Apple will mit dem App Store hoch hinaus

Marketing-Manager Greg Joswiak sieht das iPhone und den iPod touch in direkter Konkurrenz zu Sony PSP und Nintendo DS, während Entwickler nach wie vor über Ungereimtheiten in dem Software-Laden des Computerriesen klagen.

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Es kommt äußerst selten vor, dass sich ein Mitarbeiter in herausgehobener Position beim Computerkonzern Apple eindeutig und öffentlich zur Strategie seines Unternehmens äußert. Umso überraschender war da das Gespräch, welches das Spielefachmagazin "Edge" in der vergangenen Woche mit dem iPod- und iPhone-Produktmarketing-Leiter Greg Joswiak führte: Darin fand der für die weltweite Vermarktung der höchst populären Mobilplattform zuständige Manager einige klare Worte darüber, wohin die Reise in den nächsten Monaten bei Apple gehen soll.

So platzierte Joswiak iPod touch und iPhone eindeutig in einer Region, in der bislang nur ausgewachsene tragbare Spielekonsolen wie Sony PSP und Nintendo DS mitspielen. "Um das einmal in einen Zusammenhang zu bringen: Wir haben jetzt schon mehr Spiele [als diese beiden Plattformen], und das bereits nach den ersten 100 Tagen." Neben unabhängigen Entwicklern sei es längst gelungen, große Namen zu den Apple-Produkten zu locken: "Was ich besonders schön finde, ist, dass wir nicht nur diesen großen Spiele-Developern wie EA, Gameloft, Sega oder Hudson – die zweifelsohne einen tollen Job machen –, Chancen eröffnen."

Joswiak meint damit den freien Verkauf von Anwendungen über Apples Online-Laden App Store, der sowohl in der Desktop-Mediensoftware iTunes als auch im iPhone und iPod touch steckt. "Der freie Markt ist etwas Wunderbares. Die Besten werden immer nach oben gespült." Das Team des App Store hatte erst in der vergangenen Woche einmal mehr Grund zum Feiern: Apple überschritt am Donnerstag erstmals die Anzahl von über 500 Millionen Downloads bei einem Gesamtangebot von mehr als 15.000 Applikationen für iPhone und iPod touch. Die runde Zahl kam nur knapp anderthalb Monate, nachdem die 300-Millionen-Downloads-Marke genommen worden war, zustande.

Das App Store-Angebot kann sich inzwischen tatsächlich sehen lassen. Neben Spielen jeglicher Machart findet sich vom komplexen Organizer über die Business-Anwendung von SAP bis hin zum Medizinlexikon nahezu alles. Das Niveau an "Noise", wenig interessanten Anwendungen, schwillt derweil aber auch: So setzte sich erst kürzlich eine Rülps- und Furzanwendung an die Spitze des US-App Store, nachdem Apple eine entsprechende "Spaß & Spiel"-Kategorie nach einigem Zögern zugelassen hatte. Selbst virtuelle Radarwarnanlagen gibt es für das iPhone bereits – GPS-Empfang und Online-Abgleich machen es möglich.

Doch es fehlen auch noch Anwendungsklassen. So wird nach wie vor keine klassische Navigationslösung für das iPhone angeboten, die "Turn by Turn"-Richtungsangaben liefert. Versuche von großen Playern wie TomTom, bereits im letzten Sommer angekündigt, schafften es bislang nicht in den Laden. Da wundert es kaum, dass die Suche nach dem Wort "Navigation" im US-App Store ausgerechnet die simple Taschenlampen-Anwendung "Flashlight" zutage fördert – neben Googles "Earth"-Client.

Ob Apple hier selbst blockiert, weil man beispielsweise fürchtet, dass solche Programme zu viel Strom schlucken würden, ist unklar; zur genauen Entscheidungspolitik bei der Zulassung zum App Store äußerste sich auch Joswiak nicht. Die sei doch grundsätzliche ohnehin bekannt: Keine Pornografie, keine Anwendungen, die sich "schlecht benehmen", kein "schlechter Geschmack".

Eine eigentlich unverdächtige Anwendungsgattung bleibt trotzdem draußen: Programme, die ein Signaling benötigen, das auch dann funktioniert, wenn sie geschlossen sind. Eine entsprechende zentrale Technik, die Apple bereits im letzten Winter einführen wollte, lässt immer noch auf sich warten. Damit soll es möglich sein, über Apples zentralen Server Mitteilungen an den Endanwender zu senden, damit der beispielsweise mitbekommt, wenn eine neue Instant Message eingeht. Das ist besonders deshalb wichtig, weil Apple es Entwicklern verbietet, eigene Anwendungen im Hintergrund laufen zu lassen.

Auch ist es keineswegs so, dass alle App Stores, von denen es jeweils einen eigenen in einem iPhone-Verbreitungsgebiet gibt, den gleichen Umfang haben: Es gibt Titel, die zunächst nur in den Vereinigten Staaten veröffentlicht werden. Nutzer aus Deutschland kommen daran offiziell genauso wenig heran wie an Filme oder TV-Serien im reich gefüllten US-iTunes Store.

Für Entwickler bleiben iPhone und iPod touch trotz aller Nachteile – darunter Apples 30-prozentiger "Cut" für jedes verkaufte Programm – im Mobilbereich das gelobte Land. Keine Plattform hat sich in so schneller Zeit derart rasant entwickelt. Kleine Software-Schmieden, etwa der 1-Mann-Entwickler des Spiels "Trism", der in kurzer Zeit 250.000 Dollar umsetzte, kamen mit Geschichten in die Medien, die vom schnellen Reichtum schwärmten. Das wird schwerer, je mehr Anwendungen im App Store landen, denn die Bewerbung wird komplexer. Apple hat zwar kürzlich die einzelnen Rubriken in seinem Software-Laden überarbeitet, und in jeder einzelnen eine Top-Liste für kostenlose und bezahlte Programme eingerichtet. Doch den Überblick behält man so kaum. Das bekommt auch Apple selbst zu spüren. Laut Manager Joswiak dauert es vor allem deshalb manchmal eine Woche, bis ein Update einer Anwendung im App Store landet, weil das Apple-Team jeden Tag so viele Programme zu begutachten hat. "Die Jungs arbeiten so hart sie können."

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(Ben Schwan) / (se)