Bei Infineon rumort es - Verluste und Querelen

Nach erneut hohen Verlusten und Umsatzrückgängen sägt Aufsichtsratschef Kley laut Brancheninformationen kräftig am Stuhl von Vorstandschef Ziebart. Medienberichten zufolge soll Ziebart den Halbleiterhersteller bereits im nächsten Monat verlassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 21 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Daniel Schnettler
  • Michael Friedrich
  • dpa

Beim Halbleiterhersteller Infineon rumort es gewaltig. Der Konzern bietet zwar unbestritten gute Produkte an – Infineon-Chips stecken im iPhone von Apple ebenso wie im 7-er BMW –, von guten Zahlen ist die einstige Siemens-Tochter aber weit entfernt. Quartal um Quartal schreibt Infineon hohe Verluste und verliert Umsatz. In der Führungsetage tobt ein Machtkampf um den Kurs des Unternehmens. Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley sägt nach Brancheninformationen kräftig am Stuhl von Vorstandschef Wolfgang Ziebart. Medienberichten zufolge soll Ziebart bereits im nächsten Monat gehen.

Offiziell wird zwar traute Eintracht in Vorstand und Aufsichtsrat demonstriert, doch mit gezielten Indiskretionen haben Manager und Kontrolleure den Zwist nach außen getragen und geschürt. Erste Stimmen fordern deshalb schon, beide – Ziebart und Kley – sollen gehen. Der Großteil des Aufsichtsrats habe das Vertrauen in sie verloren, hieß es in einem Medienbericht. Infineon selbst schweigt dazu.

Die gegenwärtige Krise habe viel mit mangelnder Führungsqualität zu tun, erklärt ein Kenner des Konzerns. "Man beschäftigt sich ein wenig zu viel mit sich selbst und zu wenig mit dem Markt. Ganz objektiv ist der Laden schlecht geführt. Das Elend hat aber nicht nur einen Namen." Auch Aktionärsschützer beklagten heftig die Geschäftsentwicklung und den Verfall der Aktie, die im Frühjahr sogar bis auf gut 4 Euro absackte, nachdem sie Mitte letzten Jahres ihren zwischenzeitlichen Höchststand mit fast 14 Euro hatte.

Infineon steckt unbestritten in einer tiefen Krise. Der Konzern leidet massiv unter der Speicherchip-Tochter Qimonda, die seit einem Jahr gezwungen ist, Ware zu Schleuderpreisen auf den Markt zu werfen. Allein von Januar bis März machte Infineon so unterm Strich 1,37 Milliarden Euro Verlust. Auch im Kerngeschäft mit Steuerungschips für Auto und Industrie sowie für die Telekommunikationstechnik läuft es bei den Münchnern nicht rund. Speziell die Handychips schaffen es entgegen allen Planungen nicht aus den roten Zahlen.

"Bei den Handy-Chips hat Infineon ja vor allem Probleme, weil mit BenQ Mobile der Hauptkunde insolvent gegangen ist", sagt Merck-Finck-Analyst Theo Kitz. Das Management habe auf die Situation sogar "ganz ordentlich reagiert" und im Laufe der vergangenen zwei Jahre alle namhaften Mobiltelefon-Hersteller als Kunden gewonnen. Bleibt der große Problemfall Qimonda: Infineon hält noch immer 77,5 Prozent an der Speicherchip-Tochter und wird die Beteiligung höchstwahrscheinlich nur mit Verlusten los, stehen die Anteile doch zu merklich höheren Werten in den Büchern als derzeit an der Börse geboten werden. "Qimonda ist nicht zu verkaufen gewesen", nimmt ein Analyst das Management in Schutz. Ein anderer widerspricht: "Kurz nach dem Börsengang hätte man noch einen ordentlichen Preis erzielt."

Viele Börsianer wollen inzwischen statt Querelen Taten sehen. Auch aus diesem Grund kocht die Gerüchteküche hoch. Aufsichtsratschef Kley lote bereits eine Fusion mit dem niederländischen Wettbewerber NXP aus, schrieb die Financial Times Deutschland. Dies halten Analysten aber für unwahrscheinlich, da es zu wenige Berührungspunkte gebe. In dieser Woche meldete sich im "Handelsblatt" der Chef des russischen Mischkonzern Sistema, Alexander Gontscharuk, zu Wort: "Für uns ist Infineon ein sehr interessantes Ziel – vor allem der Bereich Forschung und Entwicklung." Im gleichen Atemzug erklärte er das Unterfangen aber für praktisch undurchführbar: Es gebe politische Hindernisse, der Konzern sei "ein Flaggschiff der deutschen Industrie".

Die gebeutelten Infineon-Aktionäre warten dringlich darauf, dass Konsequenzen aus der Misere gezogen werden. Die Richtungsentscheidung könnte früher kommen als bislang vermutet. Der Börsen-Zeitung zufolge soll es bereits in der Aufsichtsratssitzung am 31. Mai zum Showdown kommen, dann solle Ziebarts bis September 2009 laufender Vertrag nach weniger als vier Jahren vorzeitig beendet werden. (Daniel Schnettler, dpa-AFX und Michael Friedrich, dpa) / (pmz)