Digitaler Mittelstand fordert offenen Zugang zu Maschinendaten
Der Bundesverband IT-Mittelstand spricht sich für Nutzungsanrechte an nicht-personenbezogenen Daten etwa bei Robotern für Hersteller und Anwender aus. Die Berechtigten müssten die produzierten Messwerte über eine Schnittstelle auslesen können.
Die noch reichlich verworrene Debatte über ein "Dateneigentum" hat nun auch der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) um eine neue Facette bereichert. Der Präsident des Zusammenschlusses, Oliver Grün, hat am Dienstag ein Strategiepapier ins Zentrum einer Veranstaltung mit der Berliner Datenschutzrunde und dem Telefónica Basecamp gestellt, das einen "offenen Markt" für die Datenökonomie umreißt. Der BITMi fordert damit, dass sowohl Hersteller von Maschinen wie Robotern als auch deren Anwender und Plattformbetreiber Nutzungsrechte an den produzierten nicht-personenbezogenen Daten erhalten sollen.
Datenerfassung kenntlich machen
Der propagierte Ansatz geht über die Initiative von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hinaus, der Messwerte insbesondere aus dem Auto wie Sachen behandeln und dem Halter ein Eigentumsrecht daran verschaffen will. Er belässt es auch nicht bei rein vertraglichen Regeln, die der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) bevorzugt. Vielmehr sollen Grün zufolge Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nur einer Vertragspartei eine Lizenz zur Datennutzung erteilen, als unwirksam erklärt werden. Davon gebe es bereits sehr viele, da etwa Autobauer nicht daran interessiert seien, dass Messwerte auch an den Fahrer gehen.
Um die Ansprüche zu unterfüttern, plädierte Grün auch für eine Pflicht von Systemherstellern, "datenproduzierende Schnittstellen" zu dokumentieren und zu öffnen. Damit müsse klar werden, wie Berechtigte die im besten Fall verschlüsselten Daten auslesen könnten. Auf diese Weise könne plötzlich ein riesiger neuer Markt rund um das neue digitale Öl entstehen, getrieben etwa von den unzähligen Sensoren im Internet der Dinge.
Rechtsanspruch auf Messwerte
"Wir kriegen echte Interoperabilität, könnten vielleicht sogar ein bisschen digitale Souveränität zurückgewinnen", warb der BITMi-Chef für den Vorschlag. Nutzern würde es damit leichter fallen, "auf eine coole andere Plattform zu wechseln". Zudem würden Monopolstrukturen wie bei Google oder Facebook nicht weiter unterstützt.
Es müsse deutlicher werden, was personenbezogene Daten seien und wer auf welche Messwerte einen Rechtsanspruch habe, erläuterte Sebastian Feik, Geschäftsführer des BITMi-Mitglieds Legitimis Group, die Initiative. Wenn etwa Wetterdaten aus einem Auto an eine zentrale Stelle gingen, die damit besser Unwetter vorhersagen könne, müsse das nichts mit den datenliefernden Personen zu tun haben. Es gehe vielmehr um eine "Rückgewinnung" von Informationen. Zweckbindung und Transparenz müssten dabei aber beachtet werden, was schon die EU-Datenschutzverordnung verlange. Ein schier uferloser Big-Data-Ansatz sei damit nicht vereinbar, da es dabei um Informationen gehe, "über deren Zweckverwendung wir uns gar nicht klar sind".
Monopole aufbrechen
"Wir müssen sehr stark darüber nachdenken, wie man Zugänge zu Daten schaffen kann", ging der Digitalexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, konform mit der BITMi-Strategie, die der Verband auch bereits bei der EU-Kommission eingebracht hat. Es sei richtig, die Monopole der datengetriebenen US-Konzerne aufzubrechen, da diese von den Nutzern immer die Zustimmung erhielten, selbst personenbezogene Informationen verarbeiten zu dürfen. Andererseits müsse die Deutungshoheit der Datenschutzbeauftragten rund um alle Fragen der neuen Währung des Informationszeitalters gebrochen werden.
Der Christdemokrat zeigte sich auch offen dafür, von Autos erfasste Daten etwa zum Standort oder zum Straßenzustand "als Open Data zu veröffentlichen". Die Koalition habe dies bereits versucht, was sich aber als "unglaublich kompliziert" herausgestellt habe. Aus Verkehrsflussdaten wollten die Autohersteller aber vielleicht selbst ein Geschäft machen, sodass der Staat solche Modelle nicht zerstören dürfe.
Kein "Dateneigentumsrecht"
Die CDU ist laut Jarzombek inzwischen übereingekommen, dass es "keinen Sinn macht, ein Dateneigentumsrecht zu schaffen" und Messwerte so "in ein Silo einzusperren". Die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich im März noch anders geäußert. Auch der parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Dirk Wiese (SPD) empfand den Begriff des Eigentums in diesem Zusammenhang nicht für empfehlenswert. Maschinendaten seien keine körperlichen Gegenstände, sondern beliebig kopierbar und folglich "öffentliche Güter". Auch die Regeln für "geistiges Eigentum" passten nicht, da keine Anreize für die "bloße Datensammlung" nötig seien. Besser sei es in der Tat, über den Wettbewerb mit und den Zugang zu Messwerten nachzudenken.
Als "überzeugend" bezeichnete den BITMi-Vorschlag der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Kleinere Firmen bräuchten "offene Schnittstellen, damit sie es mit Datenkraken aufnehmen können". Über die in den EU-Vorgaben verankerte Datenportabilität brauche es eine standardisierte Interoperabilität, wie sie etwa bei der Telefonie gegeben sei. Das Beispiel Auto fand der Experte aber unpassend, da die dort anfallenden Daten aufgrund der individuellen Fahrzeugnummer personenbezogen seien. Dafür brauche es Pseudonyme, was "ingenieursmäßig doch gar kein Problem" sei.
Standortfaktor Privatsphäre
Schwarz-Rot warf der Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz vor, mit immer neuen Überwachungsgesetzen den Standortfaktor Privatsphäre hierzulande auszuhebeln. "Deutsche Behörden waren bisher weniger übergriffig als die amerikanischen", konstatierte Schaar. Die Bundesregierung sei nun dabei, diesen auch unternehmerischen Vorteil abzuschaffen und den "Datenstandort Deutschland" zu ruinieren. (kbe)