Die CAI zerfasert und Samsung schrumpft den Zoom – die Fotonews der Woche 3/2024

Nikon will ein Wasserzeichen zusätzlich zum Echtheitssiegel der CAI, Samsung halbiert im Top-Smartphone den Zoom und Canons R1 kommt vielleicht doch bald.

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Die fast drei Jahre alte Canon R3 könnte bald einen Nachfolger namens R1 bekommen.

(Bild: Canon)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
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Standards definieren unsere digitale Welt. Wer eine Speicherkarte in den passenden Slot einer Kamera steckt, muss sich darauf verlassen können, dass sie dort auch funktioniert. Genauso ist das bei Kabeln, Funkverbindungen und allem anderen, was der Anwender direkt in die Hände bekommt. Wer jedoch genügend Marktmacht hat, kann jederzeit ein neues Format durchsetzen, das sich "Standard" nennt.

Das Resultat sind immer mehr Standards, davon handelt auch einer der berühmtesten satirischen Comics der Webseite XKCD. Darin wird beschrieben, wie beim Versuch, 14 vermeintliche Standards durch einen neuen zu ersetzen, am Ende 15 konkurrierende Standards herauskommen. Auf demselben Kurs scheint nun die Content Authenticity Initative (CAI) zu sein, die ursprünglich vor vier Jahren angetreten war, um ein nicht fälschbares Echtheitssiegel für tatsächliche Fotografien im Gegensatz zu KI-Fakes zu etablieren.

Nikon, eines der Mitglieder der CAI, hat nämlich vor Kurzem angekündigt, auch ein eigenes digitales Wasserzeichen in die Bilder aus Profikameras einzubetten. Schon die Wortwahl ist hier irreführend, denn bei "Wasserzeichen" denken sicher viele an leicht fälsch- oder entfernbare Markierungen. Oft wird da das Beispiel des Abfotografierens vom Bildschirm genannt, und das ist schon das nächste Missverständnis, denn: Es geht sowohl bei CAI als auch Nikons Technik darum, dass ein Bild als Fälschung angesehen werden soll, wenn keine der Markierungen vorhanden sind.

Wie schon oft in dieser Kolumne beschrieben, ist das die neue Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit, insbesondere von Pressefotos. An erster Stelle der Verwertungskette bis zum Konsumenten steht da natürlich der Fotograf, aber schon an zweiter die großen Fotoagenturen. Und auch die kochen inzwischen alle ihr eigenes Süppchen: Nikon will seine Technik mit AFP testen, Sony hat, basierend auf CAI, zusammen mit AP einen Workflow entwickelt, und Canon arbeitet mit Reuters zusammen.

Das liest sich nicht nur wie ein Vendor-Lock-In, das ist einer: Die Agenturen binden sich an die Technologie eines Kameraherstellers, und wenn der zum Beispiel eine neue Anforderung an die Echtheitsprüfung von Bildern nicht erfüllen will oder kann, dann gibt es die eben nicht. Natürlich ist bei der Wahl von Arbeitsmitteln im professionellen Bereich eine gewisse Standardisierung irgendwann nicht mehr vermeidbar, nur: Gerade bei einem als halbwegs offen gestalteten System wie CAI und seinen Spezifikationen namens C2PA ist eine solche Zerfaserung in einem so frühen Stadium schlicht kontraproduktiv.

Es gibt bisher kein soziales Netzwerk, das CAI-Funktionen in seinem Dienst anbietet. "Verify" ist als Software eine Prüfstelle von der CAI selbst – doch das System ist bisher nicht in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Statt an dieser Stelle anzusetzen und Aufklärungsarbeit zu leisten, macht es mindestens Nikon noch komplizierter, denn: Laut einer Mitteilung des Unternehmens soll die Nikon-Markierung auch erhalten bleiben, wenn die CAI-Daten entfernt wurden. Wie das funktioniert, und warum Nikons System, so wörtlich, "robuster" als CAI sein soll, erklärt Nikon bisher nicht. Diese vagen Aussagen schaffen weder in die eine, noch die andere Technik Vertrauen.

