Coronavirus: Produktionsausfälle gefährden Elektronik-Nachschub

Das Coronavirus wird die Produktion der Elektroindustrie hemmen, sagen Marktforscher. Erste Stellungnahmen von Unternehmen und Wirtschaftsexperten liegen vor.

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Coronavirus: Elektroindustrie wankt

(Bild: Lanski/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marcel Jossifov
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Die Marktforscher von TrendForce erwarten wegen des Coronavirus Produktions- und Absatzprobleme in mehreren Bereichen der Elektroindustrie. Besonders stark betroffen sind ihrer Einschätzung nach die Smartphones, Smartwatches und Notebooks mit über 10 Prozent weniger ausgelieferten Einheiten. Die chinesischen Fabriken waren im Januar vielerorts geschlossen worden – und sind es teils bis heute. 13 Prozent der Unternehmen wissen nach wie vor nicht, wann sie wiedereröffnen, berichtet etwa die EETimes.

TrendForce erwartet für das erste Quartal 2020 rund 16 Prozent weniger ausgelieferte Smartwatches und 10,4 Prozent weniger Smartphones. Ursächlich sei hierfür vor allem der hohe Personalbedarf in der Produktion, der sich während der Epidemie nicht decken lasse. Hinzu komme, dass viele Zulieferer ausgefallen seien. Engpässe gäbe es beispielsweise bei den Fotosensoren, wie die Digitimes berichtet. Für die Notebookproduktion gelte laut TrendForce ähnliches. Sie benötige eine Vielzahl zugelieferter Komponenten und ihre Auslieferungen würden nach Einschätzung der Marktforscher aufgrund geschlossener Zuliefererfabriken um 12,3 Prozent einbrechen.

Die Hersteller von Spielekonsolen und Smart Speakern haben demnach ebenfalls mit über 10 Prozent weniger ausgelieferten Exemplaren zu rechnen. Vor allem Spielekonsolen werden jedoch traditionell im vierten Quartal eines Jahres abgesetzt, weswegen das Virus für deren Hersteller weniger verheerend sei, sagen die taiwanesischen Marktforscher. Die Produktion von Monitoren und Fernsehern wird hingegen voraussichtlich nur um rund 5 Prozent sinken.

Rund 25 Prozent der globalen Glasfaserproduktion befinden sich jedoch in der vom Virus besonders stark betroffenen Provinz Hubei, schätzt TrendForce. Für den chinesischen 5G-Ausbau wird daher mit Verzögerungen gerechnet. Photovoltaik-Anlagen sollen ebenfalls nur mit Verzögerungen ausgeliefert werden können, ihnen fehle eine Vielzahl an Komponenten.

Im Gespräch mit heise online ist sich Caroline Meinhardt von der China-Denkfabrik Merics sicher: "Einige Firmen sind gerade im Krisenmodus." Erste Auswirkungen würden den Markt ihrer Einschätzung nach mit einigen Wochen Verzögerungen erreichen. Es herrsche derzeit viel Unsicherheit.

Einige Stellungnahmen von Unternehmen liegen bereits vor: Arrow Electronics und Future Electronics haben etwa Produktionsausfälle angekündigt. Sie vertreiben unter anderem Kondensatoren, Dioden und Schalter. Mainboard- und Grafikkartenhersteller MSI gab auf Nachfrage an, dass man mit Einschränkungen bei der Verfügbarkeit rechne. Apple gab kürzlich bekannt, dass die iPhone-Produktion wegen des Coronavirus hinterherhinke und senkte daraufhin die Quartalsprognose. Smartphone- und Smartwatchproduzent Huawei äußerte auf Nachfrage, dass es bisher keine Verzögerungen in der Produktion gäbe. Die Stellungnahmen weiterer Hersteller stehen noch aus.

Der Personalbedarf ist ein wichtiger Faktor: "Die Halbleiterindustrie konnte zum Beispiel teilweise weiterproduzieren", berichtet die China-Expertin Meinhardt. Deren Produktion benötige vergleichsweise wenig Arbeiter und auch die Hygiene- und Sicherheitsstandards seien höher als in anderen Sparten. Wenn Fabriken nun wieder öffnen, kämen oft nur 10 bis 20 Prozent der Belegschaft zum Arbeitsplatz, wie Meinhardt zu berichten weiß. Das liege auch an Quarantänebestimmungen, die aus dem Ausland zurückkehrende Angestellte treffen, wie die EETimes anmerkt.

"Besonders sind kleine und mittelständische Unternehmen betroffen, die weniger liquide sind und weniger Waren auf Lager halten als große Konzerne", schätzt Caroline Meinhardt. Wenn Waren trotz aller Widrigkeiten produziert werden, kann schließlich noch die schlechte Logistik einen Strich durch die Rechnung machen. Die China-Expertin mahnt an, dass Reisen beschränkt seien und Grenzkontrollen streng ausfielen.

Es kann daher schwierig sein, die produzierten Waren an ihr Ziel zu bringen. Der Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, sprach vor Journalisten gar von einem "logistischen Alptraum", meldet die Nachrichtenagentur dpa.

Das Virus könnte Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktion neu zu planen. Apple soll nach Medienberichten bereits begonnen haben, Teile seiner Produktion nach Indien, Taiwan und Vietnam zu verlagern. Über Samsung ist schon länger bekannt, dass seine Smartphones vielfach in Vietnam produziert werden.

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Wie schwerwiegend sich das Virus auf die Elektroindustrie auswirken wird, ist noch nicht sicher zu beziffern – auch die Marktforscher von TrendForce können zum jetzigen Zeitpunkt nur Schätzungen abgeben. "Der weitere Verlauf wird sich wohl in den nächsten Wochen entscheiden", erwartet Caroline Meinhardt.

Das Coronavirus grassiert schätzungsweise seit Dezember 2019 in der chinesischen Provinz Hubei. Inzwischen sind mehr als 74.000 Infektionen in China gemeldet und über 2.000 Menschen an der schweren Lungenerkrankung gestorben. (mjo)