Bundesnetzagentur: Gutachter sehen wirksamen Wettbewerb im Mobilfunkmarkt

Forscher kommen im Auftrag der Bundesnetzagentur bei einer Wettbewerbsanalyse zum Schluss, dass für den Neueinsteiger 1&1 keine speziellen Regeln nötig sind.

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(Bild: foto500/Shutterstock.com)

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Die Bundesnetzagentur muss vorerst keine besonderen Maßnahmen ergreifen, um 1&1 als Neueinsteiger in den Reigen der Mobilfunknetzbetreiber zu stützen. Dies geht aus einem Gutachten hervor, das das Forschungsinstitut WIK-Consult zusammen mit dem Beratungshaus Ernst & Young im Auftrag der Regulierungsbehörde verfasst hat. In der Gesamtschau herrscht demnach "sowohl auf dem Endkunden- als auch auf dem Vorleistungsmarkt wirksamer Wettbewerb" im Mobilfunkmarkt. Es gebe auch "keine Anzeichen für eine zukünftige Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse zulasten der Endkunden". Die Lage biete zudem ausreichend Anreize für die Netzbetreiber, "insbesondere die Herausforderung des Datenwachstums mit der Notwendigkeit weiterer Netzinvestitionen zu bewältigen."

Die Analyse ist vor allem für das Verfahren zur Bereitstellung der Mobilfunk-Frequenzbänder um 800 MHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz relevant. Die Bundesnetzagentur hat signalisiert, die 2025 auslaufenden Frequenznutzungsrechte der drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) voraussichtlich fünf bis acht weitere Jahre bei diesen zu belassen. Dagegen plädiert die Monopolkommission, die Lizenzen um maximal drei Jahre zu verlängern. Alles andere würde einen "großen Nachteil" für 1&1 bedeuten und das Unternehmen quasi wieder aus dem Markt drängen. Das Bundeskartellamt sprach sich sogar ganz gegen das Vorhaben der Netzagentur aus, die Nutzungsrechte fortzuschreiben.

Die Gutachter sehen mit dem Markteintritt von 1&1 als Netzbetreiber dagegen die "strukturelle Option" verknüpft, "dass der Infrastrukturwettbewerb weiter verstärkt wird und sich in der Folge ein noch besseres Preis-Leistungs-Verhältnis über alle Kundensegmente hinweg einstellt". Die Teilnehmermarktanteile der etablierten Mobilfunknetzbetreiber seien seit dem Zusammenschluss von E-Plus/Telefónica zwar weitgehend konstant. Gemessen am Stand von 2010 habe sich der kumulierte Marktanteil der beiden größten unabhängigen Mobilfunkanbieter Freenet und 1&1 aber vergrößert. Unabhängige deutsche Mobilfunkanbieter hätten im europäischen Vergleich die höchsten Teilnehmermarktanteile. Die Marktkonzentration sei hierzulande bei den in der Studie betrachteten Staaten mit am geringsten.

Regulierungsintensivere Maßnahmen führen den Gutachtern zufolge – zumindest beim Betrachten des Indikators Marktanteile – "nicht zwangsläufig zu besseren Marktergebnissen". Da von geringeren Marktanteilen der Diensteanbieter oder Mobilfunk-Discounter auch geringere Wettbewerbsimpulse ausgingen, lasse sich hier nicht eindeutig belegen, welche Regulierungsmaßnahmen zu mehr Wettbewerb führen. Auch in der Gesamtschau sämtlicher Indikatoren bestünden "keine empirisch ökonomischen Belege", dass nur zusätzlichen wettbewerbsrechtlichen Instrumenten nach Paragraf 105 TKG wie die Verknüpfung neuer Nutzungsrechte mit bestimmten Bedingungen eine effektive Konkurrenz am Leben gehalten werden kann. Die Monopolkommission hält indes gegebenenfalls eine "Diensteanbieterverpflichtung" für nötig. Damit müssten die Netzbetreiber einen Teil ihrer Kapazitäten an andere Firmen vermieten, die keine eigene Infrastruktur haben.

Die Analysten sehen auch keine Nachweise für eine Abschottung des Vorleistungsmarktes durch die etablierten Mobilfunknetzbetreiber. Marktzutritte in diesem Großkundengeschäft seien möglich und finden demnach statt. Der Abschluss der "National Roaming"-Vereinbarung von 1&1 und Vodafone etwa zeige, "dass ein Wettbewerb um Vorleistungsnachfrager in Deutschland besteht". Daten über die Verhandlungspraxis zeigten zwar, dass einzelne Mobilfunknetzbetreiber Wettbewerbern "Angebote unterbreiten, die als Markteintrittsbarriere angesehen werden können". Allerdings ergebe sich hier kein einheitliches Bild, da diese Praxis nicht durchgängig bei allen Platzhirschen anzutreffen sei. Angesichts der weiter steigenden Nachfrage nach drahtlosen Diensten könnte es künftig aber "zu einer Verdichtung der Netze kommen". Da sich die Zahlungsbereitschaft der Endkunden nicht wesentlich ändere, verringerten sinkende Erlöse auf dem Endkunden- und Vorleistungsmarkt die Anreize, "eine über die Versorgungsauflagen hinausgehende Mobilfunkqualität anzubieten".

"Die Einschätzung der Gutachter geht an der Realität vorbei", kommentierte der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) die Studie. Das Gutachten male "eine rosarote Mobilfunkwelt". Auch wenn eine Vielzahl von Submarken der drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber – wie Aldi Talk oder Congstar – einen anderen Anschein erweckten: "Es gibt auf dem deutschen Mobilfunkmarkt insbesondere im Vorleistungsbereich zurzeit keinen wirksamen Wettbewerb!" Nach wie vor verzögerten Telekom, Vodafone und Telefónica systematisch vor allem das Angebot von 5G-Tarifen für Wettbewerber ohne eigenes Mobilfunknetz. Die Einführung einer Diensteanbieterverpflichtung sei daher "alternativlos". Telefónica-Chef Markus Haas unterstrich dagegen: Mit einem starken Partnergeschäft trage das Unternehmen "entscheidend zum Wettbewerb im deutschen Mobilfunkmarkt bei".

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Stellungnahme des Breko-Verbands im letzten Absatz ergänzt.

(bme)