Berliner Landesregierung plant zentrale Schülerdatei

SPD und Linke haben sich auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, wonach die Schüler der Hauptstadt künftig durchnummeriert und 16 persönliche Informationen über sie automatisiert in einer zentralen Datenbank gespeichert werden sollen.

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Die rot-rote Regierungskoalition im Land Berlin will eine zentrale Schülerdatei einrichten lassen. Die Fraktionen von SPD und Linken haben sich dazu auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf (PDF-Datei) geeinigt, wonach die Schüler der Hauptstadt künftig durchnummeriert und 16 persönliche Informationen über sie automatisiert in einer zentralen Datenbank gespeichert werden sollen. Zu den Angaben zählen laut dem Vorstoß, der am gestrigen Dienstag im Datenschutzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Diskussion stand und morgen offiziell ins Parlament eingebracht werden soll, neben Name, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht, Anschrift, Ansprechmöglichkeiten der Erziehungsberechtigten und Informationen zur besuchten Schule etwa auch die "nichtdeutsche Herkunftssprache", spezieller Förderbedarf oder "die Befreiung von der Zahlung eines Eigenanteils für Lernmittel".

Datenverarbeitungs- und Zugriffsrechte sollen neben den zuständigen Schulen die bereichsspezifischen Schulämter der Berliner Bezirke erhalten. Dabei ist teils eine Pflicht zur Pseudonymisierung von Daten vorgesehen. Auch die Senatsschulverwaltung darf dem Vorhaben nach Informationen in pseudonymisierter Form automatisch abrufen. Ein Rückgriff auf Daten eines konkreten Schülers soll für sie ausgeschlossen werden. Andererseits sieht der Entwurf vor, dass die zuständige Senatsverwaltung "auf Anfrage im Einzelfall" Strafverfolgungsbehörden, Polizei, Jugendämtern nebst Gerichtshilfe, der Bewährungshilfe und den Gesundheitsämtern "unverzüglich" mitteilt, welche Ausbildungsstätte ein Schüler besucht. "Zur Abwehr einer konkreten Gefahr" hat die Senatsverwaltung zudem Polizeibehörden allgemeine Personeninfos sowie Name, Anschrift und Telefonnummern der Erziehungsberechtigten auszuhändigen. Dafür soll eine gesonderte Stelle eingerichtet werden, die organisatorisch, personell und räumlich von anderen Organisationen des Schulressorts zu trennen ist.

Zu löschen sind die Daten dem Vorstoß nach ein Jahr nach Austritt aus der Schule, falls zu diesem Zeitpunkt die Schulpflicht beendet ist. In Kraft treten soll das Gesetz direkt am Tag nach Verkündung, sodass die Schülerdatei faktisch zum neuen Schuljahr im Spätsommer 2009 in Betrieb gehen könnte. Da die Initiative von den Fraktionen und nicht vom Senat ausgeht, dürften dem Vorhaben auch nach der prinzipiellen Einigung keine großen Hürden mehr im Weg stehen.

Die Koalition begründet ihren Plan vor allem damit, dass er zur besseren Organisation des Schuljahres beitragen könne. Dies beziehe sich auf die Bedarfsplanung, die Gründung, Zusammenlegung, Umwandlung und Aufhebung von Ausbildungseinrichtungen, die Festsetzung der Aufnahmekapazitäten und die Vergabe von Schulplätzen einschließlich der Lehrkräftezuteilung. Damit soll auch der Praxis mancher Eltern ein Riegel vorgeschoben werden, dass sie ihre Schützlinge an mehreren Schulen in der ersten Klasse oder beim Wechsel auf eine weiterführende Institution anmelden. Ferner erhofft sich Rot-Rot einen Beitrag zur "Kontrolle und Durchsetzung der Schulpflicht". Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wünschte sich die Datei seit Langem, um eine bessere Übersicht zu erlangen, wie viele Lehrer zum neuen Schuljahr einzustellen sind. Aber auch die Polizei forderte das Zentralverzeichnis, um straffällige oder schwänzende Schüler schneller der entsprechenden Schule zuordnen zu können.

In der Linksfraktion hatten zunächst einige Abgeordnete Bauchschmerzen, hauptsächlich wegen der in die Schülerdatei einfließenden Merkmale. Damit könne ein Sozialprofil von Familien erstellt werden, lauteten die Bedenken gegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. Die Fraktionschefin der Linken, Carola Bluhm, gibt inzwischen aber die Losung aus, dass man mit dem jetzt vorliegenden Papier zufrieden sei. Ein "gläserner Schüler" werde nicht produziert.

Der stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte, Thomas Petri, sieht den Entwurf mit gemischten Gefühlen. Einerseits stelle er sicher, dass es nur einen eingeschränkten Zugriff auf die Informationen gebe. Andererseits berge eine zentrale Datei immer Risiken. Scharfe Kritik üben die Grünen. Sie warnen vor "Datenschnüffelei in den Schulen", wenn die Datei in der geplanten Form komme. Aufgabe der Bildungsstätten sei es nicht, "als Hilfssheriff den Sicherheitsbehörden zu dienen". Die Oppositionspartei fordert die strikte Trennung von Personen- und Sozialdaten. Nur so könnten Stigmatisierung und Missbrauch verhindert werden. Auch die Freien Schulen warnten vor einem "übertriebenen Datenhunger". Mit der Unterstützung der CDU kann die Koalition dagegen voraussichtlich rechnen. (Stefan Krempl) / (jk)