Digitaler Euro: Pseudonymisierung soll den gläsernen Kunden verhindern

Die Kommission will, dass die EZB und nationale Zentralbanken einzelne Nutzer des digitalen Euro "nicht direkt identifizieren können". Anonym geht wohl nur bar.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission macht Ernst mit dem digitalen Euro. "Zentralbankgeld in physischer Form allein kann den Bedürfnissen einer sich rasch digitalisierenden Wirtschaft nicht gerecht werden", zitieren mehrere Medien und Nachrichtenagenturen aus einem Entwurf für ein einschlägiges rechtliches Rahmenwerk der EU-Kommission, das diese voraussichtlich am 28. Juni vorstellen wird. "Es ist daher notwendig, eine neue Form der offiziellen Währung als gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen."

Da Zahlungen zunehmend online abgewickelt werden, sei das "wünschenswerte Gleichgewicht zwischen Zentralbankgeld und privaten digitalen Zahlungsmitteln" gefährdet, begründet die Brüsseler Regierungsinstitution ihren Ansatz laut dem Fachdienst "Tagesspiegel Background". Dieser Trend könnte sich künftig noch verstärken, wenn digitale Zentralbankwährungen aus Drittländern oder sogenannte Stablecoins wie Tether oder Circles USDC auf den Markt kommen, die an den US-Dollar, einen Währungskorb oder andere Vermögenswerte gekoppelt sind. Ursprünglich war vor allem das von Facebook vorangetriebene, aber aufgrund regulatorischer Bedenken weitgehend wieder eingestampfte Kryptogeld Libra alias Diem ausschlaggebend für einschlägige Projekte.

Viele Bürger wünschen sich, dass die schon seit Längerem erwogene europäische Digitalwährung genauso anonym verwendbar ist wie Bargeld. Sie sorgen sich vor allem um die Privatheit ihrer Zahlungen. Die Abwicklung von digitalen Euro-Transaktionen will die Kommission daher so gestalten, dass weder die Europäische Zentralbank (EZB) noch die nationalen Zentralbanken "Daten einem identifizierten oder identifizierbaren digitalen Euro-Nutzer zuordnen können". Andererseits sollen etwa die ständig erweiterten Anti-Geldwäsche-Vorschriften der EU eingehalten werden.

In der Begründung des Entwurfs gehe die Kommission zwar nicht näher darauf ein, wie ein tragfähiger Kompromiss zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit gelöst werden soll, schreibt das Online-Magazin "Euractiv". Sie nenne aber "Pseudonymisierung oder Verschlüsselung" als zwei mögliche technische Lösungen. Generell solle ein hoher Datenschutz vor allem beim Offline-Einsatz von digitalen Euros – ähnlich wie beim Abheben von Banknoten an Geldautomaten und der Verwendung von Bargeld – gewährleistet werden. Gleichzeitig würden die Anti-Geldwäsche-Standards auf Online-Transaktionen mit dem Bezahlungsmittel angewendet.

Wirklich anonym dürfte der Digitaleuro so nicht werden, obwohl dies Verbraucher- und Datenschützer immer wieder fordern. Eine Pseudonymisierung lässt sich beim Rückgriff auf größere Bestände etwa von Transaktionsdaten mit Big-Data-Analysen oft leicht aufheben. Fabio Panetta, einer der EZB-Direktoren, brachte bereits "Anonymitätsgutscheine" ins Spiel, um das Dilemma zu lösen. Nutzer könnten diese ihm zufolge so ausgeben, dass Zahlungen "vom System nicht verfolgt" werden. Einer "uneingeschränkten Anonymität" steht aber auch die Notenbank skeptisch gegenüber.

