Digital-Kompass: EU-Kommission will die digitale Wende hinbekommen

Bis 2030 sollen 20 Prozent der Chips aus der EU kommen, 10.000 klimaneutrale hochsichere Rechenzentren entstehen und wichtige öffentlichen Dienste online sein.

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(Bild: -strizh-/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission hat am Dienstag ambitionierte Ziele für die "digitale Dekade" sowie Vorgaben und Wege für einen "erfolgreichen digitalen Wandel Europas" vorgelegt. Laut ihrem Vorschlag für einen digitalen Kompass soll sich der Weltmarktanteil der europäischen Halbleiterproduktion von acht auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Den ersten weitgehend universell einsetzbaren Quantencomputer hat sie bereits seit einiger Zeit für 2025 im Visier, bis 2030 soll sich die EU in diesem Bereich nun zur führenden Kraft aufschwingen.

Die Zahl der IT-Spezialisten soll sich laut dem Vorhaben im laufenden Jahrzehnt von 7,8 auf 20 Millionen steigern, jeweils zur Hälfte Frauen und Männer. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent aller Erwachsenen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen.

Europaweit will die Kommission 10.000 "Edge-Rechenzentren" für nah an den Kunden herangebrachte Cloud-Dienste entstehen sehen. Die Digitalisierung werde dazu genutzt, um den Klimaschutz zu verbessern, versichert sie. In neun Jahren sollen die Knotenpunkte der angestrebten dezentralen Datenzentren klimaneutral sein, ihr Ausstoß von CO2 & Co. also netto bei null liegen.

Dem Plan zufolge werden 2030 drei von vier Unternehmen Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Vier von fünf Bürgern sollen Online-Ausweise über eID-Lösungen nutzen. Gerade Deutschland liegt hier laut dem E-Government-Monitor weit zurück. Die wichtigen öffentlichen Dienstleistungen werden der Initiative nach bald zu 100 Prozent online verfügbar sein, alle medizinischen Unterlagen etwa über elektronische Patientenakten vernetzt und jederzeit griffbereit. Ferner sollen alle europäischen Haushalte mit Internet im Gigabit-Bereich versorgt sein. Weiteres Versprechen: In besiedelten Gebieten wird der neue Mobilfunkstandard 5G überall verfügbar sein.

Parallel strebt die Kommission eine gemeinsame Erklärung mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaat für die digitalen Grundrechte der Bürger. Darin verankert werden sollen – teils parallel zu bestehenden Vorgaben wie der EU-Grundrechtecharta – etwa das Recht auf Meinungsfreiheit, der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre oder der Zugang zu vielfältigen, vertrauenswürdigen und transparenten Informationen.

Dazu kommen dem Vorhaben zufolge "umfassende Digitalgrundsätze" wie ein Anspruch auf universellen Zugang zu Internet sowie faire und diskriminierungsfreie Online-Dienste. Enthalten sein sollen etwa auch ethische Grundsätze für Algorithmen, "die den Menschen in den Mittelpunkt stellen".

Es handle sich nicht nur um eine Vision, sondern um einen klaren Fahrplan, versicherte die fürs digitale Zeitalter zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager. Ehrgeizige Ziele seien nötig, "damit wir gemeinsam die europäische digitale Wende vollziehen können" und diese den Menschen zugutekomme. "Technologien und Plattformen müssen unsere Rechte achten", betonte die Dänin. Der Aufschlag markiere zunächst den "Start einer langen Konsultationsreihe für ein klares digitales Programm".

Die Mittel für die Umsetzung der digitalen Dekade sollen aus dem Haushalt und dem Corona-Hilfsfonds kommen, von dem 20 Prozent für Digitalprojekte vorgesehen sind. Die Mitgliedsstaaten müssten zusammenarbeiten, "um die Lücken zu füllen", unterstrich Vestager. Der Kompass werde zugleich ein Kontrollsystem und Abhilfemaßnahmen enthalten. Das digitale Potenzial der Hälfte der potenziellen Arbeitnehmer sei derzeit nicht erschlossen, rief sie zum Handeln auf. Bis 2030 müsse es auch mehr weltweit agierende europäische Startups geben. Landwirte sollten ihre Erträge mit IT und Online-Lösungen steigern können.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton erklärte, dass die Kommission keinen EU-Staat aus der Verantwortung nehme. Der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) fasse schon jetzt eine breite Palette einschlägiger Indikatoren zur digitalen Leistungsfähigkeit Europas zusammen und ermögliche es, die Entwicklung der EU-Mitgliedstaaten zu verfolgen. "Wir haben grüne und rote Länder", sagte der Franzose. "Wir wissen, wo wir ansetzen mit den Ministern." Viel Rot gebe es vor allem noch bei der Cloud und 5G.

Aktuell werden insgesamt 18 deutsche Unternehmen werden durch ein europäisches Mikroelektronik-Programm gefördert. Noch bis 2022 solle die Förderinitiative IPCEI Investitionen in Höhe von insgesamt bis zu 2,6 Milliarden Euro bundesweit ermöglichen, erklärte die Bundesregierung gerade in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Unterstützt würden der Bau moderner Chip-Fabriken sowie die Entwicklung leistungsfähiger und energieeffizienter Mikroelektronik-Komponenten bis hin zur Volumenproduktion. Die Standorte der geförderten Maßnahmen liegen in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen.

(axk)