Corona-Warn-App: "Alles ist Made in Germany, alle Daten, alle Projekte"

Seite 2: Keine Mindesterfolgsgrenze

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"Wir haben sichergestellt, dass sowohl die Ärzte als auch der öffentliche Gesundheitsdienst Tests finanziert bekommen", hielt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fest. Wer eine Risikoeinschätzung bekomme, "wird eingeladen, sich zu melden". Minderjährige bräuchten formal die Genehmigung der Eltern, um die App zu installieren, wie bei allen anderen Mobilanwendungen auch. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) fügte an: "Wenn jemand frühzeitig in Quarantäne geht, ist das ab sofort ein absoluter Gewinn." Es gebe "keine Mindesterfolgsgrenze".

Schon aufgrund der Lebenswirklichkeit bleibe die Freiwilligkeit des App-Einsatzes gewahrt, meinte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Ein Gastwirt etwa habe gar keinen Grund, einem Nicht-Nutzer den Zugang zu verwehren, da am Abend voraussichtlich ja noch gar keine Meldung auf dem Handy vorliege und es auch "in meiner Verantwortung" liege, "was ich mit den Daten mache". Auch beim Arbeitgeber und dessen Weisungsrecht für Dienst-Handys überwiege ausdrücklich der Aspekt der Freiwilligkeit.

"Aus Sicht des Datenschutzes sehe ich keinen Grund, der gegen eine Installation spricht", ergänzte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. "Aber es gibt noch Schwachstellen", die die verantwortlichen Behörden und Unternehmen beheben müssten. Der Medienbruch von der App zur telefonischen Hotline bei Testlabors, die noch nicht komplett an das System digital angebunden sind, sei etwa keine gute Lösung. Dieser Weg könne "nicht mit einer vollständig pseudonymen Nutzung der App über das automatisierte Verfahren mithalten". Höttges zeigte sich zuversichtlich, dass in den nächsten vier Wochen alle Labore integriert würden.

Dritte dürften zudem keinesfalls Einblick in die Anwendung fordern, unterstrich Kelber. Die Datenschutzbehörde übernehme mit dem Start der App die Aufsicht über deren Betrieb und werde bei Mängeln einschreiten. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) befand, dass die Anwendung ein "Höchstmaß an Informationssicherheit" biete. Im Zuge der Tests entdeckte kritische Schwachstellen seien "transparent gemacht und gemeinsam mit den Entwicklern behoben" worden.

Die Rufe nach einem Begleitgesetz, um Aspekte wie die Freiwilligkeit und die Zweckbindung abzusichern, verstummen derweil nicht. Arbeitgeber, Händler oder auch Veranstalter könnten die App zur Zugangs- oder Teilnahmebedingung machen, warnten der Verein Digitale Gesellschaft und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF). Damit drohten Personen erhebliche Nachteile, wenn sie die Anwendung nicht nutzen könnten oder wollten – oder wenn ihnen aufgrund eines "hohen Risikostatus" Orte oder Leistungen verwehrt blieben. So könne die App nicht im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verwendet werden, bis ihre Nutzung gesetzlich geregelt werde. Einschlägige Entwürfe gebe es bereits aus Politik und Zivilgesellschaft.

Neben den grünen Justizministern der Länder macht auch die Bundestagsfraktion der Grünen weiter Druck, den Einsatz der App gesetzlich zu regeln. Sie wollte dazu am Dienstagnachmittag einen heise online vorliegenden Entwurf für ein Gesetz "zur zivil-, arbeits- und dienstrechtlichen Sicherung der Freiwilligkeit der Nutzung mobiler elektronischer Anwendungen zur Nachverfolgung von Infektionsrisiken" beschließen und anschließend in den Bundestag einbringen.

Die Freiwilligkeit würde unterlaufen, wenn etwa sozialer oder wirtschaftlicher Druck eine Nutzung erzwingen könnten, heißt es in dem Papier. Deshalb sollte diese bestmöglich abgesichert werden durch begleitende Regeln zum Verbraucherschutz. Auch einen Schadensersatzanspruch sowie ein "Beschlagnahme- und Verwertungsverbot" installierter Anwendungen ist vorgesehen. Fraktionsvize Konstantin von Notz verwies darauf, dass sich den Forderungen prinzipiell neben den Linken etwa auch Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände angeschlossen hätten.

Das technische Konzept sei zwar so umgestellt worden, "dass der Datenschutz in beispielhafter Weise gewährleistet werden kann", erkannte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar an. "Dennoch hätte eine besondere gesetzliche Regelung davor schützen können, dass die App im täglichen Leben als Voraussetzung für bestimmte Aktivitäten abgefordert wird". Mögliche Missbräuche der Freiwilligkeit seien auch ein Fall für die Datenschutzaufsichtsbehörden. Verstöße könnten gegebenenfalls auch "zu empfindlichen Bußgeldern führen".

Die Bundesregierung habe noch nie zuvor eine digitale Gesundheits-App für die gesamte Bevölkerung entwickeln lassen, gab der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zu bedenken. Nötig sei es, die Anwendung und ihren Nutzen zu erklären, um "auch Ängste und Vorbehalte, beispielsweise Datenschutzbedenken, nehmen" zu können. Gerade angesichts einer potenziellen zweiten Infektionswelle sei die Lösung prädestiniert "im Notfall die kommenden Maßnahmen sinnvoll" zu erweitern und "das Bewusstsein in der Bevölkerung für Corona" zu unterstützen. Die Digitalverbände Bitkom und eco stellten sich hinter das Prestigeprojekt, das bei einem Durchbruch Leben retten könne.

(mho)