Geschäftsbanken befürchten, durch einen zu erfolgreichen digitalen Euro ausgebootet zu werden. Das Zahlungsmittel könnte ihnen zufolge etwas dazu führen, dass Sparer ihr Geld von Bankeinlagen abheben und es auf den sichereren digitalen Euro-Konten hinterlegen, die von der EZB gestützt werden. Die Kommission will daher einen Ausgleich finden zwischen "der Gewährleistung einer breiten Nutzung und dem Schutz der Finanzstabilität und der Kreditversorgung". Die EZB soll daher Instrumente entwickeln, um Anwendbarkeit des digitalen Euro "als Wertaufbewahrungsmittel einzuschränken". Panetta brachte dafür schon ein allgemeines Limit oder Strafzinsen ab 3000 Euro ins Spiel.

Die Durchsetzung einer Haltegrenze über verschiedene digitale Wallets wie die zur geplanten Europäischen digitalen Identität (EUid) hinweg würde Zahlungsdienstleister genauso wie die Vorgaben gegen Geldwäsche und EU-Sanktionen dazu zwingen, personenbezogene Daten zu verarbeiten. Wie dies ohne direkte Identifikation des Kontoinhabers durch die EZB gehen soll, bleibt offen. Die Sorgen von Datenschützern dürfte dieser Aspekt nicht verringern.

Das durchgesickerte Dokument legt nahe, dass die Kommission den digitalen Euro nicht nur Banken, sondern vor allem der breiten Öffentlichkeit als breite Zahlungsoption etwa im Einzelhandel zugänglich machen will. Einer der Beweggründe hinter dem Vorschlag ist es, "die Fragmentierung des europäischen Marktes für Massenzahlungen zu verringern" und "den Wettbewerb zu fördern". Brancheninitiativen sollen zugleich ermutigt werden, europaweite Zahlungsdienste anzubieten.

Alle Kreditinstitute, die Zahlungskontodienste anbieten, will die Kommission verpflichten, "auf Anfrage ihrer Kunden grundlegende digitale Euro-Zahlungsdienste bereitzustellen". Entsprechende Basisservices sollen "natürlichen Personen kostenlos angeboten werden". Auch öffentliche Einrichtungen wie Postämter oder lokale und regionale Gebietskörperschaften könnten den digitalen Euro vertreiben und so seine Nutzung unabhängig von Banken machen. Zahlungsdienstleister sollen Transaktionen für natürliche Personen ebenfalls kostenlos durchführen. Sie können jedoch von den Händlern eine marktübliche Gebühr verlangen.

Den Berichten zufolge soll der Digitaleuro keine Zinsen bringen und nicht programmierbar sein. Dafür haben sich auch die EU-Finanzminister ausgesprochen. Ihnen geht es vor allem darum, das europäische Vorhaben von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Ripple abzugrenzen. Es soll keine Zusatzfunktionen geben, über die sich etwa "Smart Contracts" abwickeln ließen. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hob dagegen im Herbst hervor, dass der Wirtschaft hauptsächlich auf die Fähigkeit der Programmierbarkeit ankomme.

Die EZB startete im Juli 2021 eine zweijährige Untersuchungsphase rund um die Digitalwährung mit dem Fokus auf Technologie und Datenschutz. Ende Mai veröffentlichte sie in diesem Rahmen die Ergebnisse von zwei Berichte zur Marktanalyse und für den Probelauf eines Prototypen. Die Übung umfasste die Integration von fünf Benutzeroberflächen, die verschiedene Anbietern für jeden Anwendungsfall entwickelten. Das E-Commerce-Szenario überließ die EZB dem US-Riesen Amazon, was europäische Konkurrenten auf den Plan rief.

Die Tests haben laut der Notenbank ergeben, "dass es möglich ist, einen digitalen Euro reibungslos in die bestehende Zahlungslandschaft zu integrieren und gleichzeitig dem Markt Spielraum für die Nutzung innovativer Funktionen und Technologien beim Vertrieb" zu lassen. Die Resultate bestätigten auch, dass das Zahlungsmittel "grundsätzlich mit unterschiedlichen technischen Konzepten sowohl online als auch offline funktionieren könnte". Es sei aber fraglich, "ob mit der vorhandenen Technologie kurz- bis mittelfristig eine Offline-Lösung bereitgestellt werden kann, die den Anforderungen des Eurosystems entspricht".

(mack)