E-Voting: Bedrohung durch Cyberattacken und Vorwürfe der Wahlmanipulation

Gegen den Einsatz von Online-Wahlen auf Bundes- und Länderebene sprechen Forschern zufolge etwa die gestiegene Bedrohung durch Cyberattacken und Manipulation.

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(Bild: roibu/Shutterstock.com)

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Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) beäugt die Einführung von E-Voting bei Bundes- und Landtagswahlen skeptisch. Einem solchen Schritt stehe grundsätzlich die aktuelle Auslegung des Wahlrechtsgrundsatzes der Öffentlichkeit durch das Bundesverfassungsgericht entgegen, schreiben die Forscher in einer am Freitag veröffentlichten Kurzstudie. Diese verlange eine Nachvollziehbarkeit des elektronischen Wahlvorgangs durch die breite Bevölkerung. Sollte in Deutschland eine digitale Interaktion mit staatlichen Institutionen üblich werden, könnten die Karlsruher Richter künftig zwar anders abwägen. Trotzdem dürften Online-Wahlen im großen Stil nicht in Frage kommen.

Zu diesem Szenario tragen den Wissenschaftlern zufolge "die gestiegene Bedrohungslage durch Cyberattacken und die Befürchtung" bei, "dass Vorwürfe der Wahlmanipulation aufgrund fehlender Überprüfungsmöglichkeiten durch die Öffentlichkeit bei Internetwahlen nur schwer auszuräumen wären". Zudem falle die Bilanz bisheriger Experimente mit E-Voting etwa bezüglich der erhofften höheren Wahlbeteiligung gemischt aus: Während etwa bei Hochschulwahlen an der Uni Jena deutlich mehr Berechtigte abgestimmt hätten, konstatiere der Europarat hier für Wahlen in seinen Mitgliedsländern – wenn überhaupt – nur einen sehr geringen positiven Effekt. E-Voting-Verfechter führten zudem oft eine höhere Inklusionsmöglichkeit ins Feld. Dafür könnte aber auch eine konsequentere barrierefreie Gestaltung des konventionellen Urnengangs sorgen.

Hohe technische und sicherheitsrelevante Voraussetzungen beim E-Voting auf der einen und der vergleichsweise geringe Nutzen im Hinblick auf die Erreichung der erklärten Ziele auf der anderen Seite dürften ein Grund für die weltweit geringe Verbreitung sein, heißt es in der Analyse. Derzeit setzten nur 14 Länder auf Online-Wahlen, von denen die Hälfte als demokratisch zu bezeichnen sei. In Europa seien Estland, Schweiz und Norwegen die Pioniere, wobei vor allem der baltische Staat diesen Schritt mit dem "Anspruch der Technologieführerschaft" und dem Ausbau der Verwaltungsdigitalisierung verknüpft habe. Dort habe der Online-Modus "zumindest einen stabilisierenden Effekt auf die Wahlbeteiligung" gehabt. Beobachter hätten jedoch vielfach "Mängel im Hinblick auf Sicherheitsfragen und den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung" festgestellt.

Ohne Ende-zu-Ende-Verifizierbarkeit des eingesetzten E-Voting-Systems bestehe die Gefahr, "dass Manipulationen gar nicht entdeckt werden", warnen die Autoren. Das Wahlgeheimnis und die Freiheit der Wahl können ihnen zufolge "prinzipiell am besten durch die Urnenwahl im Wahllokal gewährleistet werden". Beim E-Voting komme etwa noch stärker als bei der Briefwahl zum Tragen, dass Angriffe auf das Endgerät der Wähler und die Übertragung sowie die Speicherung und Auszählung "gebrochen" werden könnten. Zwar gebe es hier grundsätzlich technische und kryptografische Ansätze, um die Risiken einzudämmen. Diese seien aber teils "sehr komplex, fehleranfällig und teuer". Völlig offen sei beim E-Voting die Langzeitabsicherung des Wahlgeheimnisses. Dafür schneide es "bei der Korrektheit der Stimmenauszählung deutlich besser ab – "unter der Voraussetzung, dass nicht manipuliert wurde". Dies gelte nicht, wenn mit ausgedruckten und per Post versandten Codes gewählt werde wie teils in der Schweiz, da diese leicht abgefangen werden könnten.

(bme)