Bruce Perens wirft Novell Verrat vor

Der Open-Source-Evangelist meint, Novell habe durch seinen Pakt mit Microsoft die Free-Software-Gemeinde im Stich gelassen. Der Linux-Distributor könne sich aber ins eigene Fleisch schneiden.

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Open-Source-Evangelist Bruce Perens hat den Linux-Distributor Novell angesichts dessen kürzlich geschlossenen Paktes mit Microsoft aufgefordert, seine Position zu Softwarepatenten zu ändern. In einem Protestbrief an Novell-CEO Ron Hovsepian schreibt Perens, der Linux-Distributor solle davon absehen, Monopolrechte zu behaupten, und stattdessen dafür sorgen, dass die Entwicklung, Verbreitung und die Nutzung von Software sicherer werde. Da Novell sich entschlossen habe, nicht mit der Free-Software-Gemeinde verbunden zu sein, wolle die Gemeinde auch nichts mit Novell zu tun haben, fasst Perens sein Schreiben selbst zusammen. Bisher haben den Brief gut 1300 Personen unterschrieben, darunter Software-Entwickler, mittelständische Unternehmer und Studenten.

Der Text der Vereinbarung mit Microsoft sei zwar noch nicht veröffentlicht worden, was man aber wisse, sei, dass Microsoft sich die Zusammenarbeit mit Novell erkauft habe, schreibt Perens. "Zweifelsohne werden wir Novell als Linux-Vertreter an der Seite von Microsoft sehen, der für einen strengeren Softwarepatentschutz einsteht, der Open Source potenziell gefährdet."

Wenn sich Novell auf einen rein finanziellen und technischen Deal mit Microsoft eingelassen hätte, gäbe es wohl nur wenig zu kritisieren, meint Perens. Novell habe mit seinem Patentabkommen aber aus reinem Selbstzweck den Rest der Free-Software-Gemeinde verraten, einschließlich jener, die zu Novells Distribution beigetragen haben. Es sei "mehr als deutlich", dass sich Microsoft und Novell die Zeit genommen haben, einen umständlichen Rechtsweg für die jeweiligen Kunden zu konstruieren, anstatt sich gegenseitig Lizenzen zu erteilen. Das sei nötig gewesen, um frühere Vereinbarungen mit Entwicklern GPL-lizenzierter Software zu umgehen, schreibt Perens, der den Brief unterzeichnet mit "Schöpfer von Electric Fence und Busybox, zwei Programmen, die für Novell-Linux wichtig sind und unter der GPL stehen".

Die GPL sei dafür geschaffen, zusammen gegen einen "Patent-Aggressor" zusammenzustehen. Dies habe Novell akzeptiert, als es sich entschlossen habe, den Linux-Kernel, die C-Library und viele weitere, gebührenfrei entwickelte Software zu verwenden, die unter der GNU General Public License stehen. Perens lässt Hovespians Einlassung in seinem Offenen Brief an die Entwicklergemeinde nicht gelten, Novell habe keine Verletzung von Microsoft-Patenten durch Linux eingestanden. Perens geht davon aus, dass es kein nicht-triviales Computerprogramm geben kann, das nicht unlizenziert eine Methode verwendet, die in irgendeinem Softwarepatent beansprucht wird. Nur würden diese Patente nicht verstärkt durchgesetzt.

Perens warnt Hovsepian, sich auf einen Patentschutz gegenüber Microsoft zu verlassen. Er verweist auf Ergebnisse des Juristen Daniel Ravicher, der vor zwei Jahren konstatierte, 283 Patente könnten Linux gefährden. Der Kernel, der davon betroffen sei, repräsentiere nur einen Bruchteil dessen, was in der Novell/Suse-Linux-Softwaresammlung verwendet werde, und auch nur ein Bruchteil der Patente gehörten Microsoft. Viel bedrohlicher seien die Ansprüche von Firmen, die nichts anderes produzierten als Patente – Patent-Trolle genannt – und die auch nicht von Patentabwehrfirmen wie dem Open Invention Network abgeschreckt würden. Microsoft selbst habe in eine dieser "Troll-Firmen" investiert. Um welche Firma es sich handelt, die Microsoft unterstützt haben soll, führt Perens nicht aus. Hovsepian habe darüberhinaus in seinem Brief nicht Novells Softwarepatent-Strategie korrekt wiedergegeben, meint Perens weiter. Er sei in Brüssel Zeuge gewesen, wie sich Novell zwar gegen die geplante Softwarepatent-Richtlinie eingesetzt habe, aber wohl dafür, Softwarepatente durchsetzbar zu machen.

Die C-Library, die für jedes Programm wichtig sei, das auf Novells Linux-System laufe, sei im Besitz der Free Software Foundation, der führende Entwickler sei ein Red-Hat-Angestellter, schreibt Perens. Die C-Library werde sicherlich mit der kommenden LGPL 3 relizenziert werden, die so wie die GPLv3 eine Verwendung mit dem Hintergrund der Patentvereinbarung mit Microsoft nicht zulassen werde. Ähnlich werde es sich mit Samba und weiterer Software verhalten. Novell gerate so in die Gefahr, auf älteren Softwareversionen hängen zu bleiben und den gesamten Aufwand, diese zu pflegen, allein tragen zu müssen.

Zur Kooperation zwischen Microsoft und Novell und den Reaktionen darauf siehe auch:

(anw)