ARM plant den Börsengang, Intel kauft einen Chipfertiger

Die Übernahme der Prozessorschmiede ARM durch Nvidia ist gescheitert, weshalb ARM nun neue Pläne schmiedet. Intel schluckt den Auftragsfertiger Tower Semi.

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Ein Deal ist vollendet, ein zweiter geplatzt und ein dritter geplant: Während AMD sich wie geplant den FPGA-Hersteller Xilinx einverleibt, bläst Nvidia die ARM-Übernahme ab. Und Intel will den israelischen Chip-Auftragsfertiger Tower Semi für 5,4 Milliarden US-Dollar schlucken, als Stärkung der Intel Foundry Services (IFS).

Mit Xilinx hat AMD nun ein FPGA-Standbein, so wie Intel seit der Altera-Übernahme die Programmable Solutions Group (PSG). Xilinx bringt zudem Netzwerktechnik ein, womit sich AMD gegen Nvidia stärkt: Nvidia krallte sich 2020 mit Mellanox einen Netzwerkspezialisten. Sowohl AMD als auch Intel und Nvidia verkaufen nun Server-Netzwerkadapter mit Zusatzfunktionen wie Ver- und Entschlüsselung sowie Storage-Verwaltung, sogenannte SmartNICs oder Data Processing Units (DPUs). Die Idee ist uralt, boomt aber erst, seit Cloud-Branchenprimus Amazon das hauseigene „Nitro“-System einsetzt, etwa für Confidential Computing.

Umgekehrt wollte Nvidia mit der ARM-Übernahme stärker bei den Serverprozessoren einsteigen, scheiterte aber im Wesentlichen an Vorbehalten von Kartellbehörden und wichtigen ARM-Kunden wie Qualcomm. Nun muss Nvidia 1,25 Milliarden US-Dollar an den bisherigen ARM-Eigner SoftBank zahlen. Vielleicht kann Nvidia dazu ja rasch ein paar Ethereum-Coins auf seinen A100-Supercomputern schürfen.

ARM (die Firma nennt sich seit 2017 eigentlich „Arm“) plant jetzt den Börsengang für 2023. Der bisherige Chef Simon Segars übergibt dazu den Staffelstab an den Ex-Nvidia-Mann Rene Haas. Er soll ARM zukunftsfähig ausrichten – was nicht so einfach ist, wie es angesichts von 20 Milliarden jährlich verkauften ARM-Chips aussieht.

Ein langes Dokument, das ARM und Nvidia Ende 2021 an britische Kartellwächter schickten, zeichnet ein düsteres Bild. Darin heißt es, der Markt der Smartphone-Chips – die 2020 mehr als die Hälfte des ARM-Umsatzes brachten – sei gesättigt. Der Versuch, in die bisherigen x86-Domänen der Notebooks und Server einzudringen, sei teuer, langwierig und bisher wenig erfolgreich. Starke Apple-Chips wie A15 und M1 würden den Markt für konkurrierende ARM-Designs eher blockieren als öffnen. Und bei den billigen Mikrocontrollern sei RISC-V eine erhebliche Bedrohung. ARM sieht sich also von mehreren Seiten unter Druck.

Ganz so machtlos, wie sich ARM darstellt, ist das Unternehmen aber nicht – sonst hätte Nvidia wohl kaum 40 Milliarden Dollar zahlen wollen. Die weltweit rund 6000 ARM-Beschäftigten (davon fast 3500 in Großbritannien) entwickeln und forschen eifrig, etwa am Versuchsprozessor Morello. Der hat eingebaute Zusatzbefehle zum Schutz gegen Malware-Attacken:

Der ARM-Testprozessor Morello hat „CHERI“-Zusatzbefehle, mit denen sich C/C++-Programme stärker voneinander abschotten lassen, um Angriffe abzuwehren.

(Bild: Bild: ARM)

Diese Capability Hardware Enhanced RISC Instructions (CHERI) ermöglichen es Programmierern von C/C++-Code, ihre Software von anderen laufenden Apps abzuschotten. 65 zusätzliche Bits (also 129 statt 64 Bit), davon 1 Steuerbit, dienen zur genauen Beschreibung der Zugriffsrechte auf Daten, Code und Objekte. Doch wie beim Hase-und-Igel-Rennen war RISC-V schneller. Dafür wird CHERI schon seit mehr als zehn Jahren entwickelt, ARM kam erst später hinzu. Interessanterweise arbeitet Microsoft im ARM-CHERI-Projekt mit – angeblich entwickelt Microsoft einen eigenen ARM-Serverchip für die hauseigene Azure-Cloud.

Intel schickt Ice-Lake-Versionen des Xeon D ins Rennen, vor allem für Edge-Server und 5G-Netze. Spekuliert wird zudem über Atom- und Celeron-Stromsparprozessoren ausschließlich mit Gracemont-Kernen, genannt Alder Lake-N. Diesen CPU-Typen fehlt unter anderem die Befehlssatzerweiterung AVX-512. Letztere nutzte zwischenzeitlich etwa die Tabellenkalkulation LibreOffce Calc, bis deren Entwickler die Optimierungen rauswarfen, auch gleich jene für AVX: Die Vorteile seien gering, der Aufwand für die Code-Pflege aber hoch.

Der European Chips Act der EU-Kommission soll die Chipproduktion in Europa in acht Jahren vervierfachen, siehe Seite 34. Viele Firmen dürften sich unter die warme Gelddusche stellen. Mit dem Zukauf von Tower Semi stärkt Intel seine Fertigungskapazität für Chips mit analogen und Hochfrequenz-Funktionsblöcken sowie bei Leistungshalbleitern. Rund 12 Prozent der Tower-Chips sind für Autos gedacht.

Damit konkurriert die Intel-Fertigungssparte IFS nun stärker mit Globalfoundries alias GF. Der letzte Geschäftsbericht verriet, dass GF deutlich weniger Umsatz macht als die taiwanische UMC; damit steht GF nach der mit riesigem Abstand führenden Foundry TSMC sowie Samsung und UMC auf Platz vier. Tower liegt auf Rang sechs hinter dem größten chinesischen Chip-Auftragsfertiger SMIC.

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(ciw)