Big Brother Awards Austria für Zwischenablagen-Diebstahl und EU-Kommission
Seite 2: Zwischenablage als Freiraum für Gesetzlose
Eine Verbesserung in Apples Handybetriebssystem iOS Version 14 hat erstmals transparent gemacht, wie schamlos sich viele bekannte Apps an privaten Nutzerdaten bedienen: Sie lesen laufend und ohne den User zu informieren den Inhalt seiner Zwischenablagen aus – sogar die Zwischenablagen verbundener Apple-Geräte, auf denen die jeweilige App gar nicht installiert ist.
Zunächst hatte TikTok mit Zugriff auf die Zwischenablage im Sekundentakt für Schlagzeilen gesorgt; inzwischen sind über 50 Apps großer Anbieter bei dieser Form des Datendiebstahls erwischt worden: Von Microsofts Linkedin über Starbucks, Aliexpress, Viber, Fox News, Stern und die New York Times bis zum öffentlichen kanadischen Rundfunk CBC.
Dabei geht es keineswegs nur um Text. In der Zwischenablage können viele Dinge, auch Fotos sein – und sofern der Fotograf die automatische Markierung mit GPS-Koordinaten nicht deaktiviert hatte, auch der jeweilige Aufenthaltsort. Für die Praxis des ungefragten Auslesens der Zwischenablage vergab die österreichische Jury den Preis für "Weltweiten Datenhunger".
In der Rubrik Kommunikation und Marketing haben sich die Preisrichter für die App "Lernsieg" entschieden. Sie erlaubt die anonyme Bewertung von Lehrern und Schulen, ohne Zustimmung der Betroffenen.
Debit Mastercard statt Bankomatkarte
Der Big Brother Award in der Kategorie Business und Finanzen geht diesmal an Mastercard. Manche österreichischen Banken ersetzen die bewährten Bankomatkarten durch Debit Mastercards. Die werden wie Kreditkarten behandelt, nur mit sofortiger Abbuchung vom Konto. Dabei können Daten auch in die USA übertragen werden, wo ein Bundesdatenschutzgesetz bislang fehlt. Das machen aber weder die Banken noch Mastercard deutlich.
Die DSGVO verlangt zwar, dass "betroffenen Personen ausdrücklich durchsetzbare Rechte in Bezug auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu übertragen" sind. Wie das beim Einkauf im Supermarkt funktionieren soll, verraten die Geldinstitute nicht.
EU als Wiederholungstäter
Letzter Laudator der Gala war Max Schrems von der Datenschutzorganisation NOYB. Er erläuterte, warum die EU-Kommission den Spezialpreis als Lebenslanges Ärgernis in Sachen Datenschutz erhält: Weil sie wiederholt Datenabkommen mit den USA schließt, obwohl klar ist, dass das Abkommen gegen die europäischen Grundrechte verstößt.
Nachdem der EuGH das Safe-Harbor-Abkommen mit den USA aufgehoben hatte, wurde ein neues, ebenfalls illegales Abkommen unter dem Namen "EU-US Privacy Shield" geschlossen. Dieses Schild sollte Datenprofiteure weiterhin vor dem Datenschutz schützen. Wenig überraschend wurde auch das Privacy Shield wieder vom EuGH als rechtswidrig aufgehoben, was allerdings fast fünf Jahre gedauert hat.
"Die EU-Kommission ist draufgekommen, dass der EuGH Jahre braucht, um etwas aufzuheben, die Kommission aber nur ein bis zwei Monate, um etwas Neues zu vereinbaren", sagte Schrems. Inzwischen gäbe es Andeutungen, dass dieser Weg erneut beschritten werden soll, um US-Firmen wieder freien Zugang zu EU-Daten zu verschaffen.
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(ds)