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Digital Credentials: Universitäten arbeiten am E-Diplom

Torsten Kleinz
Studenten im Hörsaal

Studenten sollen künftig ihre Zeugnisse und Nachweise auch digital erhalten können.

(Bild: dpa, Jan Woitas/Archiv)

Mit dem neuen Standard sollen Papierzeugnisse überflüssig werden. Gerade bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen könnte das helfen.

Viele kennen das Problem: Im Laufe des Berufslebens haben sich Ausbildungsnachweise und Zeugnisse angesammelt, doch die Bewerbungs-Website des potenziellen Arbeitgebers lässt gerade einmal den Upload einer Datei mit ein paar Megabyte zu. Kurzerhand werden alle Leistungsnachweise eingescannt und zu einer PDF-Datei zusammengestückelt – in der Hoffnung, dass sich der Arbeitgeber schon das richtige heraussucht.

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Selbst in Institutionen, die sich ganz dem Digitalen verschrieben haben, ist das Papierzeugnis immer noch das Mittel der Wahl: "Wer bei uns einen Master-Studiengang erfolgreich abschließt, bekommt zum einen eine hübsche Urkunde und dazu einen Papierstapel von gut 15 Seiten", erklärt Hans Pongratz, Chief Information Officer der Technischen Universität München.

In dem Papierstapel ist genau erfasst, welche Module der Student abgeschlossen hat. So können sich Arbeitgeber zum einen ein genaues Bild machen, welche Ausbildung ein Bewerber durchlaufen hat. Zum anderen können andere Bildungseinrichtungen überprüfen, welche Ausbildungsinhalte sie anerkennen, wenn der Student seine Ausbildung fortsetzen will.

In der Praxis artet das schnell in eine Papierschlacht aus. Belege müssen kopiert, eingescannt, hochgeladen, abgeschickt, Nachfragen beantwortet und alte Dokumente neu beglaubigt werden. Dass dies in Zeiten allumfassender Datenverarbeitung nicht mehr das Mittel der Wahl sein kann, haben sich nun mehrere Universitäten zusammengetan, um das Papierzeugnis endlich endgültig abzulösen.

Im April wurde das Projekt Digital Credentials [2] öffentlich vorgestellt, an dem sich bisher neun Universitäten beteiligen. Neben dem Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University engagieren sich hier unter anderem auch das Hasso Plattner Institut in Potsdam und die Technische Universität München.

Die technischen Details sind dabei noch weitgehend offen, im Sommer will die Arbeitsgruppe ein White Paper veröffentlichen. "Die Lösung soll möglichst generisch sein: Egal ob Studienabschluss, Weiterbildung oder Modulbescheinigung – mit dem neuen Standard soll alles abgebildet werden können", erklärt Pongratz im Gespräch mit heise online. Mehr noch: Die digitalen Abschlüsse sollen auch dann abgesichert sein, wenn eine Ausbildungsstätte ihren Betrieb einstellt.

HPI/Dirk Laessig

Aus Deutschland ist unter anderem das Hasso Plattner Institut Potsdam dabei.

(Bild: HPI/Dirk Laessig)

Neben einer vereinfachten Weitergabe setzen die Beteiligten auch auf eine erhöhte Verlässlichkeit der Zeugnisse. "Vor einiger Zeit hatten wir eine Anfrage von einer Firma aus Südafrika. Ein Bewerber hatte mit einem gefälschten Zertifikat angegeben, einen unserer Online-Kurse erfolgreich abgeschlossen zu haben.“ sagt Pongratz. "Für uns war das ein Augenöffner." Ein zertifiziertes digitales Zeugnis soll von Arbeitgebern und Universitäten einfach auf Echtheit geprüft werden können, ohne dass sich diese an die Ausbildungsstätte wenden müssen.

In Deutschland ist es bisher eher unüblich, dass sich Arbeitgeber über die Korrektheit der vorgelegten Zeugnisse eines Bewerbers erkundigen. Dennoch gelangen vereinzelt Fälle an die Öffentlichkeit, bei denen Angestellte wegen falscher Zeugnisse entlassen wurden. Ein Grund dafür ist, dass die gerade große Arbeitgeber immer mehr Wert auf praktische Fähigkeiten legen, die im Bewerbungsgespräch, in Assessment Centern und der Probezeit erprobt werden.

"Je länger ein Bewerber im Berufsleben ist, um so weniger Relevanz haben die einzelnen Noten in den Abschlusszeugnissen", erklärt Katharina Hain vom Personaldienstleister Hays. Insofern sieht sie bei Arbeitgebern derzeit wenig Bedarf nach einer reinen Digital-Lösung, die dann von von den Arbeitgebern erst einmal in ihre Personalgewinnung integriert werden müsste.

Eine unmittelbare Hilfe könnten die digitalen Zertifikate allerdings sein, wenn es darum geht, Bewerber aus dem Ausland einzustellen. "Wenn der Digital Credentials-Standard die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Berufsabschlüsse aus dem Ausland abbilden kann, wäre dies ein Gewinn", sagt Hain. Heute müssen Bewerber aus dem Ausland ihre Zeugnisse oft übersetzen und separat beglaubigen lassen, was mitunter viel Zeit und Geld kostet. Gerade im IT-Bereich, wo sich Arbeitgeber immer mehr nach Kräften aus dem Ausland umsehen, würde ein universelles Digitalzeugnis die Einstellung erleichtern.

Ein Problem kann der digitaler Standard jedoch nicht lösen: Die Qualität der Ausbildung soll bei den "Digital Credentials" noch nicht direkt abgebildet werden. So müssen sich die Arbeitgeber und Universitäten selbst versichern, dass die vorgelegten Abschlüsse ihren Ansprüchen genügen.

Gerade der Boom von Online-Kursen hatte in den vergangenen Jahren für eine verwirrende Vielfalt von Bildungsabschlüssen gesorgt – vom Online-Kurs, der im Auftrag einer angesehenen Universität von einem externen Dienstleister durchgeführt wird, über profitorientierte Anbieter mit zweifelhaften Qualitätsversprechen bis hin zu groß angelegten Betrugsunternehmen, die nicht nur Zeugnisse, sondern ganze Universitäten fälschen [3]. (vbr [4])


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https://www.heise.de/-4410987

Links in diesem Artikel:
[1] https://jobs.heise.de?wt_mc=intern.newsticker.dossier.jobs
[2] https://digitalcredentials.mit.edu/
[3] https://www.heise.de/news/Skandal-um-gefaelschte-Titel-Pakistanischer-IT-Konzern-Chef-festgenommen-2668351.html
[4] mailto:vbr@heise.de