Quellen-TKÜ: Reporter ohne Grenzen sieht Gefahr für Journalisten und Quellen

Reporter ohne Grenzen sieht vor allem investigative Journalisten mit internationalen Kontakten gefährdet, ins Visier des Auslandsgeheimdienstes zu geraten.

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(Bild: nepool/Shutterstock.com)

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Reporter ohne Grenzen hat am Donnerstag Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die rechtliche Grundlage für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner durch den Bundesnachrichtendienst (BND) eingereicht. Diese Befugnis verankerte der Bundestag mit dem umstrittenen Gesetz zur "Anpassung des Verfassungsschutzrechts" 2021 kurz vor der Neuwahl im Artikel-10-Gesetz (G10). Zulässig wird damit eine erweiterte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ): Agenten dürfen so die laufende Kommunikation direkt am gehackten Endgerät abgreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde, sowie gespeicherte Chats und Mails.

Mit der Beschwerde wendet sich der deutsche Zweig von Reporters sans frontières (RSF) zugleich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar. Damit wiesen die Leipziger Richter eine Klage der zivilgesellschaftlichen Organisation in derselben Sache als unzulässig ab. Sie bemängelten, RSF habe die eigene Betroffenheit nicht hinreichend nachgewiesen. Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten des Klägers sei nicht hinreichend konkret. Ebenso wenig zeichne sich hinreichend ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner von RSF derartigen Maßnahmen ausgesetzt sein könnten. Der Kläger habe sich zudem mit seinem Unterlassungsbegehren nicht direkt an den BND gewandt.

"In seiner jetzigen Form ist das deutsche Verfassungsschutzgesetz eine echte Gefahr für investigativ arbeitende Medienschaffende und ihre Quellen, und das weltweit", hält RSF-Geschäftsführer Christian Mihr dagegen. Jeder Journalist, der in extremistischen Kreisen recherchiere, könnte durch den BND per Staatstrojaner überwacht werden. Aktuell gebe es praktisch keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren. Die Organisation hofft daher auf ein Grundsatzurteil aus Karlsruhe. Das Verfassungsgericht müsse verhindern, dass der BND mit Spähsoftware in Smartphones und Computer von Journalisten eindringen und dort selbst verschlüsselte Nachrichten abrufen könne.

RSF kommuniziert nach eigenen Angaben regelmäßig mit ausländischen Medienvertretern und Regierungsstellen. Die Organisation sieht deshalb ein reales Risiko, dass auch IT-Systeme ihrer Mitarbeiter vom BND durch Staatstrojaner ausspioniert werden könnten. Damit würde RSF auch die Kommunikationspartner in die Gefahr bringen, überwacht zu werden. Bei einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigten BND-Vertreter, dass der Geheimdienst sowohl in der Inland-Ausland- als auch in der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung Staatstrojaner verwendet. Eine Nachfrage, ob dies auch für die besonders mächtige Spyware Pegasus gelte, ließen die Richter nicht zu.

Die Beschwerdeführer sind auch überzeugt, dass von Betroffenen nicht verlangt werden könne, eine Art No-Spy-Erklärung einzuholen und dieser zu vertrauen. RSF beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Demnach lässt sich ein in der Öffentlichkeit weit verbreiteter Verdacht, dass ein Geheimdienst unrechtmäßig Personen überwacht, nicht pauschal abgetan werden. Potenziell Betroffene müssten zumindest rechtliche Mittel haben, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Gegen die Quellen-TKÜ-Befugnisse für die Geheimdienste sind noch weitere Klagen von RSF, dem Whistleblower-Netzwerk und investigativen Journalisten vor Verwaltungsgerichten sowie eine breiter angelegte Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) anhängig. RSF und GFF haben ferner im Januar wegen des reformierten BND-Gesetzes Karlsruhe angerufen.

(bme)