Brüchiger Friede zwischen MP3.com und Plattenlabels

Die Friedenspfeife hat die Musikindustrie mit dem Internet-Musikdienst MP3.com offensichtlich noch lange nicht geraucht - nach der Einigung mit Universal drohen Nachforderungen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Friedenspfeife hat die Musikindustrie mit MP3.com offensichtlich noch lange nicht geraucht. Zwar sind vorerst alle laufenden Verfahren beendet, in denen der Internet-Musikanbieter von den großen Plattenlabels beschuldigt wurde, ihre Urheberrechte zu verletzen – die Auseinandersetzungen scheinen aber nicht nur durch eine Klage kleinerer Labels wieder aufzuflammen.

Auf der eigenen Web-Site jubelt MP3.com noch, man habe durch die Einigung mit Universal einen riesigen Sprung gemacht und könne den Dienst my.mp3.com bald wieder uneingeschränkt einbieten. my.mp3.com ermöglicht es, online Musik-CDs zu hören oder herunterzuladen, wenn man mittels einer speziellen Software vorher den Besitz einer Original-CD durch das Einlegen der CD in das Laufwerk des lokalen Rechners nachgewiesen hat.

Der Jubel könnte sich aber als leicht verfrüht erweisen. Denn MP3.com hat zwar tatsächlich mit allen großen Labels (neben Universal sind das EMI, Sony, Time Warner Music und BMG) Lizenzverträge abgeschlossen – allerdings zahlte MP3.com beispielsweise an Warner und BMG nur jeweils rund 20 Millionen US-Dollar für Lizenzverstöße in der Vergangenheit, während an Universal über 53 Millionen US-Dollar fällig werden. Da zeigen sich die Labels wohl nicht so recht begeistert.

Manager von Plattenfirmen erklärten laut der Nachrichtenagentur Reuters bereits, man überlege, erneut juristisch gegen MP3.com vorzugehen, um Schadensersatz in der Höhe zu erhalten, wie ihn auch Universal erreicht habe. Zwar zeigte sich MP3.com-Chef Michael Robertson zuversichtlich, dass die Einigung mit Universal die anderen Verträge nicht beeinflussen werde – ob er damit Recht behält, ist noch nicht ausgemacht. Denn die Chancen der Labels dürften gut stehen, die Schadensersatz-Zahlungen in die Höhe zu treiben. Immerhin ist bereits gerichtnotorisch, dass der Dienst my.mp3.com die Urheberrechte der Musikfirmen verletzt hat – Anfang September entschied ein US-Gericht, MP3.com müsse Schadensersatz leisten. Es dürfte der Firma schwer fallen zu erklären, warum der Schaden eines einzigen Labels rund das Doppelte dessen ausgemacht haben sollte, was die anderen Musikfirmen zu beklagen haben. Außerdem enthalten anscheinend die Verträge mit allen Labels Klauseln, nach denen sie Nachzahlungen erhalten müssen, falls in einer einvernehmlichen Einigung mit einer der Firmen höhere Beträge als bislang ausgemacht werden.

Sollten die Labels wieder gegen MP3.com vorstehen, steht die Zukunft von MP3.com wieder auf wackligen Beinen, nachdem sie mit der Universal-Einigung schon gesichert schien. Denn dies könnte dazu führen, dass die Firma noch einmal weit über 100 Millionen US-Dollar an die Musikindustrie zahlen müsste, worin allerdings zukünftige Lizenzzahlungen, die ebenfalls mit allen fünf Labels vereinbart wurden, noch gar nicht enthalten wären. Und dies zusätzlich zu den bereits vereinbarten rund 160 Millionen US-Dollar, die MP3.com auf den Tisch der Industrie legen muss. Zudem: Die Ankündigung von MP3.com, von seinen Nutzern zukünftig Gebühren zu verlangen, stieß unter den Usern nicht gerade auf große Begeisterung. Ob MP3.com die Anwender an einen kostenpflichtigen Dienst gewöhnen kann, muss sich erst noch erweisen – und damit auch, ob MP3.com angesichts der immensen Schadensersatzzahlungen jemals in finanzielle Regionen gelangt, die einen Gewinn versprechen. (jk)