Bertelsmann-Tochter für Steuererhebung und IT-Sektor in Ostengland verantwortlich

Die Arvato AG hat Verwaltungsprozesse bis hin zu Steuerberechnung und Zahlungseinzug sowie den IT-Sektor des "East Riding"-Kreises übernommen. Ein ähnlich weitgehendes Outsourcing von kommunalen Dienstleistungen erscheint hierzulande bislang kaum denkbar.

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Die Gütersloher Arvato AG hat im Oktober zahlreiche Verwaltungsprozesse bis hin zur Berechnung von Steuern und zum Zahlungseinzug sowie den IT-Sektor des "East Riding"-Kreises in Yorkshire im Rahmen einer Public Private Partnership (PPP) übernommen. "Wir sind in einige ganz klar hoheitlich definierte Bereiche vorgedrungen", erklärte Christoph Baron, Leiter Government Services bei der Bertelsmann-Tochter, am heutigen Donnerstag auf dem Forum "Public Sector" des Branchenverbands Bitkom in Berlin. Dabei werde aber etwa mit der Prüfung von Widersprüchen gegen Steuerbescheide kontrolliert, "ob die bisherige Qualität gehalten wurde". Darüber hinaus kümmere sich das zunächst auf acht Jahre angelegte Joint Venture mit der Kreisverwaltung etwa um die Auszahlungen zu Hilfen von Lebensunterhalt, betreibe Bürgerbüros und verantworte den kompletten Betrieb und die Beschaffung der Informationstechnik.

Ein ähnlich weitgehendes Outsourcing von kommunalen Dienstleistungen erscheint hierzulande bislang kaum denkbar. In Großbritannien gibt es dagegen schon seit den frühen 80ern Anreize für umfassende Kooperationen der öffentlichen Hand mit Privaten. So wird den beteiligten Unternehmen etwa die Mehrwertsteuer erstattet, die auch für Dienstleistungen Externer im PPP-Sektor anfällt und gerade bei personalintensiven Tätigkeiten einen großen Batzen auf jeder Rechnung ausmacht. Auch in Deutschland beschäftigt sich der Bundestag zwar bereits mit der Thematik. Viele Kommunen äußern allerdings Vorbehalte. Sie befürchten etwa, dass ihre eigenen Dienstleistungen künftig umsatzsteuerpflichtig werden, wenn sie auch von Privaten erbracht werden könnten. Darüber hinaus ist das Rechnungswesen in Verwaltungen hierzulande noch wenig transparent, sodass die Kosten von Leistungen nur schwer zu vergleichen sind.

Die Frage, warum angesichts einer solchen Ausgangsbasis gerade ein deutsches Unternehmen ohne große Erfahrungen im öffentlichen Bereich bei dem großen Outsourcing-Projekt in England zum Zuge kam, beantwortet Baron neudeutsch mit dem Hinweis: "Wir haben einen Fit gefunden". Ziele des Kreises seien es etwa gewesen, die Behördenmitarbeiter "nicht einfach freizusetzen", zusätzliche Arbeitsplätze mit dem Projekt in der Region zu schaffen sowie die aufzubauenden Dienstleistungen an andere Kommunen zu vermarkten. Arvato hat nun 516 Angestellte in das Joint Venture eingegliedert und in dem Flächengebiet mit rund 320.000 Einwohnern, 159 Schulen, 3000 Straßenkilometern und 7 Millionen Mülltonnen, den Baron mit einem gut aufgestellten "Ostfriesland" Englands vergleicht, 19 "Citizenlinks" eingerichtet. "Das sind letztlich mit IT aufgestattete Telefonzellen", erläutert Baron die Funktionsweise der dezentralen rudimentären "Bürgerbüros". Dort könne man Dokumente einscannen oder mit einem Mitarbeiter kommunizieren, um dieselben Dinge wie bei einem richtigen Amtsgang zu erledigen.

Den Vertragsumfang beziffert Baron mit insgesamt 240 Millionen Euro, den benötigten Bedarf an externen Mitarbeitern schätzt er auf 4000 bis 5000 pro Jahr. Die Hälfte davon seien im Zahlungsverkehr eingesetzt, ein großer Teil kümmere sich um den Bürgerservice. Die IT-Infrastruktur mitsamt Helpdesk sei auf 17.000 Mitarbeiter ausgerichtet, wobei Kostenvorteile vor allem über einen Rahmenvertrag auch für die zentrale Beschaffung von Hard- und Software entstünden.

Ein derart großes Projekt muss seine Wirtschaftlichkeit naturgemäß klar nachweisen. Es sind daher laut Baron Kennzahlen festgelegt worden, die etwa die Dauer des Klingelns des Telefons, das Warten des Kunden im Bürgerbüro vor Ort oder den Anteil der gemäß Zielvereinbarung gelösten Fälle am "Service Desk" umfassen. Insgesamt müsse die Wirtschaft in solchen PPP-Unternehmungen zeigen, "dass wir es billiger machen können". (Stefan Krempl) / (jk)