E-Rezept-App: "Wie soll Oma Erna das machen?"

Viele haben im Januar E-Rezepte bekommen, aber nur wenige die E-Rezept-App genutzt. Wir haben im ersten Monat Erfahrungen gesammelt, auch in der Redaktion.

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(Bild: fizkes / Shutterstock.com)

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Seit knapp einem Monat sind alle Ärzte dazu verpflichtet, E-Rezepte auszustellen. Um diese einzulösen, gibt es drei Wege: den Papierausdruck, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die offizielle E-Rezept-App von der Gematik. Wir haben uns in der Redaktion umgehört, wie die ersten Erfahrungen unserer Kolleginnen und Kollegen mit dem E-Rezept sind. Besonders hat uns dabei interessiert, ob die Rezepte auch mit der dazugehörigen E-Rezept-App eingelöst wurden.

Die Reaktionen waren äußerst gemischt: "Ach, dafür gibt es auch eine App?" – "Habe keinen Unterschied bemerkt" – "Was für ein Schrott". Die meisten haben ihre E-Rezepte über die eGK eingelöst – allerdings sei es im ersten Moment ein komisches Gefühl gewesen, ohne den üblichen Papierausdruck in die Apotheke zu gehen, merkte ein Kollege an. So dürfte es den meisten Versicherten gegangen sein, denn laut einer Umfrage ist der Einlöseweg über die eGK momentan am weitesten verbreitet.

Bisher haben erst vier unserer Redakteure die E-Rezept-App installiert – gemessen an der Redaktionsgröße immerhin deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der mit 1.518.101 Downloads bei über 1,5 Prozent liegt. Allerdings dürften die wenigsten von ihnen die E-Rezept-App nutzen. Zumindest bei uns hat noch niemand ein Rezept über die App eingelöst.

"Ich habe die App nur aus Neugier installiert, um zu sehen, was sie anzeigt", sagte ein Kollege. Ein anderer stellte den Sinn der App infrage: "Ich weiß nicht, was ich mit der E-Rezept-App überhaupt anfangen soll. Früher war das Rezept nach der Einlösung auch weg und damit auch die Dokumentation, was der Arzt aufgeschrieben hat". Ein Leser sieht die App als großen Vorteil, da er sehen kann, ob sein Medikament vorrätig ist und so nicht mehr unnötig in die Apotheke muss. Bei seinem E-Rezept, das er vor kurzem einlöste, habe alles gut geklappt.

Ein anderer findet die E-Rezept-App eigentlich "eine coole Sache, aber ich frage mich, warum E-Rezepte nicht direkt in meiner Krankenkassen-App landen. Abgerechnete Behandlungen und Verschreibungen sehe ich dort doch ohnehin schon". Außerdem sei es unverständlich, "dass man seine Versichertenkarte zum Arzt tragen muss, damit er ein E-Rezept auf einen Server hochladen kann. Zumindest bei Wiederholungsrezepten ist das unnötiger Aufwand", doch auch das soll sich mit einem kürzlich versprochenen Gesetz von Bunsgesundheitsminister Karl Lauterbach ändern, wonach Versicherte jährlich nur noch einmal im Jahr physisch zum Arzt müssten. Derzeit reicht es, wenn man einmal im Quartal beim Arzt die eGK vorzeigt, damit dieser E-Rezepte ausstellen kann

DocMorris will Scan vom Ausdruck des E-Rezepts

(Bild: DocMorris)

Ebenfalls sei unverständlich, "wie das E-Rezept zu einer Online-Apotheke soll, da diese einen Ausdruck scannen [wollen], den ich aber nicht habe." Auch dafür arbeitet die Gematik derzeit an einer Lösung für Versandapotheken. Die Spezifikationen dazu will die Gematik bald veröffentlichen.

"Leider ist das alles unnötig umständlich. Seit Dezember kann ich mich zwar endlich über die App der Techniker Krankenkasse bei der E-Rezept-App anmelden, ohne immer die eGK samt PIN bereitzuhalten. Um diese Funktion weiternutzen zu können, musste ich mich im Januar aber erst einmal für die zusätzliche App TK-Ident registrieren" – die Gesundheits-ID der Techniker Krankenkasse. "Solange nicht alles an einem Ort ist – elektronische Patientenakte und E-Rezepte – bleibe ich einfach beim Einlösen mit der eGK." Das soll bald funktionieren, erste Krankenkassen planen bereits die Integration des E-Rezepts in ihre vorhandenen Apps.

