Die Kabelnetzbetreiber und das Breitband-Internet: Keine falsche Eile beim Gigabit-Ausbau

Gigabit-Netze kommen auch ohne neue Regierung, aber erst muss der Markt dafür bereit sein, meinen Vertreter der TV-Kabelbranche. Schon heute seien mit der eingesetzten Technik 800 MBit/s drin, "aber keiner will es".

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Ausbau
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Beim Verband deutscher Kabelnetzbetreiber Anga herrscht relative Gelassenheit angesichts der geplatzten Jamaika-Koalition. Die während der Sondierungen vorgesehenen Finanzspritzen von rund 20 Milliarden Euro für einen glasfaserbasierten "flächendeckenden Breitbandausbau in Gigabitgeschwindigkeit bis 2025" wären zwar wegweisend gewesen, heißt es bei dem Zusammenschluss. Doch auch ohne Fördermittel "werden Gigabit-Netze kommen", erklärte Stefan Tiemann vom Anga-Mitgliedsunternehmen RFT Kabel Brandenburg bei einer Presserunde in Berlin.

"Wir legen Faser ins Gebäude", erläuterte der RFT-Chef den eigenen Ansatz. "Wenn die Wohnungswirtschaft bereit ist, ziehen wir sie hoch in die Wohnungen." Während die Deutsche Telekom mit dem VDSL-Turbo Vectoring in der Regel mit 100 MBit/s "draußen rumdümpelt", biete die Kabelbranche meist schon das Vierfache an. "Wir rüsten gern auf", betonte Tiemann. Zugleich schränkte er aber ein: "Die Nachfrage muss da sein."

Debatte: Breitband-Ausbau in Deutschland

Glasfaser-Internet ist in Deutschland ein Ladenhüter. Kein Wunder, denn Vectoring sei wirtschaftlich meist sinnvoller: Glasfaser für Alle? Welch ein Unfug!, kommentierte Ernst Ahlers – und löste damit eine heftige Debatte aus, nicht nur im Diskussionsforum. Einige Reaktionen Pro und Contra:

Ähnlich äußerte sich Bernd Thielk, Geschäftsführer von Willy.tel in Hamburg: "Der Großteil wird ohne neue Bundesregierung funktionieren." Problematisch sei es nur, bestehende weiße Flächen beim Breitbandausbau ohne Staatsgelder zu schließen. Große Sorge bereitet Thiel dagegen, dass es "kaum noch Tiefbaukapazitäten gibt". Viele einschlägige Firmen seien bereits bis 2019 ausgelastet. Zudem seien die Kosten für das Buddeln binnen weniger Jahre um gut 30 Prozent gestiegen. Da auf Hunderttausenden Kilometer Glasfaser verlegt werden müssten, komme die Politik doch wieder ins Spiel: Die Genehmigungsverfahren dafür müssten deutlich vereinfacht und beschleunigt werden.

Das mit dem Gigabitausbau "macht man nicht mal eben so", ergänzte Tele-Columbus-Finanzchef Frank Posnanski. Da gelte es schon noch, "viel auszutauschen" und die Kapazitäten dafür bereitzustellen. Die aktuelle Kabeltechnik DOCSIS 3.0 sei auch schon über zwölf Jahre im Markt, warnte das Vorstandsmitglied bei dem Konzern vor vorschnellen Schritten. Damit könne man "von Haus aus bis 800 MBit/s gehen, aber keiner will es". Wer heute ein Angebot mit 1 GBit/s herausbringe, würde dafür allenfalls ein paar Nerds als Abnehmer finden: "Der Rest ist mit 200 MBit/s zufrieden."

Die "Vorvermarktung" von Anschlüssen mit Bandbreiten von über 400 MBit/s sei "sehr viel leichter geworden", ließ der Unitymedia-Manager Wolf Osthaus dagegen durchblicken. "Das Interesse ist da, aber es gibt eine Preissensibilität." Das Unternehmen werde daher das gigabitfähige DOCSIS 3.1 nicht gleich "komplett im ganzen Netz ausrollen", sondern fange nächstes Jahr mit einem Pilotprojekt in Bochum an, um die Nachfrage zu wecken. Andere Städte oder Regionen im Süden und Westen der Republik würden "in einem überschaubaren Zeitraum von mehreren Jahren" folgen.

Der Umstieg auf den neuen Standard mache es zwar nicht nötig, bereits verlegte Kabel herauszureißen, führte Osthaus aus. Es sei aber nötig, "die aktive Technologie" sowie die Kabelmodems beim Endkunden auszutauschen. Zudem müssten die Kapazitäten im Netz insgesamt erhöht werden, also Glasfaser näher an die Kunden gebracht werden. Auch die Uploadraten gingen dabei nach oben, bei 1 GBit/s Downloadgeschwindigkeit seien hier bis zu 100 MBit/s realistisch. Mit einer neuen Voll-Duplex-Ergänzung zu DOCSIS 3.1 würden gar symmetrische Raten greifbar. Derzeit erwarteten selbst viele Unternehmen aber, dass dies alles für 19,99 Euro pro Monat zu bekommen sei. Es gelte daher, den Markt für Gigabit sukzessive zu entwickeln.

Einen "enormen Nachholbedarf" beim Netzausbau in Kommunen machte Theo Weirich aus, Geschäftsführer des Norderstedter Betreibers Wilhelm.tel. Allein in Schleswig-Holstein hätten 15 große Städte "keine Glasfaser", bundesweit stünden 1500 Städte ohne eine einschlägige ausreichende Infrastruktur da.

Der Staat sei also durchaus gefragt und müsse die Unternehmen unterstützen, da es sonst auch mit dem kommenden Mobilfunkstandard 5G, dem Internet der Dinge oder freiem WLAN in Gemeinden nichts werde. Anga-Geschäftsführerin Andrea Huber vermisste eine handlungsfähige Bundesregierung zudem in Brüssel, wo derzeit über einen neuen Regulierungsrahmen für die Telekommunikationswirtschaft entschieden werde. (jk)