Axel-Springer-Chef: "Google hat auf ganzer Linie gewonnen"

Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner meint, Google habe sich trotz aller Widerstände in den vergangenen 20 Jahren durchgesetzt. Das könne sich aber nun ändern.

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Porträt von Mathias Döpfner vor grauem Hintergrund

Mathias Döpfner

(Bild: Axel Springer Verlag)

Lesezeit: 3 Min.

"Der Zeitgeist hat sich gewandelt. Google hat Gegenwind." Das schreibt Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dortselbst hatte er vor fast genau zehn Jahren schon einmal einen Gastbeitrag gebracht, auf den er sich nun bezieht. Damals äußerte Döpfner auch dem damaligen Google-Chef Eric Schmidt persönlich seine Befürchtungen vor einer wachsenden Macht des Suchmaschinenkonzerns und einer ebenso großen Abhängigkeit der Medienunternehmen. Zehn Jahre später sieht Döpfner seine Befürchtungen eingetreten, aber er sieht auch Grund zur Hoffnung, und die hat mit Künstlicher Intelligenz zu tun.

2023 habe Google beziehungsweise die Firmenmutter Alphabet 300 Milliarden US-Dollar umgesetzt, davon 75 Prozent durch Werbung, schreibt Döpfner nun in der FAZ. Mit einer Marktkapitalisierung von 2 Billionen Dollar habe Google das Geschäftsmodell und damit die Umsätze der Verlage sowie der gesamten "Creative Industries" weitgehend aufgesaugt. "Das, was Harvard-Professorin Shoshana Zuboff 'Überwachungskapitalismus' nennt, hat sich weitgehend durchgesetzt", meint Döpfner.

Die allgemeine Einstellung gegenüber Google habe sich in den vergangenen Jahren aber geändert. Die Abhängigkeiten würden wahrgenommen, Unternehmen setzten sich öffentlich kritisch mit Google auseinander. Die US-Regulierer verhielten nicht mehr passiv, sondern orientierten sich an jene der EU-Kommission. Diese habe gegen Alphabet drei Wettbewerbsstrafen von 8 Milliarden Euro verhängt, das habe aber nichts geändert. Der Kampf der Verlage um ein den digitalen Realitäten angepasstes Copyright in der EU sei erfolgreich gewesen, aber zu spät.

Zudem machten die 2023 aufgekommenen Large Language Models den bisherigen Copyright-Begriff gegenstandslos. Und auch hier sei Google mit seiner KI "Bard" – jetzt "Gemini" – in einem Duopol mit OpenAI und Microsoft bestens positioniert. Google habe auf ganzer Linie gewonnen. "Heute braucht man keine Angst mehr vor Google zu haben", meint Döpfner.

Digitaler Journalismus sei als Geschäftsmodell abgesehen von wenigen Ausnahmen unattraktiv geworden. Soziale Medien hätten weitgehend die Rolle als Informationsquelle übernommen. Fake News seien fester Bestandteil politischer Kampagnen und Wahlen geworden. Die NGO Freedom House habe siebzehn Jahre in Folge immer mehr Länder von "frei" zu "teilweise frei" und zu "unfrei" abgestuft.

Döpfner sieht trotz der "Demokratie-Rezession" die offene Gesellschaft nicht am Ende. Nach dem Motto, es müsse manchmal schlimmer kommen, bevor es besser wird, glaubt der Axel-Springer-Chef, dass die Politiker diesmal entschiedener reagieren werden als seinerzeit, als es vorrangig um die Marktwirtschaft gegangen sei. "Diesmal geht es um Macht und die Zukunft der Demokratie." Die Erosion politischer Macht würden Politiker nicht kampflos akzeptieren.

"Künstliche Intelligenz und die Entwicklung der Marktverhältnisse haben das Potenzial, jede Partei, jeden Politiker, jede Wahl und alle demokratischen Institutionen zu unterminieren und zu zerstören", schreibt Döpfner weiter. "Das dämmert mittlerweile selbst Spätzündern der Digitalisierung." Deshalb regulierten sich die Plattformen der Künstlichen Intelligenz entweder selbst und sorgten für eine angemessene Vergütung von intellektuellem Wert oder die Politik werde "schneller und beherzter Grenzen setzen und Regeln definieren, die sicherstellen, dass geistiges Eigentum genauso geschützt wird wie dingliches Eigentum." In diesem Szenario hätten digitale Medien, Journalisten und Urheber eine gute Zukunft, "denn wenn es anders käme, wären nicht nur Urheber, Journalisten und Medien Vergangenheit".

(anw)