"Bandenmäßiger" Betrug: Staatsanwaltschaft klagt Ex-Wirecard-Chef Braun an

Wirecard-Vorstandschef Markus Braun gab sich als Technologieprophet. Für die Staatsanwaltschaft ist er jedoch ein Bandenchef, der Milliarden erschwindelte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen

(Bild: Framalicious/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa

Über eineinhalb Jahre nach der Pleite des ehemaligen Dax-Konzerns Wirecard hat die Staatsanwaltschaft München Betrugsanklage gegen den früheren Vorstandschef Markus Braun erhoben. Das teilte die Behörde am Montag mit. Die Ermittler werfen Braun und zwei weiteren ehemaligen Wirecard-Managern "bandenmäßiges Vorgehen" vor.

Sie sollen seit 2015 die Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um insgesamt 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben – davon 1,7 Milliarden Euro an Krediten und weitere 1,4 Milliarden an Schuldverschreibungen. Braun unterschrieb laut Anklage wissentlich die falschen Bilanzen. Von Brauns Anwalt lag zunächst keine Stellungnahme vor.

Der Österreicher sitzt seit 22. Juli 2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Das Münchner Oberlandesgericht hatte die Staatsanwaltschaft bei der letzten regulären Haftprüfung zur baldigen Anklageerhebung gedrängt, da Untersuchungshäftlinge nicht unnötig lange ohne Urteil im Gefängnis sitzen sollen. Bevor es zum Prozess kommt, muss im nächsten Schritt das Landgericht München entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird.

Wirecard hatte im Ende Juni 2020 Insolvenz eingemeldet, nachdem das Unternehmen Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt hatte – das Geld war nicht auffindbar und ist bis heute verschwunden. Der mutmaßliche Bilanzbetrug hatte Wirecard 2018 auch zum Aufstieg inden Dax verholfen.

Soweit bekannt, sieht Braun sich selbst als Opfer. So wurde in Zivilprozessen vor dem Münchner Landgericht deutlich, dass Braun nach wie vor davon ausgeht, die vermissten 1,9 Milliarden würden tatsächlich existieren. Als Schlüsselfigur der Affäre gilt neben Braun der frühere Vertriebsvorstand Jan Marsalek, der im Sommer 2020 ins Ausland floh und seither untergetaucht ist. Gegen Marsalek wird anderweitig ermittelt, er ist bislang nicht angeklagt – jedoch einer seiner ehemaligen Geschäftspartner.

Manipulationsvorwürfe gegen Wirecard gab es seit vielen Jahren, aufgedeckt worden war der Skandal von der britischen Financial Times. Braun ist durch den Kollaps seines Unternehmens selbst ruiniert worden, da er nahezu sein gesamtes Vermögen in Wirecard-Aktien angelegt hatte.

[Update 14.3.2022 12:06 Uhr:]

Brauns Verteidiger hingegen stellten Braun als Opfer dar: "Die Anklage leidet an gravierenden Mängeln und geht von einem völlig falschen Tatbild aus." Im weiteren Verfahren werde sich erweisen, dass "Dr. Braun nie Teil einer Bande war, die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat, dass er nichts von den Machenschaften dieser Bande gewusst und schon gar nicht von diesen profitiert hat." Dies zielt auf den Marsalek.

Der mutmaßliche Betrugsschaden von über drei Milliarden Euro übersteigt zumindest in absoluten Zahlen und nicht inflationsbereinigt alle seit 1945 in Deutschland bekannt gewordenen Fälle. Bisheriger Rekordhalter ist das badische Unternehmen Flowtex, das mit dem Verkauf nicht existenter Bohrmaschinen in den 1990er Jahren einen Betrugsschaden von zwei Milliarden Euro anrichtete. Im VW-Skandal waren die Folgekosten für den Wolfsburger Konzern mit an die 30 Milliarden Euro zwar noch ungleich höher, aber dabei ging es nicht um Finanzschwindel.

(tiw)