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Direkter Satellitenfunk für Smartphones: Kampf den weißen Flecken

Wenn Smartphones direkt über Satelliten funken können, kann das nicht nur Leben retten. Apple, Bullit und Qualcomm gehen die Sache unterschiedlich an.

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Smartphones mit Satellitenfunk

(Bild: heise online/Steffen Herget)

Lesezeit: 6 Min.

Mit der Notruffunktion von Apple, Bullitt Satellite Connect und Qualcomms Snapdragon Satellite gibt es mittlerweile drei Systeme, Smartphones direkt mit Satelliten verbinden. Eins davon läuft bereits, eines startet in wenigen Wochen, das dritte braucht noch etwas, doch es scheint klar: Satellitenfunk wird Einzug halten in die Smartphonewelt. Die Technik hat das Potenzial, weißen Flecken den Schrecken zu nehmen.

Die drei Systeme haben Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Alle drei verwenden keine neuen Satelliten, die aufwendig und furchtbar teuer in den Orbit gebracht werden müssen, sondern bestehende Geo-Satelliten. Qualcomm etwa arbeitet mit Iridium-Satelliten zusammen und funkt im L-Band. Bei der Umsetzung hängt der Chip-Gigant aber noch hinterher – frühestens Ende 2023 dürfte man erste Geräte damit auf dem Markt finden. Die englische Bullitt Group, mit Abstand das kleinste Unternehmen der drei, hat sich mit der Firma Skylo zusammengetan und bekommt so ebenfalls Zugriff auf Geo-Satelliten. Neben dem L-Band funkt das von Bullitt und Mediatek entwickelte Modem zusätzlich im S-Band. Apple setzt auf 24 Satelliten von Globalstar, die in einer Höhe von 1400 Kilometer die Erde umkreisen.

Allen drei Systemen gemein ist die Tatsache, dass sie global funktionieren und auch überall dort eine Verbindung herstellen können, wo kein Mobilfunknetz und kein WLAN erreichbar sind. Dass man dafür nicht auf die höchsten Gipfel, in die trockenste Wüste oder den abgelegensten Wald muss, wissen wohl die meisten Menschen, die ab und an quer durch Deutschland reisen, und in anderen Ländern sieht es nicht immer besser aus. Etwa 15 Prozent der Fläche Europas weisen keine Netzabdeckung auf, in den USA erreicht kein Provider mehr als 70 Prozent der Fläche. In diesen weißen Flecken eine Möglichkeit zu haben, Nachrichten zu verschicken oder zumindest im Notfall Hilfe holen zu können, ist ein enormer Fortschritt.

Die Bandbreite für diese Verbindungen ist zwar gering und die Latenz beeindruckend hoch, doch für Textnachrichten und Notrufe reicht es locker. Neben reinem Text lassen sich auch Ortsinformationen verschicken, um den Rettern so effizient wie möglich den Weg zu weisen. Eine Textnachricht mit dem System von Bullitt, das wir auf der CES 2023 ausprobieren konnten, darf bis zu 140 Zeichen lang sein. Pro Zeichen wird ein Byte Daten übertragen, hinzu kommen einige Steuerzeichen, sodass eine Nachricht mit 140 Zeichen auf etwa 155 Byte Datenmenge kommt. Das dürfte bei Qualcomms System ähnlich aussehen.

(Bild: Apple)

Bullitt und Qualcomm bieten neben normalen Textnachrichten die Möglichkeit, Notrufe abzusetzen. Apple beschränkt sein System, das mit dem iPhone 14 Pro eingeführt wurde, ausschließlich auf solche SOS-Meldungen. Es erscheint zwar denkbar, dass Apple diese Einschränkung irgendwann aufgeben wird, doch konkrete Hinweise darauf gibt es noch nicht.

Während bei Apple die SOS-Signale direkt an die jeweilige Notrufnummer – in Europa die 112 – geleitet werden, schalten Bullitt und Qualcomm jeweils einen Anbieter dazwischen. Qualcomm hat sich dafür mit Garmin zusammengetan, Bullit mit FocusPoint International. Die Idee dahinter: Nicht jeder Notruf erfordert direkt eine aufwendige Rettungsaktion, manche Situationen lassen sich auch niederschwelliger lösen, etwa mit Ratschlägen zur Selbsthilfe. Falls nötig, alarmieren aber auch die Systeme von Qualcomm und Bullitt selbstredend die lokalen Behörden.

Das Motorola Defy wird im Februar auf dem MWC 2023 präsentiert

(Bild: heise online/Steffen Herget)

Einen wichtigen technischen Unterschied gibt es zwischen den Modems von Qualcomm und Mediatek. Qualcomm integriert das neue Modem in den SoC, bei Mediatek ist es ein separates Bauteil. Die Trennung von Modem und SoC macht es vergleichsweise einfach, den Satellitenfunk in Smartphones unterschiedlicher Leistungsklassen einzubauen. Qualcomm Satellite Connect dürfte zunächst ausschließlich in den High-End-Chips Verwendung finden. Einen erhöhten Stromverbrauch durch den Satellitenfunk will Bullitt übrigens nicht festgestellt haben, das Modem verbrauche dabei quasi gleich viel Energie wie im 5G- oder LTE-Netz, so ein Sprecher.

Anders als Qualcomm Snapdragon Satellite ist Bullitt Satellite Connect fertig entwickelt, Hardware und Software – sowohl das Framework als auch die App – funktionieren und starten in wenigen Wochen zum MWC. Auch die Preise stehen bereits fest – Notrufe sind zunächst kostenlos, das kleinste Datenpaket kostet 5 Euro im Monat und soll für etwa 30 kurze Nachrichten ausreichen. Spannend dürfte die Frage werden, ob Bullitt und Mediatek ihren zeitlichen Vorsprung nutzen können, solange Qualcomm noch nicht fertig ist. Die Chips von Qualcomm stecken in unzähligen Smartphones, das Unternehmen hat sich eine starke Stellung auf dem globalen, vor allem westlichen Markt erarbeitet.

Mediatek wiederum ist stärker in Asien vertreten, hat jedoch vor allem mit den leistungsstarken Dimensity-Prozessoren auch den europäischen Markt verstärkt als Ziel ins Auge gefasst. Bullitt als kleiner Fisch im Teich der Großen ist darauf angewiesen, weitere Partner zu finden, die das System lizenzieren und in ihren Smartphones einbauen. Davon würde Mediatek als Chip-Hersteller naturgemäß gleichzeitig profitieren. Apple kann es sich mit der loyalen Nutzerbasis gemütlich machen und sein System einfach weiter in seine iPhones einbauen.

Die Möglichkeit, Nachrichten am Smartphone über direkte Satellitenverbindungen zu verschicken, dürfte sich in den kommenden Jahren durchsetzen. Trotz der Abstriche gegenüber “normalen” Messengern, mit denen sich ganz andere Inhalte verschicken lassen als nur Text und Ortsangaben, erweitert der Satellitenfunk den Nutzwert von Smartphones merklich – bei der nächsten Reise durch ausgedehnte Funklöcher werden Sie daran denken.

(sht)