Der vierte Kollege war regelrecht verärgert über die E-Rezept-App:"Ich habe mindestens eine Stunde in der E-Rezept-App verplempert, obwohl ich alles konfiguriert hatte". Das Passwort habe nicht mehr funktioniert. "Absolut untauglich und unbrauchbar und ungetestet irgendwie. Eigentlich habe ich Ahnung und bin da leidensfähig. Wie soll denn das Oma Erna hinbekommen?" In diesem Fall kann das E-Rezept tatsächlich einen Vorteil ausspielen, wie ein Leser bestätigte. Er hat die Profile seiner Eltern in seiner E-Rezept-App hinterlegt und kann sich deren Rezepte schicken lassen und sie einlösen. Für ihn ein unschlagbarer Vorteil.

Dieser Prozess lief nicht bei allen Befragten gut. Zunächst einmal haben nicht alle die Möglichkeit, ihre Krankenkassen-Filiale zeitnah zu erreichen. Teilweise sind diese sogar in anderen Städten. Außerdem fällt immer wieder auf, dass die Mitarbeiter in Krankenkassen auf den Vergabeprozess für die PIN nicht immer vorbereitet sind. Zudem kann es teilweise länger dauern, bis die PIN dann per Post zugestellt wird, wenn sie überhaupt ankommt. Ein Leser beschwert sich beispielsweise im Forum, dass er seit drei Wochen auf die PIN wartet, in der Redaktion warten ebenfalls mindestens zwei auf ihre PIN.

Auch der Anmeldeprozess in der E-Rezept-App mit elektronischer Gesundheitskarte und PIN kann nerven: Immer wieder kommt es zu Problemen, weil der Anmeldeprozess aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert, abbricht oder lange dauert. Manchmal sind mehrere Versuche nötig, bis die Anmeldung an der Telematikinfrastruktur gelingt. Dann erscheinen zum Beispiel wiederholt Fehlermeldungen: "Es ist ein unerwarteter Fehler aufgetreten. Bitte beenden Sie die TK-Anwendung über den Taskmanager. Sollte der Fehler wiederholt auftreten, senden Sie uns bitte eine Nachricht. (T 10)".

Bei der Anmeldung über die Krankenkassen-App kommt es ebenfalls zu Problemen, wie unsere Leser berichten. Hierzu ist ebenfalls ein Authentifizierungsprozess notwendig, entweder über Postident oder die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises, letzteres ist derzeit aber noch bei den wenigsten Krankenkassen möglich. Sofern das geglückt ist, kann die Gesundheits-ID der Krankenkasse genutzt werden.

Bei manchen Krankenkassen funktioniert die Anmeldung mit der Gesundheits-ID über eine spezielle Ident-App – beispielsweise über die TK-Ident-App, bei anderen wiederum über eine bereits bekannte Krankenkassen-App oder die App für die elektronische Patientenakte, die ebenfalls die Versicherungen anbieten. In der Vergangenheit funktionierte die Anmeldung zeitweise nicht, weil beide sektorale Identity Provider (IDP) von Bitmarck und IBM gestört waren. Doch immer wieder berichten Versicherte, dass es gerade bei dieser Variante noch Probleme gibt. Auch in der Redaktion bemängelten einige, dass die Prozesse teilweise sehr lange dauerten.

Doch auch Apotheker und Ärzte klagen über Schwierigkeiten beim E-Rezept. Dass Apotheken bemängeln, dass das E-Rezept in der Apotheke nicht immer vom E-Rezept-Fachdienst abgerufen werden kann, ist laut dem Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Sybille Steiner, "ein Problem". Die KBV habe die Ärzte immer wieder auf die Möglichkeiten der Komfortsignatur hingewiesen. Doch aus den Praxen heißt es, auch wenn die Rezepte sofort signiert wurden, können die Apotheken das E-Rezept trotzdem nicht vom E-Rezept-Fachdienst abrufen. Um die Verzögerung beheben zu können, sei die KBV mit der Gematik im Gespräch.

