Rechtsgutachten: Versicherte können E-Rezept nicht widersprechen

Wir beantworten Fragen zu Datenschutz und Freiwilligkeit beim E-Rezept, insbesondere bei der Übermittlung von Daten in die Telematikinfrastruktur.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 491 Kommentare lesen
Blonde Ärztin im weißen Kittel gibt Patienten ihre Krankenkassenkarte.

(Bild: stockfour/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Maximilian Wagner
Inhaltsverzeichnis

Seit dem 1. Januar sind Ärzte und Zahnärzte verpflichtet, Verordnungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel elektronisch auszustellen. In einem aktuellen Sachstand erklärt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags, wie es um die Freiwilligkeit bei der Nutzung des E-Rezepts bestellt ist. Da das Kurzgutachten für juristische Laien nicht leicht zu verstehen ist, erklären wir die Hintergründe.

Seit Anfang des Jahres müssen Ärzte und Zahnärzte für die Übermittlung elektronischer Verordnungen die Telematikinfrastruktur (TI) nutzen, die für den sicheren Austausch sensibler Daten gedacht ist. Datenschutzrechtlich ist die Verarbeitung solcher Daten grundsätzlich verboten und nur in bestimmten Ausnahmefällen erlaubt, zum Beispiel, wenn die betroffene Person ausdrücklich einwilligt oder ein Gesetz dies vorsieht, das angemessene Maßnahmen zur Wahrung des Patientengeheimnisses trifft.

Daher hat der deutsche Gesetzgeber genau geregelt, wer wie auf die Rezeptdaten in der TI zugreifen darf. So sollen besonders Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker, die in die Behandlung eingebunden sind, auf die Daten zugreifen können, wenn dies für die Versorgung erforderlich ist. Eine gesonderte Einwilligung des Versicherten ist also nicht erforderlich, da – zumindest für die Behandlung – gesetzliche Grundlagen für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten eingreifen.

Allerdings sieht das Gesetz mehrere Ausnahmen von dieser Regel vor. So gilt die Verpflichtung zur Ausstellung eines E-Rezepts und zur elektronischen Übermittlung der Daten in die TI beispielsweise dann nicht, wenn die elektronische Ausstellung oder Übermittlung im Einzelfall – zum Beispiel wegen technischer oder organisatorischer Probleme in der Praxis – nicht möglich ist. In diesem Fall hat die Versorgungssicherheit Vorrang. Eine weitere Ausnahme greift für die Übermittlung der Daten ins europäische Ausland: Die Übermittlung von Rezeptdaten zum Zweck der Unterstützung einer Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bedarf der vorherigen Einwilligung durch den Versicherten.

Ein genereller Verzicht durch den Versicherten oder Behandler ist im Gesetz dagegen nicht vorgesehen. Im Gegenteil. Ärzte und Zahnärzte erwartet ein pauschaler Honorarabzug von einem Prozent, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie in der Lage sind, Verordnungen elektronisch auszustellen und zu übermitteln. Versicherte müssen das E-Rezept auch dann nutzen, wenn sie kein Smartphone oder die E-Rezept-App nicht installiert haben. Sie können ihre Gesundheitskarte zur Einlösung nutzen oder sich einen QR-Code ausdrucken lassen. Papierrezepte wird es also weiterhin geben. Die Daten sind allerdings auch in der Telematikinfrastruktur vorhanden.

Mit der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts ändern sich nicht nur die Modalitäten der Einlösung. Der Gesetzgeber vermutet in der elektronischen Übermittlung der Rezeptdaten ein über die Versorgung hinausgehendes Innovationspotenzial. Daher hat er Ende 2022 die Möglichkeit geschaffen, Daten aus dem E-Rezept-Fachdienst an authentifizierte Berechtigte wie die Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), Krankenkassen oder Behandler, die die Versorgung des Patienten unterstützen, zu übermitteln. Versicherte sollen die Möglichkeit haben, bestimmte Mehrwertangebote zu nutzen.

In der Gesetzesbegründung finden sich verschiedene Beispiele für solche Mehrwertangebote. Beispielsweise sollen Versicherte DiGA mit aktuellen und qualitativ hochwertigen Daten versorgen oder ihre Krankenkasse elektronisch um die Bewilligung eines Arzneimittels bitten können. Eine solche Übermittlung, die über sichere Schnittstellen der TI erfolgen muss, soll jedoch nicht unbemerkt und ohne den Willen des Versicherten vonstatten geschehen. Er soll Herr seiner Daten bleiben und in jedem Fall, in dem er ein solches Mehrwertangebot nutzen möchte, in die Übermittlung seiner Daten einwilligen. In diesem Fall ist der Versicherte also tatsächlich frei in der Entscheidung.

Versicherte haben außerdem die Möglichkeit, das E-Rezept, die zugehörigen Rechnungsdaten und Dispensierinformationen freiwillig in ihrer elektronischen Patientenakte (ePA) zu speichern. Auch in diesem Fall ist eine Einwilligung erforderlich. Die ePA steht seit 2021 zur Verfügung und wird 2025 für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt. Zudem ist geplant, die Daten aus der ePA pseudonymisiert für Forschungszwecke zu nutzen. Der Nutzung der ePA und der Verarbeitung der ePA-Daten zu Forschungszwecken muss aktiv widersprochen werden. Wer nicht will, dass mit seinen Rezeptdaten geforscht wird, kann der Datenfreigabe an das Forschungsdatenzentrum widersprechen.

Maximilian Wagner ist seit 2022 Rechtsanwalt der Technologiekanzlei Schürmann Rosenthal Dreyer Rechtsanwälte und unter anderem spezialisiert auf das Datenschutz- und IT-Recht.

(mack)