Belichtungshelfer: Histogramme richtig anwenden

Seite 2: Lichter- und Schattenzeichnung

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Kameras können ausgehend von der auf einen Mittelwert (Grau) eingestellten Belichtung nur einen begrenzten Bereich an helleren und dunkleren Tönen wiedergeben, gleichgültig, ob sie mit Film oder mit digitalen Bildsensoren arbeiten. Die "korrekte Belichtung" im technischen Sinne orientiert sich an diesem mittleren Grau. Nach oben hin gibt es bei Diafilm und Digitalkameras eine absolute Überbelichtungsgrenze, ab der Lichter ausfressen. Das bedeutet, dass helle Bereiche im Bild keinerlei Zeichnung mehr aufweisen, sondern nur noch als weiße Fläche wiedergegeben werden. Ein Beispiel dafür ist das Foto mit dem überbelichteten Schneefeld im Vordergrund weiter unten (Skigebiet Sudelfeld in Oberbayern). Negativfilme haben einen höheren Überbelichtungsspielraum als Dias, der aber ebenfalls endlich ist. Das liegt daran, dass sich, je stärker die Belichtung war, beim Entwickeln um so mehr Silberkristalle bilden, wobei deren Zunahme einer immer flacher werdenden Kurve folgt. Bei einer Digitalkamera gibt es beim Auslesen der Sensordaten und deren Digitalisierung dagegen einen bestimmten Zahlenbereich, der eine Obergrenze hat. Alles, was darübergeht, wird einfach "geköpft" – also radikal abgeschnitten. Wenn Sie einen Messbecher mit Wasser füllen, der 1 L fasst, können Sie darin wenige Milliliter bis zu 0,9999... Liter immer schön unterscheiden. Aber wenn Sie zwei Liter hineingießen, läuft die Hälfte über – und es bleiben nur 1,0000 Liter im Becher. Siehe dazu den Artikel Prioritäten setzen: Mehr Lichterzeichnung aus Digitalfotos herausholen

Nach unten hin, also in den dunklen und schattigen Motivbereichen, setzt das Absinken der Tonwerte in allmählichen Zeichnungsverlust und Rauschen Schranken. Allerdings gibt es hier keine so klare Grenze, ab der dunkle Motivteile absolut schwarz sind – wenn man alle Mittel der Nachbearbeitung nutzt.

Blick auf den Tegernsee im abendlichen Sonnenschein: Ein Motiv mit weitgehend ausgewogener Verteilung von Lichtern und Schatten.

An die Helligkeit der Beleuchtung lassen sich die Aufnahmeparameter – durch Verstellen von Empfindlichkeit (ISO), Zeit und Blende – in sehr weiten Grenzen anpassen. Am Motivkontrast kann man bei der Aufnahme erst einmal nichts ändern, ausser durch zusätzliches Licht: vom eingebauten Blitz über zusätzliche Blitze im Studio bis hin zu aufhellenden Reflektoren, um zu hohe Kontraste bzw. zu wenig Licht in Schattenbereichen auszugleichen.

Früher wurden Negative härter oder weicher entwickelt beziehungsweise unterschiedliche Filmsorten verwendet. Beim Vergrößern der Abzüge auf Fotopapier standen unterschiedliche Gradationen (hartes oder weiches Papier) zur Anpassung der Kontraste zur Verfügung. Weitere Dunkelkammertricks waren das Abwedeln oder Nachbelichten von zu dunklen oder zu hellen Bildbereichen. Heute kann man bei der RAW-Konvertierung massiv in die Kontrastwiedergabe eingreifen, und im Detail sogar viel differenzierter als beim chemisch entwickelten Film- und Papiermaterial. Zunächst aber gilt es, die Aufnahme bestmöglichst zu belichten, denn auch die EBV (Elektronische Bildverarbeitung) hat ihre Grenzen.

Das Histogramm des Auswahl-Rechtecks im Himmel gibt die drei auffälligen Zacken aus dem vorherigen Bild wieder.

Das erste Bild ist eine "ganz normale" (leicht winterliche) Landschaftsaufnahme vom Tegernsee, mit der Abendsonne rechts im Rücken. Wie das eingeblendete Histogramm zeigt, häuft sich die Tonwertverteilung in der Mitte ("Bergspitze" in der Mitte), nach links – zu den Schatten – fällt die Kurve ab, und auch rechts verlaufen sich die minimalen Werte auf der Nulllinie vor der rechten Kante. Die meisten Helligkeitswerte liegen also im mittleren Bereich, lediglich die Farben geben dem Bildinhalt Kontrast, einen Hinweis auf abgeschnittene Schatten oder Lichter sieht man nicht.

Auffällig sind allerdings die drei hohen Zacken nahe am rechten Rand in rot, grün und blau. Ein erfahrener Betrachter wird annehmen, dass diese vom Hellblau des Himmels (und dessen Spiegelung auf dem Wasser) stammen. Das läßt sich leicht nachprüfen, indem man – wie im nächsten Bild zu sehen – das Histogramm eines Ausschnittes aus dem Himmel anzeigen läßt. Direkt in der Kamera ist so ein Ausschnittshistogramm meines Wissens noch nicht möglich, aber in Photoshop erhält man es, indem man einfach einen Auswahlbereich einstellt und sich dann das Histogramm anschaut.

Tatsächlich sehen die drei übligbleibenden RGB-Zacken fast genauso aus wie beim Histogramm aus dem Gesamtbild. Man kann daraus ablesen, dass der Himmel sich noch einwandfrei im Zeichnungsbereich der Lichter befindet.