Algorithmen und Scoring: Maas fordert digitales Anti-Diskriminierungsgesetz

Seite 2: Transparenzgebot für Algorithmen

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Maas postulierte daher: "Wir brauchen eine gleichberechtigte Teilhabe mit gleichen Chancen für alle." Der Sozialstaat müsse auch in der digitalen Ära davor geschützt werden, "dass die Schwächeren auf der Strecke bleiben". Auch die Selbstbestimmung sei zu bewahren. Ein kafkaeskes Szenario wie in der Comedy-Serie "Little Britain", wo der Computer immer wieder nur ohne Erläuterungen Nein sage, "passt nicht zum freiheitlichem Rechtsstaat", in dem alle Entscheidungen begründet werden müssten. Menschen dürften aufgrund ihrer verfassungsrechtlich garantierten Würde nicht durch Technik bestimmt, nicht zum bloßen Objekt eines Algorithmus werden.

Als Gegenmittel führte der Minister auch ein "Transparenzgebot für Algorithmen" ins Feld. In Punkto "Sicherheit und Rechtsdurchsetzung", wo Maas gerade über den Bundestag mit dem umstrittenen "Facebook-Gesetz" Fakten schaffte, könnten ihm zufolge auch verpflichtende Mindestanforderungen für die IT-Sicherheit im Internet der Dinge oder freiwillige Gütesiegel helfen. Es dürfe jedenfalls "auch keinen rechtsschutzfreien Raum geben". Maas machte sich ferner für ein "Recht auf eine analoge Welt" stark: Gerade im häuslichen Umfeld müsse jeder den Grad und Zeitpunkt der Digitalisierung selbst bestimmen können. Auch bei Behördendienstleistungen sei ein Zwang zum Netz "schwierig".

Der "nächsten Bundesregierung" legte das Kabinettsmitglied ans Herz, sich mit dem Vorschlag für den Aufbau einer Digitalagentur "ernsthaft auseinanderzusetzen". Diese könne bei der weiteren Regulierung Expertise aus der Wissenschaft mit einbringen und verschiedene Interessensvertreter an einem Tisch zusammenführen.

Verhaltenssteuerung durch Algorithmen geschehe weitgehend in einem "Arkanbereich", sei Dritten also kaum zugänglich und von der Gesellschaft schwer zu kontrollieren, beklagte Ex-Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem. Es fehlten "wirksame Vorkehrungen zum Rechtsschutz", vor allem "kollektive Gemeinwohlgüter" würden durch Selektionsmechanismen und die Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsteile gefährdet.

Die Politik muss laut dem Juristen mit weitgehenden Konzepten und Strategien gegenhalten. Er warb etwa dafür, Maximen und Kriterien besonders wichtiger Algorithmen offenzulegen. Nötig sei auch ein Paradigmenwechsel beim Datenschutz. Der Begriff personenbezogener Daten müsse neu bestimmt und ausgeweitet werden auf Erkenntnismöglichkeiten durch Big-Data-Analysen, mit denen auch Anonymisierungsmechanismen leichter ausgehebelt werden könnten. Für bestimmte Datenkategorien sollten "Kennzeichnungs-, Löschungs- und Verwertungsfristen vorgesehen werden". Andere Forscher machen sich parallel für mehr "Datengerechtigkeit" stark.

Die grüne Medienexpertin Tabea Rößner kritisierte, dass Maas erst am Ende der Legislaturperiode mit seiner Initiative um die Ecke komme, wenn diese im Parlament gar nicht mehr beraten werden könne. Getan habe das Bundesjustizministerium vier lange Jahre nichts in diesem Bereich. So sei die Forderung "wohl dem bevorstehenden Wahlkampf zuzurechnen". (jk)