Copyright an alten Aufnahmen: Vimeo gewinnt gegen Plattenlabel

Das US-Gesetz DMCA schützt Service Provider vor Schadenersatzforderungen für Copyright-Verletzungen ihrer User. Aber dieser Schutz galt laut Copyright-Behörde nicht für Aufnahmen von vor 1972. Falsch, sagt nun ein US-Bundesberufungsgericht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Junge Dame gibt anderer Dame eine Ohrfeige
Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Vimeo hat in einem Copyright-Prozess einen bedeutenden Sieg über Plattenlabel erzielt. Die vorige Woche ergangene Entscheidung des US-Bundesberufungsgerichts schützt Service Provider bis auf Weiteres vor einer Prozessflut. Die Ausführungen des Gerichts sind gleichzeitig eine schallende Ohrfeige für die juristische Arbeit der Bundesbehörde US Copyright Office .

Vimeo-V in Regenbogenfarben

(Bild: Vimeo)

Das US-Bundesgesetz Digital Millennium Copyright Act (DMCA) schützt Service Provider vor der Haftung für Copyright-Verletzungen durch User, wenn der Provider bestimmte Bedingungen erfüllt. Diese Bestimmungen sind als "Safe Harbor" (sicherer Hafen) bekannt und nicht dem Abkommen zum US-EU-Datentransfer zu verwechseln. Für Webhoster sowie Videoplattformen wie Youtube und Vimeo ist der Safe Harbor eminent wichtig. Ohne diesen Schutz müssten sie jede Datei überprüfen, bevor sie online gehen dürfte.

Nach Ansicht des US Copyright Office gilt der Safe Harbor für Tonaufnahmen aber nur, wenn sie nach dem 15. Februar 1972 gemacht wurden. Und beispielsweise im Grooveshark-Verfahren hatte sich ein Gericht dem angeschlossen. Daher wollte eine Reihe Plattenlabel Vimeo für gehostete Videos mit älteren Tonaufnahmen haftbar machen und klagte. Doch das Bundesberufungsgericht für den zweiten Gerichtsbezirk hat diese Rechtsauslegung zerpflückt. Der Safe Harbor gilt demnach auch für ältere Aufnahmen.

Das Datum ist nicht zufällig: Erst seit 15. Februar 1972 werden die Rechte an Tonaufnahmen durch US-Bundesrecht geregelt. Ältere Aufnahmen unterliegen Gesetzen und Richterrecht (Common Law) der einzelnen Bundesstaaten. Das US Copyright Office und die Plattenlabel meinen, dass der DMCA nur gegen Haftungsansprüche nach Bundesrecht schütze. Weil bei älteren Aufnahmen aber kein Bundesrecht sondern nur Staatenrecht verletzt wird, greife der Schutz nicht.

Doch das Bundesberufungsgericht will von dieser Einschränkung nichts wissen. Es stellt unter anderem fest, dass sich das US Copyright Office in seiner Expertise auf eine Gesetzesstelle beruft, die es so gar nicht gibt. Und die im Safe-Harbor-Paragraph bemühte Formulierung "Verletzung von Copyright" betreffe genau das: Copyright. Egal, ob es Copyright nach Bundes- oder Staatenrecht sei.

Zudem würde eine Haftung der Provider für ältere Aufnahmen den Zweck des Safe Harbor unterwandern. Die Provider müssten erst recht jede Datei prüfen, bevor sie online geht. Denn sie könnte ja eine Tonaufnahme von vor 1972 enthalten.

Fachbehörden genießen vor US-Gerichten besonderen Einfluss. Die Richter respektieren die Erfahrung der Behörde in ihrem Spezialgebiet und lassen deren Rechtsmeinung gelten, soweit sie juristisch vertretbar ist.

Daher ist es keineswegs alltäglich, was sich das Copyright Office diesmal alles anhören muss: Es habe grundlegende Regeln der Rechtsauslegung missverstanden und eine frühere Entscheidung des Gerichts sowie ein Urteil des US Supreme Court falsch interpretiert. Überdies habe es irreführend aus einem weiteren Präzedenzfall zitiert, der noch dazu nichts mit der vorliegenden Frage zu tun habe. Die Ausführungen des Copyright Office werden mit Zuschreibungen wie "willkürlich und ohne Basis in Logik", "missverstanden und falsch angewandt", "falsch gelesen", "weit hergeholt", "mangelhaft", "nicht einschlägig" oder "stark übertrieben und falsch angewandt" bedacht.

In der Entscheidung haben die Richter noch eine weitere Frage beantwortet: Aus dem Umstand, dass Vimeo-Mitarbeiter irgend einen Teil eines Videos angesehen haben, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass der Provider wusste, dass die Tonspur eine unlizenzierte, copyrightgeschützte Musikaufnahme enthält.

Bundesgerichte in New York, Connecticut und Vermont sind an diese Auslegungen gebunden. Abzuwarten bleibt, wie andere Bundesgerichtsbezirke darauf reagieren. Die Plattenlabel können den US Supreme Court um eine Überprüfung bitten, doch greift dieser nur einen Bruchteil solcher Anträge auf. Der Akt wandert erst einmal zurück zum Bundesbezirksgericht der ersten Instanz. (ds)