Es brauche laut Steiner eine "volldigitale Lösung". Die Versicherten würden aus den Apotheken zurück in die Praxis geschickt, mit dem Hinweis, auf den Ausdruck für das E-Rezept zu bestehen, denn dieser kann nur erfolgen, wenn das Rezept auch signiert ist. Das sei nicht der richtige Weg und belaste die Ärztinnen und Ärzte, aber auch die Versicherten mit mehr Aufwand.

Auch für Pflegeheimbewohner fordert Steiner eine baldige, volldigitale Lösung. Pflegeheime sind erst ab Juli 2025 an die Telematikinfrastruktur angeschlossen, die für den sicheren Austausch der Gesundheitsdaten gedacht ist. Dazu sollen aus Sicht von Steiner Heime und ambulante Pflegedienste "künftig den Zugriff auf den E-Rezept-Server" erhalten und "als bevollmächtigte Vertreter der Patienten – die Verordnung verwalten, einer Apotheke zuweisen" und Informationen wie Dosieranweisungen einsehen.

Grundsätzlich sind Ärzte gegenüber der Digitalisierung aufgeschlossen, allerdings müsse diese "durch einen konkreten Mehrwert für die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung überzeugen". Zuletzt hatte das Praxisbarometer der KBV – wozu 3.165 Ärzte und Psychotherapeuten befragt wurden – einen "signifikanten Zuwachs" bei der Kommunikation von Ärzten untereinander und bei der Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) verzeichnet. Den größten Nutzen bei der Digitalisierung sehen die Befragten in der digitalen Übermittlung von Krankenhaus-Entlassbriefen, Arztbriefen und Befund- und Labordaten. Doch gerade in diesen Bereichen gebe es Nachholbedarf. Lediglich bei sieben Prozent der Befragten laufe die Kommunikation zwischen Praxen und Krankenhäusern schriftlich, dabei sehen 71 Prozent der Befragten einen großen Nutzen bei der digitalen Übermittlung von Entlassbriefen.

Der Dienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) wird der Umfrage zufolge häufiger genutzt. Demnach stieg bei der digitalen Kommunikation die Anzahl der über den KIM-Dienst versendeten Nachrichten von 20 auf 38 Prozent. KIM ist für den sicheren Versand von Nachrichten über die Telematikinfrastruktur gedacht.

Neben dem E-Rezept werden auch weitere Anwendungen wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung häufiger genutzt. So wurden im vergangenen Jahr 6,8 Millionen eAUs pro Monat abgerufen. Laut Praxisbarometer gehört sie zur meistgenutzten TI-Anwendung – fast 92 Prozent der Befragten nutzen sie und fast die Hälfte der Befragten seien damit zufrieden.

Bei der elektronischen Patientenakte gehen 65 Prozent der Befragten davon aus, dass der Aufwand höher als der Nutzen ist. 60 Prozent würden sie ihren Versicherten anbieten, um Sanktionen zu vermeiden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte anlässlich der Streiks der Praxisärzte angekündigt, Sanktionen für Ärzte auszusetzen, die nicht über die aktuelle Version der ePA verfügen.

Steiner zufolge ist wichtig, dass auf die Ärzte keine zusätzlichen administrativen Aufgaben zukommen. "Es ist etwa Aufgabe der Krankenkassen, ihre Versicherten über das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte aufzuklären", findet Steiner.

Ebenso übte Steiner Kritik an der "sanktionsbewehrten Einführung" der TI-Anwendungen, die teilweise nicht reibungslos funktionieren. Trotzdem müssen Ärzte mit Honorarkürzungen rechnen, wenn ihre IT nicht wie gesetzlich vorgeschrieben funktioniert. Aus Sicht von Steiner müssten "unter anderem Performanz- und Usability-Vorgaben sektorübergreifend und zentral durch die verantwortliche Stelle – beispielsweise durch die Gematik – vorgegeben, zugelassen und durchgesetzt werden". Das Bundesgesundheitsministerium hingegen hat erst kürzlich die KBV beauftragt, eine Rahmenvereinbarung für Software-Hersteller zu erstellen, die die bislang offenen Punkte abdeckt.

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(mack)