Computex: NVidia steigt ins Chipsatz-Geschäft ein

Der für seine Grafikchips bekannte Hersteller hat heute auf der Computex in Taiwan seinen nForce-Chipsatz vorgestellt.

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Der für seine Grafikchips bekannte Hersteller NVidia will auch Chipsätze bauen. Schon länger kursieren Gerüchte über den Crush genannten Chipsatz; heute hat NVidia ihn auf der Computex in Taiwan unter dem offiziellen Namen nForce vorgestellt. Anfangs unterstützt er ausschließlich die AMD-Prozessoren Athlon und Duron.

Wie die meisten klassischen Chipsätze besteht der nForce aus zwei Bausteinen: Die Northbridge nennt NVidia IGP (Integrated Graphics Processor), die Southbridge heißt MCP (Media and Communication Processor). Verbunden sind die beiden nicht per PCI, sondern mit dem von AMD entworfenen HyperTransport-Interface (früher LDT, Lightning Data Transport genannt), das bis zu 800 MByte/s übertragen kann.

Natürlich hat NVidia einen Grafikkern in die Northbridge eingebaut, und zwar den der GeForce 2. Damit sollte der nForce die gesamte integrierte Chipsatz-Konkurrenz locker abhängen und auch im Vergleich mit AGP-Grafikkarten eine passable Performance erreichen, wenn das Speicher-Interface mitspielt: Einen separaten Bildspeicher hat NVidia nicht vorgesehen, sodass der nForce mit SMA (shared memory architecture, auch UMA – unified memory architecture – genannt) arbeitet. Bisher haben sich SMA-Chips wie der SiS 630/730 oder der KM133 von VIA nicht mit Geschwindigkeitsruhm beckleckert, alleine Intels i815 konnte mit einem etwas pfiffigeren Speicher-Interface halbwegs überzeugen. Doch NVidia will mit den SMA-Nachteilen gründlich aufräumen und hat ein neues Speicher-Interface mit dem Namen TwinBank eingebaut. Wie der Name andeutet, steuert es zwei Speicherkanäle an, die dank DDR-Interface jeweils eine Bandbreite von 2,1 GByte/s haben. Anders als die Dual-Channel-Chipsätze i840 oder i850 von Intel können die Kanäle auch mit unterschiedlichen Modulen bestückt sein. Das realisiert NVidia, indem ein Crossbar die Verbindung zwischen Prozessor und AGP auf der einen und Speicher auf der anderen Seite herstellt. Im Idealfall steht damit dem Prozessor die gesamte Bandbreite des einen Kanals zur Verfügung, während die Grafik auf den zweiten Kanal zugreift.

Die Anbindung des Grafikkerns profitiert vom schnellen Interface, sodass NVidia von "internally AGP-6X" spricht. Die eingebaute Grafik lässt sich auch abschalten, der externe AGP arbeitet dann mit 4X-Geschwindigkeit. Auch beim Prozessor-Interface hat NVidia sich neben der notwendigen Unterstützung für FSB200- und FSB266-Prozessoren etwas besonders einfallen lassen: Zwischen Crossbar und Prozessor steckt DASP, der "dynamic adaptive speculative pre-processor". Das ist nichts anderes als eine in der Northbridge sitzende Prefetch-Einheit. Sie versucht, Muster in den Speicherzugriffen des Prozessors zu erkennen und damit zukünftige Zugriffe vorherzusagen und sie vor der tatsächlichen Anforderung durch den Prozessors auszuführen. Eine ähnliche Technik steckt auch in den aktuellen Prozessoren, AMD hatte ein Data-Prefetch gerade erst in den Palomino-Kern eingebaut.

Zwei Northbridges hat NVidia im Angebot: Der nForce 220 (Codename Crush 11) muss mit einem Speicherkanal auskommen und leidet damit unter den üblichen Nachteilen der UMA-Architektur. Laut NVidias Benchmarks erreicht er etwa die Leistungsfähigkeit der MX-Variante des GeForce 2. Erst der nForce 420 (Crush 12) ist mit beiden DDR-Kanälen ausgestattet und soll damit deutlich schneller laufen. Der nForce 220 unterstützt zwei DIMM-Slots mit bis zu 1 GByte Speicher, der 420er drei Slots mit bis zu 1,5 GByte.

Auch die Southbridge bietet NVidia in zwei Varianten an: MCP-1 und MCP-1H. Beide verfügen über zwei Ultra-ATA/100-Kanäle, einen USB-Controller mit sechs Ports (USB 1.1), 10/100-MBit-Ethernet und ein AC97-Audiointerface mit Sechskanal-Sound. Der MCP-1H bietet zusätzlich einen SPDIF-Ausgang und die für Microsofts XBox entwickelten Audioprozessor, der in Echtzeit einen Dolby-Digital-Audiostream erzeugen können soll. Als Vorteil der Anbindung per HyperTransport stellt NVidia weniger die gegenüber PCI höhere Geschwindigkeit in den Vordergrund, sondern die Fähigkeit, isochrone Datentransfers durchzuführen. Das garantiert wählbare Mindestbandbreiten für bestimmte Anwendungen; der Bus kommt durch Interrupts oder andere außerplanmäßige Datentransfers nicht ins Trudeln.

Man darf gespannt sein, ob DASP und TwinBank die Performance-Versprechen in der Praxis einlösen. An einer Crossbar-Architektur haben sich schon Silicon Graphics und Ali versucht. Während sich die SGI-Workstations als der herkömmlichen PC-Technik unterlegen erwiesen, schafften die Ali-Chips es nicht mal bis zur Serientauglichkeit. Auch ist zweifelhaft, ob DASP tatsächlich die von NVidia versprochene Leistungssteigerung von bis zu 20 Prozent bringt. Immerhin startet NVidia mit einem Chipsatz, der mit spannender Technik vollgepfropft ist: HyperTransport, einem Dolby-Digital-Encoder, dem ersten Dual-Channel-DDR-Interface und einer integrierten Grafik, die immerhin auf das schnellste Speicher-Interface aller UMA-Chipsätze zugreifen kann.

Der nForce soll ab Juli in Sample-Stückzahlen verfügbar sein und im Herbst in die Massenproduktion gehen. Mehrere Mainboard-Hersteller wie Abit, Asus, Gigabyte und MSI haben bereits Produkte mit dem nForce angekündigt. Obwohl der Chip neben DDR- auch herkömmliche SDR-DIMMs unterstützt, finden sich auf allen gezeigten Demo-Boards nur Slots für DDR-Speichermodule. Eine nForce-Version für Intel-Prozessoren lässt noch länger auf sich warten, da NVidia keine Lizenz für die notwendigen Busprotokolle besitzt. (jow/c't) (odi)