Immerhin verspricht Nikon in derselben Mitteilung auch, dass es CAI bzw. C2PA weiter unterstützen und daran mitarbeiten wolle. Ob und wie die eigene Technik dann dort einfließt, lässt das Unternehmen aber offen, ebenso, warum man nicht in der Arbeit mit den Gremien dort Verbesserungen vorgenommen hat. Im schlimmsten Fall streiten sich in ein paar Monaten die drei großen Hersteller, wer die echtesten der wirklich echten Pressekameras baut. Sollte das so weit kommen, hätte die ganze Sache nur Verlierer, denn die Öffentlichkeit traut am Ende keinem der beteiligten Unternehmen mehr. Wohlgemerkt: Die Fotoagenturen sind damit auch gemeint.

Nicht nur durch die immer besser werdenden KI-Bildgeneratoren, sondern auch durch die Olympischen Spiele von Paris im Juni 2024 drängt die Sache. Wenn es einen Termin gibt, an dem sich Echtheitssiegel für Fotos etablieren, dann ist es diese Veranstaltung. Nicht nur für die Medienprofis, auch für Fans wäre es eine tolle Sache, verschiedene, in derselben Sekunde aufgenommenen Fotos eines entscheidenden sportlichen Moments selbst vergleichen zu können. Dazu gibt es aber, siehe oben zu Verify, weder die Tools noch die Strukturen. Auch auf dieser Ebene scheint da bisher viel Potenzial verschenkt zu werden.

Wie sehr solche Großereignisse in der Fotobranche ihre Schatten vorauswerfen, zeigte sich in dieser Woche an einer Fülle von Gerüchten zur nächsten großen Profikamera von Canon. Dass sie R1 heißen wird, und sich in Entwicklung befindet, hatte Canon vor fast einem Jahr schon selbst ausdrücklich bestätigt. Nur die Spezifikationen sind bisher völlig unklar. Nun ist über den chinesischen Dienst Weibo bei Mirrorless Rumours eine ganze Liste von beeindruckenden Funktionen aufgetaucht, welche die R1 beherrschen soll. Von 120 Bildern pro Sekunde ist die Rede, Angaben zum Format dabei gibt es noch nicht. Aber zu 40 und 60 fps, welche die Kamera erreichen soll: 1:3- und 1:2-Komprimierung in Canons eigenem verlustbehafteten CRAW-Format sollen es sein. Und zwar dauerhaft, wohl so lange, wie die Speicherkarte mitmacht.

Eine der inoffiziellen Angaben macht besonders stutzig, denn die R1 soll einen "erweiterten Dynamikumfang" bieten – der direkte Konkurrent der Turbo-Kameras für Sport, die Sony A9 III, fiel hier in ersten Tests etwas zurück. Denn natürlich ist die R1 als Reaktion auf Sonys A9 III, die erste Profikamera mit Global Shutter zu sehen. Einen solchen soll die Canon jedoch nicht besitzen, offenbar rückt Sony weder Sensor noch sonstiges dafür heraus. Ein bisschen will Canon offenbar auch bei der Auflösung punkten, denn statt der 24 Megapixel der A9 soll die R1 immerhin 30 Megapixel bieten.

Über die Auflösung will auch Samsung bei seinem neuen Top-Smartphone einen vermeintlichen Nachteil der technischen Daten mildern. Das Galaxy S24 Ultra bietet nämlich bei einer seiner drei rückseitigen Kameras nur noch einen fünffachen statt wie bei S23 Ultra zehnfachen optischen Zoom. Dafür ist aber der Sensor dahinter jetzt mit 50 statt vorher 10 Megapixeln versehen.

Gegenüber Pressevertretern nannte Samsung das Ergebnis einen "Zehnfach-Zoom mit optischer Qualität." Dahinter steckt eine Kombination aus Image Stacking, also der Kombination mehrerer Aufnahmen, sowie das Cropping aus nun eben der fünffachen Menge an Bildpunkten. Noch viel mehr als bei den Systemkameras muss bei den Smartphones die Software die Schwächen der Konstruktion ausgleichen. Der ungebrochene Trend zu sehr flachen Handys schränkt die Möglichkeiten für die Optik eben ein. Damit ist Samsungs Schritt zu mehr Auflösung und weniger optischem Zoom nur konsequent.

Einen Long Read zum Wochenende gibt es diesmal nicht, auch keinen Long Watch – aber einen Long Hear, um den Metaphernsalat komplett zu machen. Die Rede ist von unserem Podcast "Click Boom Flash". In der aktuellen Folge erklärt der Fotograf André Leisner, wie man mit seiner Website oder auf anderem Weg als Fotograf im Netz gefunden wird.

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