Atomkraft: Bundestag beschließt Laufzeitverlängerung für drei AKW

Der Atomausstieg wird auf den 15. April 2023 verschoben. Das hat der Bundestag angesichts der Energiekrise beschlossen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 91 Kommentare lesen

Das Atomkraftwerk Neckarwestheim ist eines von drei Atomkraftwerken, die noch bis Mitte April 2023 laufen sollen.

(Bild: EnBW)

Lesezeit: 4 Min.

Der Bundestag hat am Freitag eine Änderung des Atomgesetzes beschlossen, durch die die drei noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland länger als bisher geplant laufen können. Die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 können demnach noch bis zum 15. April 2023 laufen. Dafür dürfen sie nur die vorhandenen Brennelemente nutzen.

Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die Laufzeiten der drei AKW bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern und auch neue Brennstoffe zu beschaffen, fand keine Mehrheit. Die grundsätzliche Entscheidung zur Beendigung der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland stellte die Fraktion nicht in Frage.

Der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner bezeichnete den Atomausstieg von 2011 als eine der wichtigsten politischen Entscheidungen. Allerdings nutze Russland Energie als Waffe, dabei sei Deutschland stark vom russischen Erdgas abhängig. Die Energiekrise habe aber nichts an der Gefährlichkeit der Atomkraft geändert, sie sei durch den Krieg in der Ukraine noch mehr vor Augen geführt worden. Zudem sei die Entsorgungsfrage ungeklärt.

Carsten Träger von der SPD meinte, er werde am 15. April 2023 mit einem Glas Sekt auf den endgültigen Atomausstieg anstoßen. Er betonte, die Atomkraft leiste weniger einen Beitrag zur erforderlichen Strommenge, sondern zur besseren Verteilung des Stroms, weil in Bayern zu wenig Energie erzeugt werde und zu wenige Leitungen vorhanden seien.

Steffen Bilger von der CDU wandte ein, eine Verlängerung der Laufzeiten bis April 2023 bringe zu wenig. Die Umweltministerin und der Wirtschaftsminister müssten die Verantwortung dafür tragen, falls in Deutschland die Lichter ausgehen. Für die Grünen scheine keine Rolle mehr zu spielen, dass durch Atomkraft CO₂ eingespart werde. Ein Argument, das auch seine Parteikollegin Julia Klöckner aufgriff.

Die FDP-Abgeordnete Carina Konrad betonte, die Laufzeitverlängerung sei kein Selbstzweck. Sie forderte, darüber nachzudenken, wie in Deutschland vorhandene Gasreserven erschlossen werden könnten. Ralph Lenkert sagte, seine Linken-Fraktion lehne jeden Betrieb von Atomkraftwerken ab. Die Technik als solche sei nicht sicher, auch nicht ausreichend geschützt vor terroristischen Angriffen. Lenkert wies in Richtung CDU/CSU und AfD darauf hin, dass der nötige Rohstoff für Brennstäbe aus Russland geliefert werden würde. Ein Antrag der AfD, die Bundesregierung aufzufordern, die Atomkraft zu nutzen, wurde abgelehnt.

Zur Begründung der Laufzeitverlängerung heißt es in dem Gesetz (PDF), Russlands Angriff auf die Ukraine und die Unterbrechung der für Deutschland zentralen Gaslieferungen habe die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Es sei eine unvorhersehbare, außergewöhnliche Lage am Gasmarkt und auch am Strommarkt entstanden. Erdgas sei knapp, dazu komme, dass die Windkraft und die Stromnetze in Süddeutschland unzureichend ausgebaut seien. Weiter verschärft worden sei die Lage, da ein substanzieller Teil der französischen AKW ausfalle.

Um die Energieversorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, müsse nicht nur Gas gespart werden, es gehe auch darum, das Elektrizitätsversorgungssystem zu sichern. Eine Sonderanalyse der Übertragungsnetzbetreiber für die Stromversorgung für den Winter 2022/23, der sogenannte Stresstest, habe den AKW-Weiterbetrieb als "weiteren Baustein" zur Energieversorgungssicherheit identifiziert, teilte die Regierung mit.

Dem "Neunzehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes" war ein Koalitionsstreit vorausgegangen. Die Grünen hatten sich auf ihrem Parteitag Mitte Oktober dafür ausgesprochen, die beiden süddeutschen Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 in Reserve zu halten, das AKW Emsland solle planmäßig abgeschaltet werden. Die FDP forderte hingegen den Weiterbetrieb aller drei AKW. Damit sollte auch dem hohen Strompreis entgegengewirkt werden. Bundeskanzler Olaf Scholz machte dann von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

Das bisherige Gesetz, das die Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke begrenzt, stammt aus dem Jahr 2011 und ist eine Konsequenz aus dem Super-GAU von Fukushima im März des Jahres. Zuvor hatte die seinerzeit regierende Koalition aus CDU/CSU und FDP den von der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgeweicht.

(anw)