Burgfrieden zwischen Comcast und Bittorrent

Der US-Kabelanbieter will Bittorrent-Traffic nicht mehr pauschal reglementieren, sondern nur noch bei besonders datenhungrigen Kunden und dann auch schön transparent. Im Gegenzug kann Comcast das Bittorrent-Verfahren für eigene Dienste nutzen.

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Der US-Kabelanbieter Comcast und Bittorent Inc, die das populäre P2P-System für professionelle Anwendungen vermarkten, wollen künftig zusammenarbeiten. Für Comcast bedeutet diese Ankündigung eine ziemliche Kehrtwende, hatte der Kabelriese in jüngster Vergangenheit vor allem wegen seines rigiden Umgangs mit Bittorrent-Traffic für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt wollen die beiden Unternehmen kooperieren, um die Abwicklung von Bittorrent-Traffic im Comcast-Netz störungsfreier zu gestalten.

Comcast war in den vergangenen Monaten von Netzaktivisten sowie Vertretern aus Politik und Wirtschaft scharf kritisiert worden, weil das Unternehmen P2P-Traffic auf dem Bittorrent-Protokoll ausgebremst hatte, um das Netz in Spitzenzeiten zu entlasten. Kritiker sahen darin einen Verstoß gegen die Gebote der Netzneutralität sowie wettbewerbswidriges Verhalten. Bittorent Inc. bietet unter anderem Verfahren zur Verbreitung von Videos an und steht damit indirekt in Konkurrenz zum Kabelanbieter Comcast. Der Vorgang beschäftigt nun auch die US-Regulierungsbehörde.

Dank der gegenseitigen Annäherung kann Comcast die Bittorent-Technik nutzen und will im Gegenzug an effektiverem Trafficmanagement arbeiten, berichtet das Wall Street Journal. Künftig würde der Zugang individueller Nutzer, die besonders viel Bandbreite beanspruchen, gedrosselt und nicht der gesamte Traffic auf einem Protokoll; komplette Verbindungsabbrüche soll es nicht mehr geben. Eventuelle Maßnahmen sollen für den Kunden aber transparent gemacht werden. Bis Ende des Jahres will Comcast seine Systeme auf den neuen Ansatz umgestellt haben und dabei seinen Kunden auch den Upstream hochdrehen.

Der wachsende Datenverkehr in den Netzen macht den Betreibern zunehmend zu schaffen. Immer mehr Videoangebote sorgen für ordentlich Traffic, allerdings gibt es auch Stimmen, die Filesharing-Dienste für das erhöhte Verkehrsaufkommen verantwortlich machen. Comcast macht Bittorrent für die Hälfte des gesamten Traffics verantwortlich; laut einer nicht repräsentativen Studie sorgen Tauschbörsen für rund fast 70 Prozent des Internverkehrs. Heute räumte zudem der kanadische Netzbetreiber Bell Canada ein, P2P-Traffic im eigenen Backbone – und damit auch für angeschlossene ISPs – auszubremsen. Auch in Deutschland treten Provider schon mal auf die Torrent-Bremse.

Zwar ist das Bedürfnis der Carrier, ihre Ressourcen gleichmäßig verteilt allen Kunden zur Verfügung zu stellen, nachvollziehbar, doch hat das nicht nur von Filesharern so ungeliebte Trafficmanagement auch eine politische Dimension. Während die Betreiber ihre Netze auf die nächste Generation aufrüsten (NGN) und deren weit reichende Regelungsmöglichkeiten vor allem wirtschaftlich nutzbar machen wollen, wehren sich Internetanbieter und Bürgerrechtlicher gegen jegliche Priorisierung in den Netzen und trommeln in Washington und Brüssel für die Netzneutralität.

Auch die Bittorent-Anbieter wenden sich gegen jede Manipulation des Traffics bei den Providern und sprechen sich bei der US-Regulierungsbehörde für eine strikte Netzneutralität aus. So gibt es inzwischen auch ein Plug-in für den beliebten Bittorrent-Client Azureus/Vuze, mit dem die Hersteller Daten über mögliche Eingriffe der ISPs in den P2P-Traffic sammeln möchten. (vbr)