Berlins Datenschützer kritisiert Schilys Pläne zur Datenspeicherung

Eine massenhafte Speicherung von Internet- und Telefondaten sei nicht erforderlich, meint Hansjürgen Garstka. Es würden nur riesige Datenfriedhöfe entstehen, die viel Geld kosten und sich kaum sinnvoll nach brauchbaren Daten durchforsten lassen.

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Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka hat den Vorstoß von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) für eine längere Speicherung von Telefon- und Internetdaten kritisiert. "Davon halte ich nichts", sagte Garstka heute bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts für das Jahr 2004. Eine derart massenhafte Speicherung sei nicht erforderlich. Es würden nur riesige Datenfriedhöfe entstehen, die viel Geld kosten und sich kaum sinnvoll nach brauchbaren Daten durchforsten lassen.

Schily will Verbindungsdaten länger speichern lassen, um sie bei der Strafverfolgung insbesondere von Terror-Verdächtigen nutzen zu können. In der rot-grünen Koalition sowie in der FDP stoßen die Pläne aber auf Widerspruch. Die Union unterstützt den heftig umstrittenen Vorstoß. "Ich halte eine Ausweitung der Speicherung der Verbindungsdaten zur Abwehr von Gefahren und zur Aufdeckung von Straftaten für notwendig", sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach laut dpa.

Garstka wies darauf hin, dass gegenwärtig in der Europäischen Union eine Richtlinie zur Speicherung von Telekommunikationsdaten erarbeitet wird. Darauf habe Schily augenscheinlich reagiert. Er gehe aber davon aus, dass der Bund zunächst abwartet, wie Brüssel entscheidet.

Nach den Worten des Berliner Datenschutzbeauftragten könnten seine deutschen Kollegen mit einer "Einfrierlösung" leben. Danach dürften in konkreten Verdachtsfällen Telefon- und Internetdaten über längere Zeit als bisher erlaubt von den Telekommunikationsunternehmen gespeichert werden. Sobald sich der Verdacht bestätigt, dürften die Behörden dann auf diese "eingefrorenen" Daten zugreifen. Schily hatte am Rande der CeBIT betont, die Sicherheitsbehörden müssten "alle Möglichkeiten nutzen, um an die Planung von Verbrechen und terroristischen Aktionen heranzukommen".

Ein Thema im Jahresbericht war unter anderem die Umsetzung von Hartz IV. "Die große Eile bei dem Vorhaben der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die noch größere bei seiner Umsetzung" haben zu "erheblichen datenschutzrechtlichen Mängeln" geführt, meint Garstka. In den Anträgen würden Angaben verlangt, die für die Bearbeitung nicht erforderlich seien. Das eingesetzte IT-Verfahren weise noch immer gravierende Mängel auf. So werde der lesende Zugriff der Mitarbeiter auf die Daten nicht protokolliert.

Die Radio Frequency Identification (RFID) berge aufgrund der drahtlosen und unscheinbaren Arbeitsweise bei Verknüpfung von produkt- und personenbezogenen Angaben erhebliche Risiken für die informationelle Selbstbestimmung, meint Garstka weiter. Ebenso würden drahtlose Netze viele Risiken bergen. "Wer neben den zahlreichen Vorteilen wie Portabilität, Flexibilität, erhöhte Produktivität sowie niedrige Installationskosten auch die Sicherheitsprobleme kennt, kann sich bereits durch einfache Maßnahmen schützen", rät der Datenschützer.

Bei der rechtlichen Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff sei zu beachten, dass auch "andere heimliche Eingriffsbefugnisse des Staates, die die private Lebensführung berühren, an den Maßstäben des BVerfG zu messen sind". Der "absolute Kern der privaten Lebensgestaltung" dürfe nicht zugunsten der Strafverfolgung eingeschränkt werden. Ohnehin spreche die nicht überzeugende Erfolgsquote bei der Aufklärung von Straftaten gegen die akustische Wohnraumüberwachung.

Zu den weiteren Themen der Jahresbilanz gehört -- wie schon auf der Konferenz der Datenschutzbeauftragten -- die Ticketvergabe zur Fußball-WM 2006. Es würden zu viele personenbezogene Daten erhoben, meint Garstka. Die geplante Anti-Terror-Datei sei fragwürdig, weil dem Trennungsgebot von Verfassungsschutz und Polizei nicht entsprochen werde. Die Einführung der LKW-Maut auf Autobahnen sei mit "gravierenden datenschutzrechtlichen Problemen" verbunden. Automatisch werden von allen Fahrzeugen Frontbilder erfasst, Kfz-Kennzeichen eingelesen sowie die Fahrzeuge vermessen. Und auch bei der Bezahlung von Parkgebühren per Handy hat Garstka Bedenken. (anw)