiskalkulation der Boxed-Prozessoren erlaube aber eine auf drei Jahre ausgedehnte Garantie, die man vor allem für die über den Graumarkt gehandelte Massenware und für die Montage beliebiger und vor allem nicht empfohlener Kühler finanziell nicht tragen könne.

Im Klartext: Wer einen AMD-Prozessor kauft und einen eigenen Kühler montiert, haftet nach Ansicht von AMD selbst für mechanische Schäden. Wer dieses Risiko scheut, muss einen Boxed-Prozessor kaufen und auch den beigepackten Kühler einsetzen oder den Fachhändler mit der Montage beauftragen. Der Preisunterschied zwischen der Boxed- und der Tray-Version des AMD Athlon XP 2200+ beträgt im Einzelhandel rund 20 Euro oder etwa 10 Prozent.

Die vor allem im Vergleich zu den offiziellen Listenpreisen sehr günstigen Preise für die AMD-Tray-Ware im Einzelhandel kommt häufig durch den "Graumarkt" zustande: Großfirmen verkaufen überzählige Lagerbestände an Distributoren und geben dabei den Mengenrabatt teilweise weiter. Je nach Kalkulation lohnt sich dieses Geschäft für den ursprünglichen Einkäufer und den Einzelhändler -- aber es ist natürlich AMD ein Dorn im Auge, weil die Verkaufspreise des Werks dadurch sinken. Für den Einzelhändler bringt Graumarkt-Ware das Problem, dass zwar die gesetzliche Gewährleistung gilt, aber der Reklamationsweg über mehrere Zwischenhändler sehr umständlich und zeitraubend wird. Letztlich vergrault dies Kunden, die auch bei berechtigten Reklamationen wochenlang auf ihre Ware warten müssen.

Die ärgerlichen Probleme mit mechanischen Schäden bei der Kühlermontage von Sockel-A-Prozessoren werden sich wohl nie endgültig ausräumen lassen. Wer ein wenig technisches Geschick und Verständnis besitzt und von AMD empfohlene Kühler strikt nach der AMD-Anleitung montiert, müsste eigentlich ein fehlerfreies Resultat hinbekommen. Dennoch ist es natürlich fast unmöglich, AMD im Falle einer Beschädigung des Prozessors zu beweisen, dass man vollständig korrekt gearbeitet hat. Umgekehrt kann auch AMD nicht garantieren, dass die Montageanleitung auf jedem Mainboard und von jeder Person exakt nachvollziehbar ist.

Manche Händler leiden besonders unter der Unkenntnis einiger Kunden und den Versuchen anderer, sich unberechtigte Ersatzleistungen zu erschleichen. Solche Ärgernisse oder gar Betrugsversuche, die beispielsweise die Webseite www.dau-alarm.de eindrucksvoll beschreibt, kann man aber dem CPU-Hersteller nicht in die Schuhe schieben. (ciw)