Deutscher Kandidat für den ITU-Chefsessel im Wahlkampf
Das erste Treffen des Internet Governance Forum behandele auch Themen, die die Bundesnetzagentur betreffen, meinte deren Chef, der das IGF auch zur Werbung für seine Kandidatur als Generalsekretär der International Telecommunications Union nutzte.
In der kommenden Woche wählt die "Plenipotentiary Conference" der International Telecommunication Union (ITU) einen neuen Generalsekretär. Die sechs Kandidaten befinden sich daher im Endspurt ihrer Kampagnen. Dem Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, diente dabei das erste Treffen des Internet Governance Forum in Athen als willkommene Bühne. Kurth selbst betonte aber gegenüber heise online, die Teilnahme am IGF sei unabhängig von der ITU-Wahl: "Die Fragen, die hier diskutiert werden, betreffen in Teilen auch die Bundesnetzagentur." Dass die Zeichen auf Wahlkampf standen, unterstrich allerdings nicht zuletzt ein deutscher Empfang am Dienstagabend.
Für viel Kritik sorgte die ursprüngliche Ankündigung einer geschlossenen Veranstaltung der deutschen Delegation durch den deutschen Botschafter; im Plenum in Athen wurde sie mit einzelnen Buhrufen quittiert. Zahlreiche deutsche Teilnehmer zeigten sich verwundert darüber, dass sich die deutsche Delegation trotz der auf dem IGF-Treffen zumeist völlig offenen Veranstaltungen für eine solche Exklusivität entschieden hatte. Am Ende lud man dann doch noch alle ein – und wer kam, wurde auch von Kurth persönlich begrüßt.
Zur Wahl selbst meinte Kurth, er rechne sich gute Chancen aus. Aber Voraussagen zu machen sei schwer. Als wichtiges Thema, das eine ITU unter seiner Leitung besonders vorantreiben wolle, nannte Kurth den Bereich Informations- und Kommunikationstechniken für weltweite Entwicklung. "In diesem Bereich kann die ITU auf große Erfahrung zurückgreifen." In seiner Wahlwerbebroschüre heißt es, die ITU solle ihre führende Rolle bei der Entstehung globaler Kommunikationsmärkte erweitern. "Die ITU sollte sich durch ihre Reformanstrengungen und die Integration der Arbeit der verschiedenen Sektoren darum bemühen, die international anerkannte Plattform für Entwicklung und Harmonisierung der Telekommunikationsmärkte zu bleiben."
Interoperabilität und die Konvergenz der Netze nennt die Broschüre als wesentliche Trends, mit denen die oft als Dinosaurier der alten Telekommunikationswelt kritisierte UN-Organisation sich auseinanderzusetzen hat. Zum immer wieder thematisierten Verhältnis zwischen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und der ITU hatte Kurth während des Weltgipfels der Informationsgesellschaft gesagt, er wolle die Rolle der ITU gerne betonen, aber auch die Diskussion versachlichen.
Beobachter aus dem Ausland nannten die deutsche Kampagne durchaus maßvoll im Vergleich zu der von Kurths Schweizer Mitbewerber Marc Furrer. Die Schweiz hatte im Rahmen ihrer Kampagne unter anderem sogar ein Commonwealth-Treffen in London gesponsert. Der tunesische Kandidat andererseits beantwortete noch nicht einmal Fragen der ITU im Rahmen der offiziellen Kandidatenvorstellung. Weitere Kandidaten kommen aus Brasilien, Mali und Jordanien.
Siehe zum Internet Governance Forum, dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft und zu den nach seinem Abschluss entfalteten Aktivitäten:
- The Internet Governance Forum, offizielle Website des IGF
- IGF Community Site zur ersten IGF-Tagung, mit Webcasts und direkter Beteiligungsmöglichkeit
- Special IGF/Cyber-Weltgipfel in Telepolis
- StopSpamAlliance soll Anti-Spam-Netze unter ein Dach bringen
- Mehr freie Inhalte für das Internet
- Druck auf Firmen wegen Zusammenarbeit mit autoritären Staaten
- Die Internet-Verwaltung und der freie, allgemeine Netzzugang
- Die Zukunft der Internet-Verwaltung: Internet Governance Forum eröffnet
- "Grober Konsens" als Aufgabe für das Internet Governance Forum
- Neue Anläufe zur Debatte um die DNS-Aufsicht vor dem Internet Governance Forum
- Die Vereinten Nationen, die NGOs und die Informationsgesellschaft
- Stoff für den Streit um die Internet-Verwaltung
- Neue Runde im Streit um die Internationalisierung der Internet-Verwaltung
- Kofi Annan benennt neue Beratergruppe für Internet Governance Forum
- Diplomatie zum Informationsweltgipfel: Dichtung und Wahrheit
- Neue Gräben bei der digitalen Spaltung
- Weltgipfel der Informationsgesellschaft: Thema verfehlt?
- ICANN bilanziert den Weltgipfel der Informationsgesellschaft
- WSIS: Die Vereinten Nationen sollen Übergriffe und Zensur untersuchen
- Schweiz protestiert gegen Zensur beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft
- Nach dem Weltgipfel ist vor dem Internet-Forum
- Das Internet der Dinge
- Alle sind Sieger geblieben
- Negroponte hofft auf Mitarbeit der Open-Source-Gemeinde beim 100-Dollar-Laptop
- Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren
- Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
- Angriffe auf Bürgerrechtler überschatten Weltgipfel der Informationsgesellschaft
- Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
- Deutsche Delegation für Internationalisierung der Netzverwaltung
- Der Kampf um die Macht im Netz
- Kofi Annan: UN will keineswegs "das Internet übernehmen"
- Forscher fordern "ent-nationalisierte" ICANN
- US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
- Keine Einigung über Root-Aufsicht
- USA und EU im Clinch über Internet-Regulierung
- Scharfe Kritik an Gipfelgastgeber Tunesien
- USA für einen Gipfel ohne Folgen
- Die Regierungen, die UNO und das Internet
- US-Regierung gibt Kontrolle über DNS-Rootzone nicht her
- US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:
(Monika Ermert) / (jk)