Blackberry sucht zwei neue Chefs – John Chen setzt sich zur Ruhe​

Blackberry-CEO John Chen geht nach zehn Jahren in Pension. Das war zu erwarten. Das Unternehmen scheint nicht vorbereitet.​

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Aufkleber über Tür: "Blackberry - Kiek ma, frische Beeren inna Stadt!"

Berlinerischer Blackberry-Werbung auf der IFA 2011

(Bild: Evilboy CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 4 Min.

John S. Chen verlässt das kanadische Unternehmen Blackberry (formals Research in Motion, kurz RIM). Freitag wird sein letzter Arbeitstag sein. Seit zehn Jahren ist Chen CEO und Vorstandsvorsitzender in Personalunion. Zu seinem Amtsantritt war Blackberry fast pleite. Unter Chens Führung gelang der Umschwung, weg vom sterbenden Geschäft mit Mobiltelefonen hin zu Software für IT-Sicherheit sowie für das Internet der Dinge (IoT) samt vernetzten Kraftfahrzeugen. Nun läuft der Vertrag des gebürtigen Hongkongers aus. Erstaunlich ist, dass noch kein Nachfolger bereitsteht.

Genauer gesagt, dass noch keine Nachfolger bereitstehen. Denn Chens letztes große Projekt als Blackberry-Chef war eine umfangreiche Prüfung stragetischer Möglichkeiten, die zu der Entscheidung führte, dass Blackberry sich aufspaltet. In Zukunft soll es zwei börsennotierte Software-Firmen geben: Eine, die sich um IT-Sicherheit kümmert, und eine andere, die das IoT-Geschäft fortführt. Die Hoffnung dahinter: Die beiden Aktien sollen gemeinsam mehr wert sein, als Blackberry-Aktien es jetzt sind.

Bekanntgegeben wurde der Aufspaltungs-Entschluss Anfang Oktober. Dass Chen seinen Vertrag jetzt nicht verlängert, ist keine Überraschung. Das hat er schon vor Wochen durchblicken lassen. Daher überrascht es, dass der Verwaltungsrat noch keine neuen CEO auserkoren hat. Den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden übernimmt Richard (Dick) Lynch, der dem Gremium seit zehn Jahren angehört. Vorübergehend wird Lynch auch die Agenden des CEO wahrnehmen. Dabei ist Lynch eigentlich schon im August 2011 in den Ruhestand getreten, nach 39 Jahren in Diensten des US-Netzbetreibers Verizon. Zuletzt war er dort Chief Technology Officer.

Blackberry-Handys waren einst hoch angesehen; die Hardware-Tastaturen boten sich speziell für E-Mail und Chats an. Gleichzeitig konnte Blackberry durch sein Systemdesign die Last in den Mobilfunknetzen deutlich reduzieren. Doch dann braute sich etwas zusammen: 2007 Apple brachte das iPhone auf den Markt, für das Dritte Apps feilbieten können; und immer mehr Netzbetreiber schwenkten um vom Verkauf von Minuten und SMS hin zum Verkauf von Gigabyte. Da passte ein datensparsames Gerät nicht mehr ins Konzept.

Im Oktober 2011, über vier Jahre nach der Einführung des erste iPhone versuchte Blackberry (damals noch RIM genannt), mit der neuen Smartphone-Plattform BBX gegenzusteuern und App-Programmierer dafür zu gewinnen. Weil der Markenname schon vergeben war, musste RIM BBX bald in BB10 umbenennen. Aber das war noch das kleinste Übel: BB10 war noch gar nicht einsatzreif.

Anfang 2012 traten die damaligen Co-CEOs Mike Lazaridis and Jim Balsillie zurück, der Deutsche Thorsten Heins übernahm. Er musste die Markteinführung von BB10 weiter verschieben. Die ersten beiden BB10-Geräte, Q10 und Z10, kamen erst Anfang 2013 heraus. Der erhoffte Markterfolg blieb aus – unter anderem, weil die Bedienerführung alles andere als intuitiv war. Da half auch die gute Software nicht.

Heins leitete den Verkauf der Firma an die kanadische Fairfax Financial Holdings ein. Als der Blackberry-Verkauf platzte, musste Heins gehen. Vielleicht war die Umbenennung von RIM in Blackberry die nachhaltigste Entscheidung des Deutschen. Fairfax investierte immerhin eine Milliarde US-Dollar und überredete den Pensionisten Chen, das Ruder zu übernehmen.

Chen schaffte es tatsächlich, Blackberry zu retten - unter anderem durch Verkauf von Immobilien. Er änderte den Kurs grundlegend, weg von einer Marke für Endanwender-Hardware hin zu Software für IoT und IT-Sicherheit. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. 2015 musste Chen erstmals ein Android-Smartphone der Marke Blackberry ankündigen. Noch machten die Kanadier gute Miene zur bösen Situation, und versuchten, App-Anbieter bei der Stange zu halten. Doch es war nicht zu verkennen, dass die eigenen Betriebssysteme BB 7.1 OS und älter, BB10 und BB Playbook OS keine Zukunft hatten. Und mit Android-Handys kam das kanadische Unternehmen nie richtig ins Fahrwasser.

Spätestens als 2016 WhatsApp die Unterstützung für Blackberry-Betriebssysteme (und Nokias Symbian-Geräte) einstellte, war BB10 nicht mehr zu retten. Die notwendigen Server liefen noch jahrelang. Erst Anfang 2022 hat Blackberry die Unterstützung für seine Handys und E-Mail-Konten eingestellt. "Die schwierigst Entscheidung war, aus dem Smartphone-Geschäft auszusteigen", sagt Chen rückblickend.

(ds)