Bit-Rauschen: Intel-Gewinn schrumpft, KI und Bitcoins boomen, Chips weiter knapp

Während Intel Gewinnrückgänge einstecken muss, pumpen Investoren Milliarden in junge KI-Chipfirmen. Doch die Chipknappheit bereitet weiterhin Probleme.

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Viele Firmen würden sich über 19,7 Milliarden US-Dollar Umsatz und 3,4 Milliarden US-Dollar Nettogewinn in einem einzigen Quartal freuen, doch bei Intel sackte der Aktienkurs um 4 Prozent ab. Denn im Jahresvergleich brach der Nettogewinn um 41 Prozent ein. Dank Homeoffice-Trend verkaufte Intel zwar 54 Prozent mehr Notebookprozessoren, starke AMD-Konkurrenz drückte den durchschnittlichen Verkaufspreis jedoch um 23 Prozent. Und bei den Xeon-CPUs für Server schrumpften sowohl Umsatz (um 20 Prozent) als auch Preise (um 14 Prozent). Angeblich müssen Cloud-Rechenzentren die vielen 2020 gekauften Prozessoren erst einmal verdauen – doch auch AMDs Epyc und ARM-Chips machen es den Xeons schwerer.

Verkündete Intel vor wenigen Jahren noch stolz, dass die Abhängigkeit vom PC-Markt auf weniger als die Hälfte des Umsatzes gesunken sei, waren es im ersten Quartal 2021 wieder 54 Prozent und sogar 69 Prozent des Nettogewinns. Und das trotz aller teuren Zukäufe wie Mobileye, Habana, Altera – und Pat Gelsinger. Letzterer versuchte als neuer Intel-Chef, die Stimmung zu heben: Er erwartet starkes Xeon-Wachstum dank der neuen 10-Nanometer-Typen und will in ein paar Jahren die Führung bei der Halbleiterfertigungstechnik von TSMC zurückerobern – wann genau, sagte er jedoch lieber nicht.

Size matters: Eine Cerebras-Mitarbeiterin zeigt den KI-Prozessor WSE-2 mit 850.000 Rechenkernen und 2,6 Billionen 7-Nanometer-Transistoren.

(Bild: Cerebras)

Bei AMD lief es viel besser: Im Jahresvergleich schoss der Umsatz um 93 Prozent auf 3,45 Milliarden US-Dollar hoch. Das ist freilich nur ein Sechstel der Intel-Einnahmen. Und die Bruttomarge liegt bei AMD mit 46 Prozent wesentlich niedriger als bei Intel (55 Prozent), auch weil noch ein Auftragsfertiger mitverdient. Doch bei der Umsatzrendite liegen beide bei rund 19 Prozent. Tja, wenn man starke Produkte hat, die man teuer verkaufen kann, dann klingelt die Kasse.

Fette Erträge erhoffen auch Investoren, die derzeit Milliarden in junge Firmen pumpen, die KI-Prozessoren entwickeln. Groq konnte in einer dritten Finanzierungsrunde 300 Millionen US-Dollar Risikokapital einsammeln, Cerebras seit der Gründung insgesamt 475 Millionen, Graphcore über 700 Millionen und SambaNova sogar mehr als 1 Milliarde. Anscheinend wissen manche Anleger dank Corona-Wirtschaftsförderung und Nullzinspolitik nicht mehr, wohin mit dem vielen Kapital, denn auch Börsen und Kryptowährungen erklimmen Höchststände.

Cerebras hat nun die zweite Generation der riesigen „Wafer-Scale Engine“ vorgestellt, schnörkellos WSE-2 genannt. Der Prozessor nutzt die Siliziumfläche eines 30-Zentimeter-Wafers weitgehend aus, um 850.000 Rechenkerne und 40 GByte SRAM unterzubringen. Eine WSE-2 schluckt bis zu 23 Kilowatt Leistung und sitzt in einem mindestens 2 Millionen US-Dollar teuren CS-2-System, das außer einer Wasserkühlung und zwölf Netzteilen noch ebenso viele 100-Gigabit-Ethernet-Karten beherbergt.

Eine Exotin wie die WSE-2 dürfte von der fortdauernden Chipknappheit kaum betroffen sein, weil Cerebras nur wenige Exemplare verkauft. Doch andere Branchen kämpfen weiterhin mit Engpässen. Die texanischen Chip-Fabriken von Samsung, NXP und Infineon sollten zwar wieder laufen, nachdem Stromausfälle infolge extremer Kälte sie lahmgelegt hatten. Doch bei TSMC und UMC droht Wassermangel wegen anhaltender Dürre im sonst regenreichen Taiwan. Weil Halbleiter fehlen, musste kürzlich etwa Daimler die Pkw-Produktion aussetzen und Stellantis baut ins Armaturenbrett des Peugeot 308 wieder klassische Rundinstrumente ein statt Displays. Bei Realtek gehen angeblich die Netzwerk- und Audiochips aus.

Ein Fünkchen Hoffnung gibt es für PC-Gamer, die es nach Grafikkarten dürstet, weil Bitmain mit dem Antminer E9 einen effizienten Ethereum-Miner angekündigt hat. Falls er lieferbar ist, könnten die GPU-Preise endlich sinken. Der Umwelt hilft das wohl wenig: Das Schürfen von Kryptowährungen schluckt weiterhin gewaltige Energiemengen, darunter viel dreckiger Kohlestrom aus China, weil dort rund 60 Prozent der Mining-Leistung für Bitcoins stehen. Eine Havarie in einer chinesischen Kohlegrube führte zu Engpässen in der Stromversorgung, die wiederum die aggregierte „Hash Rate“ für Bitcoin im zweistelligen Prozentbereich absacken ließ. Und die CO2-Reduktionsziele des Bundesstaats New York sind bedroht, weil die Mining-Farm Greenidge ein stillgelegtes Kraftwerk reaktiviert. Nun treibt das Geschacher mit Non-Fungible Token (NFT) die Ressourcenverschwendung weiter hoch.

Das Bit-Rauschen gibt es auch als Podcast.

c’t Ausgabe 11/2021

In c’t 11/2021 untersuchen wir die Chancen und Risiken von Kryptogeld. Außerdem zeigen wir, wie Sie den Ton im Videocall verbessern können, wir haben 4K-Monitore mit USB-Dock und Tischaufsätze fürs Homeoffice getestet und Software fürs Vereinsmanagement. Sie erfahren, wie Sie den Raspi blitzschnell einrichten, Fotos per KI entrauschen und mit 3D-Fotos Googles Street View bereichern können. Ausgabe 11/2021 ist ab dem 7. Mai im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich.

(ciw)