Berliner Raumfahrtforscher wollen Googles Rennen zum Mond gewinnen

Das Berliner Unternehmen PTScientists ist das letzte deutsche Team im Raumfahrt-Wettbewerb Google Lunar X-Prize. Teamchef Robert Böhme geht es nicht nur um den Sieg, er verfolgt ein übergeordnetes Ziel: Raumfahrt effizienter machen.

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Berliner Raumfahrtforscher wollen Googles Rennen zum Mond gewinnen

(Bild: PTScientists CC-BY-SA 4.0)

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  • dpa

Das Weltall – unendliche Weiten. So weit möchte das Berliner Ingenieurs-Team PTScientists zwar nicht hinaus, hat sich aber sehr wohl ein großes Ziel gesteckt: Bis Ende 2017 möchte die Forschergruppe um den 30-jährigen Robert Böhme mit einer unbemannten Mission zum Mond fliegen und damit den im Jahr 2007 ausgerufenen Wettbewerb Google Lunar X-Prize (GLXP) gewinnen. Dafür muss ein Rover auf dem Mond gelandet sein und insgesamt 500 Meter auf der Oberfläche zurückgelegt haben. 30 Millionen Dollar Preisgeld locken.

In Berlin stellte PTScientists – einziger deutscher von insgesamt 24 Teilnehmern aus aller Welt – am Donnerstagabend den nächsten Meilenstein auf seinem Weg ins All vor: das Landemodul "Alina" (Autonomous Landing and Navigation Module), das den Rover auf dem Mond absetzen soll. "Das ist mittlerweile die dritte Generation, da stecken viele Jahre Entwicklungsarbeit drin", sagt Teamgründer und -leiter Robert Böhme.
12,5 Millionen Dollar (rund 11,2 Mio Euro) kostete die Entwicklung demnach. "Alinas" Leergewicht beträgt 330 Kilogramm, aufgetankt wiegt das aus Carbonfaser angefertigte Modul bis zu 1,4 Tonnen. Zudem ist es kompakt: 2,50 Meter breit, 1,75 hoch, zwei Meter tief. Sieben Kameras und acht steuerbare Antriebe sollen bei einer sanften Landung helfen. Sensibelste Technologie, um den Sieg beim X-Prize einzufahren.

Die Untersuchung des 1972 von Apollo 17 auf dem Mond zurückgelassenen Lunar Roving Vehicle ist das Ziel der Forscher.

Doch darum geht es dem Team nicht hauptsächlich. "Im Grunde ist der Wettbewerb eine große Wette: Du fliegst zum Mond, fährst 500 Meter und bekommst 30 Millionen Dollar", erklärt Informatiker Böhme. "Das ist aber zu klein gedacht - das hat keinen übergeordneten Nutzen." Seine Motive reichen weiter: "Unsere Technologie lässt sich mit allen derzeitigen Trägerraketen transportieren und ist nicht nur für eine spezielle Mission zu gebrauchen. Das ist auch das größte Problem in der Raumfahrt: Vieles ist zu maßgeschneidert." "Alina" sei das Puzzleteil, das diese Problematik lösen könne. Mit Hilfe des modular aufgebauten Landers seien künftige Missionen für maximal 35 Millionen Dollar realisierbar. "Es ist zwar nicht das effizienteste Design, aber das kompatibelste."

Darüber hinaus soll der Wissenschaft ein Dienst erwiesen werden. "Wir haben mit der Nasa vereinbart, dass wir den Rover der "Apollo 17"-Mission untersuchen dürfen. Die Ergebnisse werden wir zu 100 Prozent öffentlich zugänglich machen", verspricht Böhme. Der Nasa-Rover "LVR" wurde nach der Mondlandung 1972 auf dem Erdsatelliten zurückgelassen und ist seitdem den Kräften des Weltalls ausgesetzt. "Niemand weiß, wie "LVR" mittlerweile aussieht. Es waren Materialien wie Aluminium, Nylon und sogar Leder verbaut. Wir wollen erforschen, was mit diesen Materialien im Laufe der Zeit passiert ist."

Allein mit Idealismus lässt sich allerdings kein Raumschiff bauen. Das weiß auch Böhme: "Natürlich spielen auch kommerzielle Interessen eine Rolle. Wir können bis zu 100 Kilogramm mit "Alina" transportieren und bieten an, Kunden-Technologien für Tests ins All mitzunehmen." Bis zu 800 000 Euro verlangt PTScientists pro Kilogramm fremder Nutzlast. "In der Raumfahrt ein Schnäppchen", sagt der Forscher.

Um die internationale Konkurrenz beim X-Prize hinter sich lassen zu können, hat Böhme eine Mannschaft von Spezialisten um sich geschart. Wichtigster Kopf seiner Truppe: der US-Amerikaner Jack Crenshaw, der auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Raumfahrt zurückblicken kann und an den Flugbahnberechnungen der "Apollo"-Missionen beteiligt war. "Er ist eigentlich schon längst im Ruhestand und arbeitet daher ehrenamtlich für uns. Solche Leute kann man nicht kaufen, die muss man begeistern", sagt Böhme.

Insgesamt arbeiten 35 aktive Forscher auf drei Kontinenten teils ehrenamtlich für das im Jahr 2008 gegründete Konsortium. Zwölf Festangestellte koordinieren die gemeinsamen Aktivitäten von Berlin aus. Beteiligt sind auch viele Partner aus der Wissenschaft, etwa die Technischen Universitäten in Berlin, Hamburg und Wien sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Hauptsponsor des Projekts ist der Autobauer Audi.

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(mls)