Scharfe Kritik an Comcasts Filesharing-Blockade

Abgeordnete, Netzpioniere und Konkurrenten des US-Kabelanbieters haben bei einer Anhörung der Federal Communications Commission die Sperre der P2P-Software BitTorrent durch den Netzbetreiber gerügt und die Netzneutralität thematisiert.

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Parlamentarier, Netzpioniere und Internetanbieter haben bei einer Anhörung (PDF-Datei) der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) am gestrigen Montag die zeitweilige Sperre der P2P-Software BitTorrent durch den US-Kabelanbieter Comcast scharf gerügt. Der "Datensturzbach" der Filesharing-Software dürfe nicht in ein Rinnsaal an Bits und Bytes verwandelt werden, nahm der US-Abgeordnete Ed Markey die Bedeutung des englischen Begriffs "Torrent" wörtlich. Die Kommissare der FCC rief der Demokrat auf, die Behauptungen von Providern über die Notwendigkeit eines umfassenden "Netzwerkmanagements" zu hinterfragen.

Vertreter von Comcast beriefen sich laut US-Medienberichten einmal mehr auf den Hinweis in einer Frage-und-Antwort-Liste für Kunden, wonach der Netzbetreiber "zeitweilig gewissen P2P-Verkehr verzögern kann", falls dieser einen negativen Effekt auf andere Kunden ausübe. Man blockiere nicht pauschal ein Internetprotokoll, suche durch ein gewisses Netzwerkmanagement aber "eine exzessive Inanspruchnahme von Bandbreite" und eine damit drohende Verstopfung der Leitungen zu verhindern.

Diese Argumentation wollte David Clark, einer der Mitentwickler des Internetprotokolls TCP/IP, nicht gelten lassen. Mit einem weiteren Internetpionier, dem MIT-Professor David Reed, war er sich bei der Anhörung einig, dass es Staus auf der Datenautobahn genauso wie im normalen Straßenverkehr geben könne und die Netzanbieter dies akzeptieren müssten. Eine Steuerung des Verkehrsflusses könne zwar gelegentlich nötig werden, dabei sollten sie aber bestehende Standards einhalten oder neue in Zusammenarbeit mit den gängigen Gremien entwickeln, forderten die Wissenschaftler. Auf jeden Fall könne man sich nicht einfach "Hackermethoden" bedienen, wie Reed dem Provider unterstellte. Der Anbieter soll für die Behinderung der Uploads gefälschte Reset-Signale von TCP/IP verwendet und so eine Unterbrechung der Datenverbindung herbeigeführt haben.

Die versammelten Experten kamen immer wieder auf das übergeordnete Thema der Netzneutralität und die erhitzte Debatte über die mögliche gesetzliche Festschreibung des Prinzips des offenen Internet zu sprechen. Großen US-Breitbandanbietern wie AT&T und Comcast sowie einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten und mehr Kontrolle über die Nutzung ihrer Netze zu erhalten. Verfechter strenger Netzneutralitätsregeln wie Amazon.com, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten dagegen, dass neue Geschäftsmodelle durch ein Mehr-Klassen-Netz behindert werden.

Der FCC-Vorsitzende Kevin Martin erklärte in Richtung Comcast, dass seine Behörde "bereit und in der Lage" sei, Provider an einer unangemessenen Beeinflussung des Netzverkehrs zu verhindern. Er wies auf die von Netzbetreibern geforderte Transparenz hin. Verbraucher müssten sicher gehen, dass ihnen auch die Dienste zur Verfügung stehen, die Provider bewerben und für die sie bezahlen. Neue Gesetze brauche es zur Durchsetzung dieser Linie nicht, die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten der FCC würden ausreichen. Konkrete Schritte kündigte der Republikaner aber nicht an. Unterdessen beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall.

Die FCC führte im vergangenen Jahr eine viel beachtete Konsultation zur Netzneutralität durch, hält bislang aber ihre vier allgemeinen Prinzipien zum Schutz des offenen Internet für ausreichend. Diese geben den Endnutzern das Recht zum Zugang zu Inhalten, zum Verwenden von Applikationen und Diensten sowie zum Anschluss eigener Geräte an ein Netzwerk. Zugleich soll damit der Wettbewerb zwischen Netz-, Dienste, Programm- und Inhalteanbietern festgeschrieben werden.

Markey hat derweil einen Gesetzesvorschlag zur Stärkung der Netzneutralität gemeinsam mit seinem republikanischen Kollegen Charles Pickering ins Repräsentantenhaus eingebracht. Der Internet Freedom Preservation Act 2008 (PDF-Datei) bleibt aber hinter den Forderungen seiner Vorgänger sowie vergleichbarer Initiativen im Senat zurück. Netzbetreiber sollen damit zwar angehalten werden, spezielle durch ihre Leitungen fließenden Inhalte nicht unverhältnismäßig zu benachteiligen. Durchsetzbare Vorschriften enthält der Entwurf aber nicht. Vielmehr drängt er auf die Einhaltung der FCC-Prinzipien für ein offenes Netz. Beobachter sehen in dem Papier vor allem eine Art Platzhalter, mit dem Markey das Thema bis zur US-Präsidentschaftswahl im Herbst am Köcheln halten will. (Stefan Krempl) / (vbr)