Porträt: Die Part Time Scientists

Jede Stufe ihrer Hardware-Entwicklung beginnt mit der Erkenntnis, dass es unmöglich sei, es zu schaffen, sagt Projektinitiator Robert Böhme über die Part Time Scientists. Sie wollen für 20 Millionen Euro zum Mond fliegen, dort herumfahren und Bilder zur Erde übertragen. Noch Fragen? Ja. Viele!

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(Bild: Alex Adler, Part Time Scientists)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Anika Kehrer
Inhaltsverzeichnis

Arne Reiners überlegt konzentriert, wie alt er eigentlich ist. Der Programmierer aus Bremen ist Gründungsmitglied der Part Time Scientists und der generelle Plan B der Gruppe – weil er für alles eine Lösung weiß. Und das, obwohl er weder eine Ausbildung noch ein Studium absolviert und – wie Projektkollegen erzählen – noch nie einen Lebenslauf geschrieben hat.

Arne Reiners ist Software-Entwickler. Aber eigentlich, sagen seine Kollegen, ist er eine Art Geheimwaffe, denn er könne alles. Im Moment beschäftigt er sich vor allem mit der Bildverarbeitung des Kamerakopfes.

(Bild: Anika Kehrer, rtfinem.de)

"Der wird einfach irgendwie angesprochen und eingestellt, weil jeder, der ihn kennt, weiß, was er kann". Neben ihm sitzt Karsten Becker, Doktorand der technischen Informatik im Bereich FPGA an der Uni Hamburg-Harburg. Woran genau die beiden bei den Part Time Scientists arbeiten, an dieser Frage scheitere ich beharrlich an diesem Tisch irgendwo auf dem 31c3. Irgendwann fällt das auf. Karsten Becker springt dann kichernd in die Bresche: "Arne zu fragen, was er ganz konkret macht, ist eigentlich die falsche Frage, weil er einer der wenigen ist, die wirklich alles können."

Karsten Becker promoviert in technischer Informatik. Seine Arbeit am Mond-Rover – dessen Bauch er hier gerade zuklappt, weil die Kabel so unschön heraushingen – begeistert seinen Professor, weswegen er ihn in seine bezahlte Arbeit an der Uni integrieren kann.

(Bild: Anika Kehrer, rtfinem.de)

Reiners hat zum Beispiel zu Beginn des Projekts mal die Bahnberechnung abgeschätzt, also wie viel Energie man für wie viel Gewicht bei welchen einwirkenden Kräften benötigt, um auf den Mond zu kommen. "Das ist eigentlich gar nicht so schwer", meint er. "Alles, was man wissen muss, steht in der Wikipedia. Man muss nur wissen, was man davon braucht." Später hat sich herausgestellt, dass seine Schätzung nur um ein paar Prozentpunkte von dem Ergebnis abweicht, das ein Profi errechnet.

Die beiden erklären ihren Mond-Rover so: Es gibt vier Räder, jedes mit vier Freiheitsgraden: vorwärts/rückwärts, links/rechts, hoch/runter und rund um die eigene Achse. Dafür addiert man Rotationsvektoren auf Richtungsvektoren und Tangenten der Radmitte. Natürlich müssen die Bewegungen der einzeln ansteuerbaren Räder auch von der Geschwindigkeit her zueinander passen. Aber Becker findet: "Das ist nicht so schwierig. Mit dem Algoritmus, den ich mir ausgedacht habe, ist das trivial." Ein im Bauch des Rovers sitzender FPGA nimmt dann die Richtungsanweisungen entgegen und gibt sie an die Motorentreiber weiter.

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Aus dem Make-Archiv

Dieser Artikel erschien zuerst in der Make-Ausgabe 2/15 auf Seite 18. Wer ihn lieber als PDF lesen möchte, kann ihn sich kostenlos im heise shop herunterladen (einfach mit einem Benutzerkonto anmelden und den Artikel für 0 Euro "kaufen")

Vier Treiber sind für die Vorwärts- und Lenkbewegungen je zweier Räder zuständig. Zu dem Mond-Rover gehört auch noch ein Lander, der auf der Spitze einer Rakete sitzen wird, alles unter den Armen trägt und – idealiter – sanft absetzt. Dieser Lander verfügt über den Uplink zur Erde (via Laser), über den die Fernsteuersignale von der Erde kommen, denen der Rover auf dem Mond gehorcht, und über den die Bilddaten zurück an die Erde gehen.

So sieht ein Kaltstart zum Verständnis der Part Time Scientists aus. Arne Reiners und Karsten Becker sind zwei der weltweit rund 70 Projektmitglieder und Teil des sechs- bis zwölfköpfigen Kernteams.

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Die Part Time Scientists in Kürze

Die Part Time Scientists sind private Freizeit-Raumfahrer. Oder genauer: Sie setzen alles daran, Raumfahrer zu werden. Gefunden hat sich die Gruppe für die Teilnahme an einem Wettbewerb zur Förderung der privaten Raumfahrt, dem Google Lunar XPrice. Google will hiermit die Entwicklung von kostengünstigen Raumfahrt-Projekten voranbringen. Insgesamt 30 Millionen US-Dollar sind an Preisgeldern ausgeschrieben. Die Finanzierung der teilnehmenden Projekte darf nur zu höchstens 10 Prozent aus staatlichen Mitteln bestehen. Die Aufgabeist es, eine Raumfahrt-Mission zu entwickeln, die ein unbemanntes Fahrzeug auf dem Mond absetzt, dort 500 Meter fährt und davon Bilder auf die Erde übermittelt.

Die Mission der Part Time Scientists besteht aus drei Teilen. Teil eins ist der Transport in die niedrige Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit, LEO). Dafür will die Gruppe den Service eines Raketenstart-Dienstleisters in Anspruch nehmen. Ein möglicher Start wäre mit dem Dnepr LV (Launch Vehicle) vom Yasny Kosmodrom in Russland. Dann beginnen Teil zwei und drei, die die Gruppe im Eigenbau vornimmt: In Teil zwei übernimmt ein Landemodul die Navigation um den Mond und die Landung. Teil drei ist die erfolgreiche Fahrt und Bildübermittlung des Rovers vom Mond